| Pressemeldung | Nr. 147

Predigt von Kardinal Woelki in der Eucharistiefeier zur Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

wir alle sind viel unterwegs. Heute bin ich in Fulda, gestern war ich in Köln, morgen geht’s weiter nach Frankfurt und Rom. Vielen von Ihnen wird es ähnlich ergehen. Manchmal denke ich: mein Leben, das ist gar nicht so weit weg von dem der Apostel. Ich ziehe in der Welt umher und verkünde das Evangelium – in kleinen Dörfern wie Düsseldorf und in großen Städten wie Bonn, Unkel oder Wipperfürth, manchmal auch in Frankfurt und in Rom. Und nun eben in Fulda. Bei aller Routine gibt es immer neue spannende Begegnungen und Erlebnisse. Einen Wanderstab habe ich nicht dabei. Ich nehme auch keine Vorratstasche und kein Brot mit. Aber ohne Geld und zweites Hemd bin auch ich nicht hierher nach Fulda gekommen.

Wenn man also die Anweisungen Jesu aus dem Evangelium des Lukas betrachtet und wortwörtlich nimmt, dann ist bei mir noch Luft nach oben. Gehen wir diesem Gedanken einmal nach: Nehmen wir an, wir würden die Anweisungen wirklich wortwörtlich nehmen. Mal abgesehen von einer gesunden Entschleunigung und der gesunden Bewegung durch das Wandern von Ort zu Ort – haben Sie nicht auch den Eindruck, dass das Leben eine ganz andere existenzielle Spannung erhalten würde? Wenn ich mir das vorstelle: ganz ohne Geld, ohne Vorratstasche, ohne alles loszulaufen. Wir sind dann völlig davon abhängig, wie wir und das Wort Gottes, das wir verkünden, aufgenommen werden. Da braucht es ein großes Vertrauen in Gott und Seine Vorsehung, dass man abends auch ein Dach über dem Kopf hat und nicht verhungert. Es heißt im Evangelium schließlich: „Wenn euch aber die Leute nicht aufnehmen, dann geht weg aus jener Stadt und schüttelt den Staub von euren Füßen, zum Zeugnis gegen sie!“ Das macht deutlich: Es kann passieren, dass das Wort Gottes nicht angenommen wird.

Da ist dann unter Umständen die Versuchung groß, dem Wort Gottes etwas hinzuzufügen, um es angenehmer zu machen. Dass das nicht ohne ist, darauf weist heute ausdrücklich die Lesung aus dem Buch der Sprichwörter hin. „Füg seinen (Gottes) Worten nichts hinzu, sonst überführt er dich und du stehst als Lügner da“ (Spr 30,6), heißt es da, und der Text fährt fort mit einem kleinen Gebet: „Gib mir weder Armut noch Reichtum, nähr mich mit dem Brot, das mir nötig ist“ (Spr 30,8). Mich erinnert das an das Gebet Jesu, das „Vaterunser“. Dass wir uns keine Armut wünschen, das ist doch ziemlich klar. Das ist zutiefst menschlich.

Und der Verfasser des Gebetes begründet es auch für sich: „Damit ich nicht zum Dieb werde“ (Spr 30,9). Allerdings weist dieses Gebet auf eine noch tiefere psychologische Gegebenheit hin: Jemand, der wirklich Hunger hat, dessen primäres Ziel wird es sein, diesen zu stillen. Er wird – vor lauter Hunger – nicht wirklich dafür offen sein, das Wort Gottes zu hören oder es zu verkünden. Nicht nur deswegen, aber auch deswegen, gehört zur Verkündigung des Wortes immer auch das karitative Handeln. Hungernde speisen, Kranke heilen usw. So weit, so menschlich. Aber wer würde sich denn dann auch gegen Reichtum wehren?

Warum betet da jemand, dass der Herr ihn davor bewahren möge und erbittet sich nur das Brot, das nötig ist? Auch aus dieser Bitte, liebe Schwestern, liebe Brüder, spricht eine tiefe psychologische Erkenntnis: wer reich ist, wer viel hat, der kann auch viel verlieren. Die Angst vor dem Verlust kann so stark werden, dass man am Ende den Herrn verleugnet. Dabei ist Reichtum sicherlich relativ. Reichtum wird vielleicht sogar erst dann wirklich zu Reichtum, wenn wir vergessen, dass es sich bei allem um ein Geschenk Gottes handelt. Wir hängen in allem von Ihm ab. Vergessen wir also nicht: Es braucht unser Vertrauen in Gott, dass Er für uns und unser Dasein sorgt – unabhängig davon, ob wir mit Vorratstasche und Geld reisen oder nicht. Genauso braucht es unser Vertrauen in Gott, dass wir Seinem Wort nichts hinzufügen. Denn auch heute werden wir nicht überall freudig aufgenommen, wenn wir das Wort Gottes verkünden. Auch heute ist es ein Wagnis, das Evangelium zu verkünden, ein Wagnis allerdings, das sich lohnt einzugehen. Einfach deshalb, weil es Gottes Wort ist. Amen.

Lesung:     Spr 30,5–9
Evangelium:    Lk 9,1–6

Hinweis:

Die Predigt von Kardinal Woelki ist unten auch als pdf-Datei verfügbar.

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