| Pressemeldung | Nr. 063

Predigt von Bischof Dr. Georg Bätzing in der Osternacht

Eucharistiefeier im Hohen Dom zu Limburg

„Sein Licht vertreibt das Dunkel der Herzen“

Liebe Schwestern und Brüder,

Zeichenhandlungen machen die Osternachtfeier so einzigartig und eindrucksvoll; sprechende Zeichen, die keine großen Erklärungen brauchen. Ich traue ihnen zu, ihre Kraft auch über Kamera und Mikrofon zu entfalten. Ja, ich hoffe, sie kommen bei Ihnen zu Hause an.

Licht einer kleinen Flamme, das in die Runde verteilt an Ausstrahlung zunimmt und die Dunkelheit erhellt. Klänge von Orgel, Schellen, Glocken, die Harmonie vermitteln in all dem Durcheinander dieser Welt; sie laden die sprachlos Gewordenen ein, einzustimmen in das Klingen und Singen der Schöpfung aus purer Lebenslust. Ein gestammeltes Gotteslob – was sonst ist das Halleluja in seiner Lautsprache – als erste Antwort auf die unfassbare Botschaft, dass der Herr lebt. Wasser, Lebensquelle, Urelement, erfrischend, reinigend und bedrohlich immer dann, wenn es die Übermacht bekommt; lebensbedrohlich, wo es mangelt oder verschmutzt ist. Hier wird es Zeichen für die Taufe, durch die wir jetzt schon dem ewigen Tod entkommen und lebendig gerettet sind. Schließlich das Ostermahl, wie Jesus es zu seinem Gedächtnis gewollt hat. So preisen und verkünden wir den Tod und die Auferstehung des Herrn, bis er wiederkommt.

Zeichen, wie sie besser nicht hätten gewählt werden können. Sie sind mitten aus dem Leben gegriffen in dieser besonderen Zeit. Lebendiges Licht steht abends in vielen Fenstern und zeigt an, hier wachen Menschen, hier beten Menschen und verbinden sich dabei mit anderen. Glockenläuten, Applaus aus geöffneten Fenstern und Türen, ein Signal dankbarer Lebendigkeit in die ansonsten menschenleer und still gewordenen Straßen. Das Netz verkraftet kaum mehr all die digitalen Lebensäußerungen in Clips und Mails und Skype-Verbindungen, mit denen wir die Zeiten zurückgenommener leibhaftiger Kommunikation mehr oder weniger stammelnd überbrücken.

Und Wasser: Wasser und Seife, ein Vaterunser lang, sei der beste Schutz gegen die Übertragung der Krankheit, sagen die Experten. Wer Wasser und Seife zur Verfügung hat, braucht kein Desinfektionsmittel. Wasser ist Leben. Wann habe ich zuletzt so intensiv darüber nachgedacht? Jetzt ist es mir präsent, und ich bin dankbar, dass uns Wasser ausreichend und sauber zur Verfügung steht. Einem Großteil der Menschheit mangelt es daran, und weil es mangelt, ist eine ausreichend gute Ernährung genauso wenig gesichert wie der Gesundheitsschutz durch eine gute Hygiene. Vor wenigen Tagen hat der Vatikan zum Weltwassertag in einer Orientierungshilfe Untersuchungen und Maßnahmen vorgestellt, um Trinkwassermangel und Gesundheitsvorsorge zu verbessern. „Aqua fons vivae“, Wasser, lebendige Quelle, heißt das Dokument. Das Wasser der Taufe und das Wasser des Alltags haben ein gemeinsames Ziel, nämlich: Leben zu erhalten.

Und schließlich das gemeinsame Essen. Jetzt, wo die Kneipen und Restaurants geschlossen sind, wird wieder mehr zuhause gegessen – die Ahnung war wohl richtig, wenn auch die Hamstereinkäufe unnötig waren und hoffentlich nicht dazu führen, die Unmengen weggeworfener Lebensmittel bald zu vervielfachen. Essen zubereiten und gemeinsam am Tisch sitzen ist eine gute Kultur. Dabei miteinander sprechen vertieft den Zusammenhalt. Dankbar an alle zu denken, die uns die Lebensmittel bereitstellen, ist uns neu bewusst geworden.

Liebe Schwestern und Brüder, wenn es die Osternacht nicht längst gäbe, wir müssten sie jetzt in dieser Situation glatt erfinden. Der Glaube und das Leben, die Spiritualität und der Alltag, die christliche Botschaft und unsere konkrete Bedrängnis gehören zusammen. Unser Gottesdienst findet heute im leeren Dom statt, aber keineswegs in einem unkonkreten und letzthin verzichtbaren Separee im Haus der Menschheit. Diese Feier steht mitten im Jetzt. Und sie schenkt uns Möglichkeiten auszudrücken, zu klären und zu deuten, was uns in diesen Wochen widerfährt. Lebensnahe sprechende Zeichen – von Glauben erfüllt: Was für ein Geschenk!

Licht, Klang, Halleluja, Wasser, Mahl. Es sind Signale nach außen, mit denen wir deutlich machen, dass uns diese Epidemie nicht bezwingen wird und auseinandertreibt. Sie sind zusammengenommen ein Manifest unseres Willens, der Bedrohung solidarisch und mit allen Kräften entgegenzutreten. Es sind Hoffnungszeichen gegen die Angst, die wir auch kennen und die Dünnhäutigkeit, die in den Wochen des Durchstehen-Müssens zunimmt. Es sind Zeichen von innen nach außen. Trotz-Zeichen und Trostzeichen. So verstehe ich auch die vielen Anfragen und Ideen, die mir in den vergangenen Wochen angetragen wurden. Man müsste doch dies unbedingt tun und das unbedingt einsetzen, und dieses gemeinsame Gebet zur selben Stunde in der ganzen Welt sprechen, das wäre jetzt nötig. Ich glaube, an solchen Zeichen mangelt es nicht … Vielleicht aber mangelt es an ihrer Wirkung von außen nach innen. Denn Licht, Klang, Halleluja, Wasser und Ostermahl sind nicht nur für die da draußen gut. Sie wollen uns innerlich bestärken. Wir, denen Ostern so viel bedeutet; wir, die daran glauben, dass der Herr Tod und Grab überwunden hat und unter uns lebt; wir sind doch nicht zweifellos und unangefochten. Wir brauchen diese Zeichen, damit sie das Dunkel unserer Herzen vertreiben und uns halten in unseren Ängsten – vor allem der Angst vor dem eigenen Tod.

Darum ist Ostern ein sehr behutsames Fest. Alle Zeichen sprechen vom Weg, der vor uns liegt: aus Dunkel zum Licht, aus der Zerstreuung in die Gemeinschaft, aus bedrohter Not zu geschenkter Freiheit. Ostern ist nicht wie eine Kirmes, die mit dem Fassanstich beginnt und „Freude auf Zeit“ organisiert. Ostern ist auch nicht wie ein glanzvolles Sportevent, ein Sommermärchen, bei dem am Ende doch nur die Sieger in Erinnerung bleiben. Ostern ist ein Fest für alle, die Suchenden wie die Starken, die Jubelnden wie die Zweifler, die Lebenden und die Toten. Es braucht den beschwerlichen Weg durch die Kartage. Damit beginnt Ostern und hört nicht mehr auf. Hätten wir es gerade nicht in dieser passgenauen Art, wir müssten es erfinden. Gott sei Dank ist nun Ostern. Ja, der Urheber des Lebens (vgl. Apg 3,15) lebt. Christus ist glorreich auferstanden vom Tod. Sein Licht vertreibe das Dunkel der Herzen. Amen, halleluja!

Hinweis:

Die Predigt ist untenstehend auch als pdf-Datei zum Herunterladen verfügbar.

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