| Pressemeldung | Nr. 036

Abschlusspressekonferenz der Frühjahrs-Vollversammlung 2025 der Deutschen Bischofskonferenz

Pressebericht von Bischof Dr. Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz

Die Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz ist heute (13. März 2025) zu Ende gegangen. Seit Montag haben die (Erz-)Bischöfe über vielfältige Fragen und Aufgaben beraten.

Wir dokumentieren den Pressebericht zur Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz, den der Vorsitzende, Bischof Dr. Georg Bätzing, bei der Abschlusspressekonferenz am 13. März 2025 im Kloster Steinfeld vorstellt hat.

Der Pressebericht ist untenstehend auch als PDF-Datei verfügbar.
 

  1. Einleitung
  2. Predigt beim Eröffnungsgottesdienst
  3. Grußwort des Apostolischen Nuntius in Deutschland
  4. Bundestagswahl 2025 und gesellschaftlicher Zusammenhalt
  5. Fragen der Migration
  6. Studieneinheit: Zehn Jahre Laudato si’ – Aktualität und Relevanz
  7. Aufklärung und Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche
  8. VI. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU) – weiteres Vorgehen
  9. Synodal Kirche sein I: Weltsynode in Rom
  10. Synodal Kirche sein II: Synodaler Ausschuss
  11. Frauen in Führung – eine Lern- und Erfolgsgeschichte
  12. Heiliges Jahr 2025: Pilger der Hoffnung
  13. Zukunft des Christentums: Syrien und Irak
  14. Globale Situation und die Ukraine
  15. Sri Lanka: soziale, politische und kirchliche Situation
  16. Polnisch-Deutsches Gedenken im Jahr 2025
  17. Personalia
     


1. Einleitung

Etwas entlegen, aber nicht weniger schön und doch im Herzen Europas, wie wir gelernt haben, konnten wir unsere Frühjahrs-Vollversammlung im Kloster Steinfeld im Bistum Aachen durchführen. Wir sind dankbar für die Gastfreundschaft und jene, die mit uns vor allem die Gottesdienste gefeiert haben. Insbesondere haben wir gerade in dieser Zeit Papst Franziskus gedacht, dessen Zustand sich immerhin leicht verbessert hat. Mit ihm verbunden, haben wir für ihn gebetet und ihm in einem Brief eine baldige und gute Genesung gewünscht.


2. Predigt beim Eröffnungsgottesdienst

Beim Eröffnungsgottesdienst der Frühjahrs-Vollversammlung habe ich den Begriff des Fastens in den Mittelpunkt meiner Überlegungen gestellt: Fasten – nicht als notwendige Nacharbeit, sondern Fasten als Vorarbeit für ganz neue Zeiten und andere Verhältnisse in der Welt. Fasten bedeutet dann eine Art Übergangsphase, in der wir uns aus Solidarität opferbereite Zurückhaltung auferlegen, um den Schritt in neue Verhältnisse und neue Welten wagen zu können. Gerade angesichts der globalen Krisen – ich werde nachher noch darauf eingehen – scheint mir das dringend geboten. Es ist Papst Franziskus, der uns aufruft, gegen den Fatalismus einen anderen Lebensstil einzuüben, den er als Ermutigung sieht, dass jeder Einzelne etwas in seinem Leben und der Welt zu ändern vermag: Du kannst Dich und Dein Verhalten, Deinen Lebensstil ändern. Deshalb habe ich dafür geworben, in kleinen Schritten das tägliche Verhalten zu verändern: Mitgefühl, Barmherzigkeit, die Achtung der Würde und der unveräußerlichen Rechte jeder Person, ein weniger individualistisches und mehr gemeinschaftliches Verständnis von gutem Leben, Frieden und Sicherheit und die Entwicklung von Gemeinschaft über Unterschiede hinweg, Gottesdienst durch Nächstendienst, ein durch die Liebe wirkender Glaube – all das sind Elemente, die uns auf diesem Weg führen können. Dazu gehört auch, was ich als Appell formuliert habe: Gott bewahre uns vor allem, was Spaltung vertieft, Ungleichheit und Ungerechtigkeit zementiert und die Gesellschaft weiter auseinandertreibt, statt sie zu verbinden.

→ Predigt des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz
 

3. Grußwort des Apostolischen Nuntius in Deutschland

Der Apostolische Nuntius in der Bundesrepublik Deutschland, Erzbischof Dr. Nikola Eterović, hat in seinem Grußwort an die Teilnehmer der Vollversammlung das Thema Hoffnung in den Blickpunkt genommen. Er sprach zur Tugend der christlichen Hoffnung im theologischen Denken von Papst Franziskus und über ihre zentrale Bedeutung in der Bulle zum Heiligen Jahr 2025 Spes non confundit: die Hoffnung lässt nicht zugrunde gehen. Evangelisierung kann nur gelingen, wenn die Kirche sich als Gemeinschaft Rechenschaft über ihre Hoffnung geben kann. Im Austausch über die Ansprache bekräftigen die Bischöfe weiter, dass christliche Hoffnung eine Haltung begründet, im Anderen und Fremden zuerst das Gute zu sehen – im Sinn einer Hoffnung, im Fremden das Gute zu erwarten. 

→ Grußwort des Apostolischen Nuntius in Deutschland
 

4. Bundestagswahl 2025 und gesellschaftlicher Zusammenhalt

Unsere Vollversammlung hat zwei Wochen nach der Wahl zum 21. Deutschen Bundestag stattgefunden. Für uns war es wichtig, dass wir zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen und der Evangelischen Kirche in Deutschland gemeinsam zur Wahl aufgerufen haben. Wir begrüßen, dass bereits nach kurzer Zeit Koalitionsverhandlungen begonnen haben. Das ist ein gutes Zeichen für unsere lebendige Demokratie. Die stark gestiegene Wahlbeteiligung bewerten wir ebenfalls als ein erfreuliches Signal für unser Land, dass die Demokratie ernst genommen wird. Die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler will eine Stärkung der demokratischen Mitte, was sich am Wahlergebnis zeigt. Wir hoffen, dass nun zügig eine stabile Regierung gebildet wird, die die Probleme anpackt. Der Wahlkampf ist vorüber, jetzt muss gehandelt werden. Die demokratischen Kräfte müssen – zum Wohl der Bürgerinnen und Bürger – zusammenarbeiten: das heißt zuhören, einander verstehen und konstruktiv um gerechte Lösungen ringen und zu Kompromissen bereit sein. Deutschland muss dabei in einem demokratischen Europa eingebunden sein, als rechtsstaatliches, freiheitliches, weltoffenes und solidarisches Land. Extremistische Kräfte und solche, die trotz des völkerrechtswidrigen Angriffs auf die Ukraine mit Putin sympathisieren, dürfen nicht den Ton angeben. Gerade angesichts der internationalen Situation wünsche ich mir sehr, dass Europa durch diese Wahl und die neue Regierung gestärkt wird.

In unseren Überlegungen galt das besondere Interesse der Zusammenarbeit der demokratischen Parteien, nachdem kurz vor der Wahl die Diskussionen über den Umgang mit der „Alternative für Deutschland“ (AfD) noch einmal stark aufgeflammt waren. Als Gast hatten wir Dr. Thomas Petersen vom Institut für Demoskopie Allensbach bei uns, der eine auf Umfragen gestützte Analyse der derzeitigen gesellschaftspolitischen Lage erläuterte. In der Diskussion lag ein Schwerpunkt auf der Notwendigkeit, dass demokratische Parteien bei allem konstruktiven Streit einander im Grundsatz respektieren und zusammenarbeiten, um gute Kompromisse zu finden. Ein weiterer Fokus lag auf der Bedeutung dieser Situation für das Handeln der Kirche im Sinne ihres politisch-diakonischen Auftrags und im Streben nach dem Gemeinwohl.

Wir haben uns noch einmal vergewissert, dass die Erklärung der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz vom 21. Februar 2024 Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar nichts an Aktualität verloren hat. Das war vor einem Jahr wie heute ein starkes Zeichen demokratischer Überzeugung, klar Position gegen jede Form nationalistischer Tendenzen in unserem Land zu ziehen. Dieser von vielen Menschen und auch der Politik gelobte Text gilt zurecht als Meilenstein im zivilgesellschaftlichen Diskurs, dem sich die Bischöfe stellen. Das Dokument ist jetzt – gerade nach einer Bundestagswahl – wichtiger denn je. Völkischer Nationalismus darf keinen Platz in unserer Gesellschaft haben und schon gar nicht in der Kirche. Wir freuen uns über die intensive Rezeption dieses Dokumentes. Viele schriftliche Eingaben und zahlreiche öffentliche Veranstaltungen zeigen, dass wir einen Nerv getroffen haben. Deshalb war es richtig und notwendig, einige Monate später Erläuterungen zum Umgang mit extremistischen Positionen, die im Widerspruch zu tragenden Grundsätzen der katholischen Kirche stehen, zu erarbeiten (das ist eine Hilfe zur Auslegung von Artikel 6 und 7 der Grundordnung des kirchlichen Dienstes).

Lassen Sie mich noch einen Aspekt hinzufügen: In unserer Erklärung gegen völkischen Nationalismus haben wir uns dem Dialog verpflichtet. Dem werden wir weiterhin nachkommen – in politischen Spitzengesprächen, in Akademien und mit Angeboten unserer Bildungseinrichtungen. Ich glaube daher persönlich, dass wir mit Wählern der AfD ins Gespräch kommen müssen, um deren Beweggründe zu verstehen und um für unsere Position zu werben. Denn: Die Demokratie rettet man nicht durch Ausgrenzung, sondern durch Debatte. Das sollten wir als Kirche und als Gesellschaft (neu) lernen. Der politische Streit ist richtig und gut und muss in der Mitte geführt werden. Dabei werden wir als Kirche ebenso Kontroverse (neu) lernen müssen. Wir spüren das ja gerade beim Thema Migration, bei dem es nicht nur die eine Lösung gibt.

Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil gilt die Autonomie der verschiedenen Stimmen, die sich zu Wort melden. Wir Bischöfe – als eine Stimme der Zivilgesellschaft – geben Bewertungen ab, auch im politischen Bereich. Aber daneben stehen die Kompetenz, Autonomie und die eigene Professionalität der Politikerinnen und Politiker, die wir nicht beschneiden. Es soll nicht der Eindruck entstehen, wir würden Meinungspluralität verhindern wollen. Ich finde, dass das Dokument der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Christliche Perspektiven für unser gesellschaftliches und politisches Miteinander, das gestern veröffentlicht wurde, dafür interessante Impulse gibt.

Um es noch einmal in aller Klarheit zu sagen: Der Kampf gegen die rechten und linken politischen Ränder und Populismen ist kein Kampf gegen Menschen, sondern gegen Ideologien. Völkischer Nationalismus ist mit dem Christentum nicht vereinbar, aber da braucht es Argumente, die wir versuchen, immer wieder ins Feld zu führen. Wir müssen lernen, inhaltliche Fragen von Stilfragen zu unterscheiden. Populismus halten wir für schädlich für unsere politische Kultur. Die Stärke von populistischen Parteien wie der AfD deutet oft auf die Fehler der anderen hin. Auch wir Kirchen haben offenbar Probleme nicht ernst genommen, die viele Menschen umtreiben. Dem müssen wir uns jetzt stellen und ich bin dankbar, dass wir das mit der Erklärung vor einem Jahr begonnen haben und diesen Weg konsequent weitergehen. 

Gemeinsamer Aufruf der Vorsitzenden der christlichen Kirchen in Deutschland zur Wahl des  21. Deutschen Bundestages 
#DuEntscheidest – Aktion des Bündnisses „Zusammen für Demokratie“ 
Erklärung der deutschen Bischöfe zum völkischen Nationalismus


5. Fragen der Migration

In diesem Zusammenhang möchte ich hier ein Thema einfügen, das eng mit dem zurückliegenden Wahlkampf zu tun hat, der großteils von hitzigen Migrationsdebatten geprägt war. Die Bischöfe in der Vollversammlung waren sich einig, dass es nun Zeit wird, diese Polarisierung zu überwinden. Dabei ist aus kirchlicher Sicht unstrittig, dass Probleme, die sich im Zusammenhang von Migration und Flucht stellen, dringend angegangen werden müssen. Zu denken ist hier etwa an größere Anstrengungen überall dort, wo Integrationsprozesse zu misslingen drohen, oder an eine wirksamere Unterstützung von Kommunen, denen die Aufnahme von Geflüchteten viel abverlangt. Ebenso steht außer Frage, dass alle Formen des Extremismus in unserem Land bekämpft werden müssen. Dies schließt neben dem Rechtsextremismus ebenso den Islamismus ein, die beide auch gewalttätige Formen annehmen. Gleichzeitig erinnern wir daran: Wer Probleme lösen will, muss dabei immer die fundamentalen Grundsätze unseres Gemeinwesens berücksichtigen.

Dazu gehören das Grundrecht auf Asyl und ein menschenwürdiger Umgang mit jedem, der in unserem Land Zuflucht sucht. Außerdem sollten wir nicht vergessen, dass der im Grundgesetz verankerte Schutz der Familie alle Familien einschließt – auch Flüchtlingsfamilien. Und: Die katholische Kirche hat sich stets für das Projekt der europäischen Einigung starkgemacht. Wir Bischöfe sind weiterhin überzeugt, dass in Fragen von Migration und Flucht gemeinsame Antworten auf Ebene der Europäischen Union einen hohen Wert haben. Aktuell wäre es verfrüht, die migrationspolitischen Vereinbarungen, auf die sich die künftigen Koalitionäre auf dem Weg zu einer neuen Bundesregierung verständigt haben, im Einzelnen zu bewerten. Aber selbstverständlich werden wir uns dafür einsetzen, dass die gerade skizzierten Grundsätze bei der Lösung der anstehenden Aufgaben beachtet werden.

Lassen Sie mich noch einen weiteren Gesichtspunkt hinzufügen, der mir aus weltkirchlicher Perspektive wichtig erscheint: Bei den Gesprächen, die wir bei dieser Vollversammlung zur Lage im Nahen und Mittleren Osten geführt haben, hat sich noch einmal sehr deutlich gezeigt, dass eine Rückkehr von Geflüchteten in ihre Herkunftsländer erst dann wirklich verantwortbar ist, wenn sie dort in Sicherheit und Würde leben können. Deshalb halten wir eine Reduktion internationaler Hilfen für Krisengebiete, wie sie die neue US-amerikanische Regierung gerade forciert und wie sie auch andernorts diskutiert wird, für den falschen Weg. Ich werde auf die globalen Krisen nachher noch einmal an anderer Stelle eingehen.

Flüchtlingshilfe der katholischen Kirche


6. Studieneinheit: Zehn Jahre Laudato si’ – Aktualität und Relevanz

Bischof Dr. Heiner Wilmer SCJ (Hildesheim) und Weihbischof Rolf Lohmann (Münster) haben im gestrigen Pressegespräch bereits darüber berichtet, dass wir Bischöfe das zehnjährige Jubiläum der päpstlichen Umwelt- und Sozialenzyklika Laudato si’ zum Anlass genommen haben, uns in einer Studieneinheit mit den gegenwärtigen sozialen und ökonomischen Herausforderungen des Klima- und Umweltschutzes sowie mit möglichen Lösungsansätzen auseinanderzusetzen. Laudato si’ gehört zu den wirkmächtigsten päpstlichen Enzykliken der jüngeren Vergangenheit. Erstmals hat mit ihr die soziale Frage des Klima- und Umweltschutzes Eingang in eine päpstliche Enzyklika gefunden und damit weit über den kirchlichen Raum hinaus Aufmerksamkeit erzeugt. Das Thema der Schöpfungsbewahrung zieht sich wie ein roter Faden durch das Pontifikat von Papst Franziskus. Umso bedrückender ist es, festzustellen, dass Maßnahmen zum Schutz von Klima und Umwelt gesellschaftlich an Akzeptanz und Zustimmung verlieren. Denn wirtschaftlicher Wohlstand und sozialer Zusammenhalt sind auf intakte Ökosysteme angewiesen. Das haben uns gestern drei Gäste noch einmal verdeutlicht.

Prof. Dr. Mojib Latif vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel hat aufgezeigt, dass das 1,5-Grad-Ziel mit den aktuellen Bemühungen nicht mehr zu erreichen sei. Dabei habe unsere Gesellschaft beim Klima- und Umweltschutz kein Erkenntnisproblem. Es mangele an der Umsetzung. Dies werde erschwert durch bewusst gestreute Falschinformationen. Ergänzt wurde diese Einschätzung durch die Direktorin des German Institute of Development and Sustainability (IDOS), Prof. Dr. Anna-Katharina Hornidge. Sie betonte, dass international vertrauensvolle Partnerschaften gezielt ausgebaut werden müssten, um die Ziele der Agenda 2030 der Vereinten Nationen zu erreichen. Stattdessen sei momentan ein Epochenbruch in der internationalen Ordnung zu diagnostizieren. Prof. Dr. Andreas Löschel, Lehrstuhlinhaber für Umwelt-/Ressourcenökonomik und Nachhaltigkeit an der Ruhr-Universität Bochum, hob abschließend die Relevanz eines verlässlichen ordnungspolitischen Rahmens für die Transformation der Unternehmen und gezielte Maßnahmen zum sozialen Ausgleich hervor. Die Akzeptanz in der Bevölkerung könne gestärkt werden, indem der Nutzen von Klima- und Umweltschutz aufgezeigt werde.

In allen drei Vorträgen sowie im anschließenden Gespräch wurde deutlich, dass ökologische Nachhaltigkeit kein Luxus ist. Vielmehr ist sie die Grundlage für ökonomische und soziale Nachhaltigkeit. Wir sind daher alle gefragt – als Kirche, als Gesellschaft und als internationale Gemeinschaft. Denn die Herausforderungen sind beträchtlich. Aber sie lassen sich meistern, wenn wir gemeinsam handeln – über Parteigrenzen hinweg, in Solidarität mit den Ärmsten und Schwächsten hier und weltweit, aber auch mit zukünftigen Generationen. Dabei hat die Auseinandersetzung noch einmal deutlich gemacht, dass hier insbesondere langfristiges Denken und Agieren notwendig ist.

Wir als katholische Kirche in Deutschland nutzen zehn Jahre Laudato si’, um das Bewusstsein für die Situation nochmal zu schärfen: In den (Erz )Diözesen finden in diesem Jahr zahlreiche Aktionen statt, um mit Menschen in den Dialog über den Klima- und Umweltschutz zu kommen und für Maßnahmen zur Bewahrung der Schöpfung zu werben. Begleitet werden die diözesanen Veranstaltungen von einer Themenseite auf der Internetseite www.dbk.de. Dort ist eine breite Palette an Material für die Arbeit in den Gemeinden zu finden. Gerahmt werden die diözesanen Aktivitäten durch zwei zentrale Veranstaltungen, die von der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz organisiert werden: im Mai 2025, zum Jahrestag der Veröffentlichung von Laudato si’, findet ein internes Vernetzungstreffen von diözesanen Verantwortlichen statt sowie am 5. November 2025 eine öffentliche Abendveranstaltung in Berlin. Mit Vertretern aus Politik, Kirche, Wissenschaft und Wirtschaft soll vor dem Hintergrund der 30. UN-Klimakonferenz in Belem (Brasilien) die Zukunft des Klima- und Umweltschutzes diskutiert werden.

Außerdem haben wir ein Instrument entwickelt, mit dem die (Erz-)Diözesen ihre Maßnahmen zum Klima- und Umweltschutz anhand einheitlicher Kriterien transparent darstellen können: In der Europäischen Union (EU) sind seit dem Jahr 2014 bestimmte Unternehmen und Organisationen dazu verpflichtet, über Aspekte der Nachhaltigkeit zu berichten. Die EU verabschiedete dazu die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), welche die Pflichten der betreffenden Unternehmen zu einer nicht-finanziellen Berichterstattung insbesondere ab diesem Jahr deutlich erweiterte. Obgleich die Regelungen der Europäischen Union nur für Unternehmen (z. B. GmbH) und nicht für (Erz-)Bistümer gelten, legen wir die gestern von Weihbischof Rolf Lohmann vorgestellte Orientierungshilfe Nachhaltigkeitsberichterstattung vor. Wir halten es für wichtig, dass (Erz-)Bistümer und weitere kirchliche Einrichtungen im Zuge ihrer Jahresabschlüsse über das Thema Nachhaltigkeit in ihrem Einfluss- und Wirkungsbereich berichten, obwohl sie nicht unter den Wirkungsbereich der CSRD fallen.

Ich möchte das noch kurz erläutern: Die katholische Kirche trägt in Deutschland als Dienstgeberin, Verpächterin von Land- und Forstflächen sowie als Immobilienbesitzerin eine große Verantwortung für Mensch und Umwelt. Der Anspruch, dieser Schöpfungsverantwortung gerecht zu werden, findet seinen Ausdruck beispielsweise in den Handlungsempfehlungen zu Ökologie und nachhaltiger Entwicklung für die (Erz-)Diözesen mit dem Titel Schöpfungsverantwortung als kirchlicher Auftrag (2018). Eine solche Arbeit muss immer wieder neu überprüft und vertieft werden. Die Folgen des Klimawandels sind mittlerweile nicht mehr zu übersehen. Sie haben nicht nur Auswirkungen auf die Biodiversität und das Klima, sondern auch auf das Leben und die Gesundheit von uns Menschen. In Laudato si’ hat uns Papst Franziskus in Erinnerung gerufen, „dass wir selber Erde sind“ (LS 2). Wir dürfen unsere Freiheit nicht zur Zerstörung der Umwelt und unserer Lebensgrundlagen heute und zukünftiger Generationen missbrauchen, sondern wir müssen den Sendungsauftrag Gottes ernst nehmen und Verantwortung übernehmen. Diese doppelte Verantwortung für Mensch und Umwelt, die sich nicht voneinander trennen lässt, kommt in dem Begriff der „integralen Ökologie“ (LS 159) von Papst Franziskus zum Ausdruck. Er spiegelt die genuin christliche Verantwortung zur Bewahrung der Schöpfung wider.

Das ist der Grund, warum es eine regelmäßige und aussagekräftige Berichterstattung auf Basis möglichst einheitlicher Mindeststandards braucht, die wir jetzt vorgelegt haben, auch dann, wenn eine Nachhaltigkeitsberichterstattung im Zuge der Jahresabschlüsse der (Erz-)Bistümer freiwillig erfolgt. 2021 hat die Deutsche Bischofskonferenz einen ersten Klima- und Umweltschutzbericht mit dem Titel Unser Einsatz für die Zukunft der Schöpfung veröffentlicht. Dieser Anstoß einer einheitlichen und freiwilligen Berichterstattung der Bistümer soll nun weiterentwickelt werden. Die Berichterstattung im Zuge der Jahresabschlüsse wird stärker indikatorenbasiert und deutlich umfassender gestaltet, indem unter anderem Arbeitnehmerrechte, Lieferantenbeziehungen, Compliance-Regelungen sowie der kirchliche Beitrag zur öffentlichen Daseinsvorsorge durch die (Erz-)Bistümer transparent und öffentlich nachvollziehbar dargestellt werden.

Die Studieneinheit anlässlich des Jubiläums der Enzyklika Laudato si’ war daher eine sehr gute Gelegenheit, die Orientierungshilfe Nachhaltigkeitsberichterstattung als einen Baustein der umfangreichen Nachhaltigkeitsstrategien der (Erz-)Bistümer zu präsentieren.

Themenseite 10 Jahre Enzyklika Laudato si’Themenseite Klima und Umwelt
Orientierungshilfe Nachhaltigkeitsberichterstattung 
Schöpfungsverantwortung als kirchlicher Auftrag 
Unser Einsatz für die Zukunft der Schöpfung. Klima- und Umweltschutzbericht 2021 der Deutschen Bischofskonferenz


7. Aufklärung und Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche

Sie wissen, dass wir in jeder Vollversammlung das Themenfeld Aufklärung und Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs und von Gewalterfahrungen in der katholischen Kirche auf der Tagesordnung haben, so auch dieses Mal. Bitte haben Sie Verständnis, wenn ich bewusst noch einmal wiederhole, was ich schon mehrfach betont habe: Das Themenfeld hat nach wie vor bei uns höchste Priorität, denn wir sind es den Betroffenen schuldig. Deshalb befassen sich die Bischöfe damit nicht nur auf den Vollversammlungen, sondern auch in den Sitzungen des Ständigen Rates der Deutschen Bischofskonferenz, die zwischen den Vollversammlungen liegen.

Hier in Kloster Steinfeld haben wir Arbeitsberichte des Sachverständigenrates zum Schutz vor sexuellem Missbrauch und Gewalterfahrungen entgegengenommen, ebenso vom Betroffenenbeirat bei der Deutschen Bischofskonferenz und der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA). Es gilt, was ich schon früher sagte: Wir sind den Mitgliedern der Kommission dankbar für ihre Arbeit, denn mit ihrer Kompetenz und Sachlichkeit tragen sie in hohem Maße dazu bei, dass das Verfahren für Betroffene einen niedrigschwelligen Weg zur Anerkennung bietet. Da es immer wieder Diskussionen zum Verfahren gibt, sage ich an dieser Stelle noch einmal: Es versteht sich als „atmendes System“, das auf aktuelle Rechtsprechung reagiert. Die UKA wird in den nächsten Wochen den Jahresbericht 2024 vorlegen, in dem deutlich wird, dass die bisherige Gesamtsumme aller Entscheidungen der UKA seit dem Start am 1. Januar 2021 mit bisher insgesamt 56.982.000 Euro (Stand 31. Dezember 2023) nochmals deutlich höher sein wird. Aus Gesprächen mit Betroffenen wissen wir Bischöfe, dass es an verschiedenen Stellen Unzufriedenheit mit einigen Entscheidungen der UKA gibt. Die Leistungen werden das Leid der Betroffenen nie gutmachen können. Jegliche Begründung bleibt unzureichend. Die UKA orientiert sich an gerichtlichen Schmerzensgeldern. Zudem haben wir mit einer Widerspruchsmöglichkeit nachgebessert. Und Sie wissen, dass uns bei der Einrichtung des Systems Unabhängigkeit besonders wichtig war. Aber es bleibt die gefühlte Abhängigkeit der Betroffenen von einem Gremium, das sie persönlich nicht kennen. Das ist der Preis der Niederschwelligkeit. Jeder hat die Möglichkeit, zivilrechtlich zu klagen, aber viele wollen das nicht. Denen wollen wir in dem UKA-System entgegenkommen. Deshalb werden wir an diesem System auch weiterhin festhalten, zumal es in keiner anderen Institution in Deutschland derzeit ein vergleichbares außergerichtliches System für solche freiwilligen Leistungen gibt.

→ Themenseite Sexualisierte Gewalt und Prävention


8. VI. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU) – weiteres Vorgehen

Vor einem Jahr haben wir uns auf der Frühjahrs-Vollversammlung mit der VI. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU) befasst, die im November 2023 veröffentlicht wurde. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) führt seit 1972 alle zehn Jahre diese breit angelegte Erhebung durch, um die Kirche aus der Sicht ihrer Mitglieder zu erforschen und ein möglichst umfassendes Bild kirchlicher Wirklichkeit zu erhalten. Es war gut, dass wir – erstmals – an der VI. KMU beteiligt waren, sodass mit der Einbeziehung von Katholikinnen und Katholiken in die Befragung ein repräsentativer Querschnitt der bundesdeutschen Gesamtbevölkerung erreicht werden konnte. Tiefergehende Analysen zu Einzelaspekten der KMU bietet die umfangreiche Publikation Wie hältst du’s mit der Kirche? Zur Relevanz von Religion und Kirche in der pluralen Gesellschaft. Der Auswertungsband ist Anfang Dezember 2024 erschienen. In Ergänzung dazu konnte am 22. Januar 2025 der Ökumenische Kirchenatlas online gestellt werden. Viele von Ihnen haben damals an der Online-Pressekonferenz teilgenommen. Der Atlas bietet in interaktiver Form detaillierte Einblicke in die Entwicklung der beiden großen christlichen Kirchen. Das digitale Tool, das frei genutzt werden kann, liefert geografisch differenziert bis auf die Ebene der Stadt- und Landkreise umfangreiche Statistiken über Kirchenmitgliedschaft, Taufen, Trauungen und Bestattungen.

Wir hatten uns in der Frühjahrs-Vollversammlung 2024 darauf verständigt, die Weiterarbeit mit der KMU vor allem in den bischöflichen Kommissionen vorzunehmen. Das ist in den darauffolgenden Monaten geschehen und wir haben jetzt eine erste Übersicht erhalten. Die Erkenntnisse aus den Kommissionen möchte ich hier stichpunktartig nennen: Etwa, dass heutigen Menschen nicht ohne Weiteres eine religiöse oder spirituelle Affinität unterstellt werden kann und darf; die Bedeutung von Familien, Sakramentenkatechese und Religionsunterricht als wichtige nachhaltige Elemente für die religiöse Sozialisation und Entwicklung; der Zusammenhang von Religiosität und Kirchenbindung; die große Bedeutung von Seelsorgerinnen und Seelsorgern im Nahbereich und die Notwendigkeiten, diese schon in ihrer Ausbildung auf die sich verändernden gesellschaftlichen Verhältnisse vorzubereiten; der hohe Stellenwert von Kasualien (z. B. Taufe, Trauung, Beerdigung) und Riten (z. B. besondere Gedenktage, Segensfeiern) als Kontaktfläche der Kirche; die Frage nach einer zielgrupppenadäquaten Kommunikation religiöser Themen oder mit Austrittswilligen/Ausgetretenen; die Rolle der Kirche als Kulturträgerin und -vermittlerin; die hohe Wertschätzung der caritativen Arbeit und ihr Einsatz für Geflüchtete sowie die bleibende Bedeutung der Kirchen als Promotoren ehrenamtlichen und caritativen Engagements und somit auch eines gesellschaftlichen Zusammenhalts.

Bemerkenswert ist ebenfalls, dass für viele Kirchenmitglieder auf der einen Seite die kirchliche Präsenz im Nahbereich relevant ist, dann aber auf der anderen Seite die Zugehörigkeit zur Kirche als einer weltumspannenden Gemeinschaft eine Rolle spielt, was sich etwa in ihrer Bereitschaft zum weltkirchlichen Engagement zeigt. Aufgabe für die Zukunft ist angesichts des Rückgangs einer allgemeinen gesellschaftlichen Präsenz der Kirchen, ihrer Mitglieder und Ressourcen in allen Bereichen des kirchlichen Handelns, verstärkt die ökumenische Kooperation zu suchen. Auch der Umgang mit Auswirkungen der Digitalisierung und den Fortschritten im Bereich der Künstlichen Intelligenz werden als kommissionsübergreifende Fragestellungen benannt.

Zu den bislang wenig rezipierten Aspekten der KMU zählen die soziostrukturellen Ungleichheiten und ihre Beziehung zur Religiosität. Dabei zeigt die KMU, dass der soziale Status mit einer kirchennahen Religiosität zwar kaum noch zusammenhängt. Geht es allerdings um das Partizipationsverhalten wie Kirchgang oder ehrenamtliches Engagement, sind Menschen mit vergleichsweise hohem sozialem Status deutlich überrepräsentiert. Damit besteht die Gefahr, dass im Bildungsprozess Zurückbleibende und Zurückgelassene auch im kirchlichen Leben wenig vorkommen und dieses vornehmlich durch höher Gebildete geprägt wird. Solche Befunde müssen sich auf die Entwicklung katechetischer wie liturgischer Angebote, aber auch grundsätzlich im Nachdenken über Synodalität und Teilhabe niederschlagen. Denn die Frage lautet: Für wen sind wir Kirche? Wen erreichen wir? Wen schließen wir möglicherweise in Partizipationsprozessen aus (Menschen mit sozial niedrigem Status, Menschen mit Migrationshintergrund …)?

In der Diskussion waren wir uns einig, dass auf einer grundsätzlichen Ebene für die Arbeit der Deutschen Bischofskonferenz entscheidend sein wird, die verschiedenen Diskurse auf überdiözesaner Ebene zusammenzubringen – nämlich die Frage nach einer gelingenden Synodalität sowie nach Priorisierungen im Aufgabenklärungsprozess und im Umgang mit den Befunden der KMU. Dann kann die KMU im Idealfall Hinweise für den Einsatz von Ressourcen (z. B. Personal und Finanzmittel), aber auch für Themen, die synodal bearbeitet werden können und sollen, bieten.

Ich möchte daran erinnern, dass die KMU ebenfalls zeigt, welche großen Mehrheiten Reformerwartungen an die Kirche äußern. Reformen sind also notwendig, dennoch sind sie längst nicht hinreichend. Denn nicht nur die Kirchenbindung und religiöse Praxis, sondern auch die Religiosität im Allgemeinen sowie christliche Glaubensvorstellungen sind deutlichen Erosionsprozessen unterworfen. Es geht deshalb um mehr als eine Vertrauenskrise in eine Institution, die sich durch strukturelle Reparaturen alleine beheben ließe. Vielmehr steht die Kirche vor der Frage, wie sie als Institution und wie einzelne Christinnen und Christen ein glaubwürdiges und lebensrelevantes Zeugnis von der Hoffnung ablegen und das Evangelium ins Gespräch bringen können, wenn sich für immer weniger Menschen die Gottesfrage überhaupt stellt.

Wir werden uns deshalb bei einer Studieneinheit während einer der nächsten Vollversammlungen als Konsequenz aus den Befunden der KMU mit Fragen zur Sendung der Kirche in einer säkularen Gesellschaft befassen. 50 Jahre nach der Veröffentlichung des Dokumentes des Zweiten Vatikanischen Konzils Gaudium et spes und 25 Jahre nach dem Dokument der Deutschen Bischofskonferenz Zeit zur Aussaat kann eine Studieneinheit helfen, diese Grundlagen mit den Erkenntnissen der KMU zusammenzuführen. Ziel wäre es, eine Vergewisserung über die Fragen anzuregen, was die Sakramentalität der Kirche inmitten einer säkularen Gesellschaft bedeutet und welche Konsequenzen sich daraus für ihre Haltung gegenüber der Gesellschaft und für ihr Handeln in der Gesellschaft ergeben.

Themenseite Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU) 
Auswertungsband sowie weitere Materialien 
Ökumenischer Kirchenatlas
 

9. Synodal Kirche sein I: Weltsynode in Rom

In der Vollversammlung hatten wir die Gelegenheit, zum ersten Mal mit allen Bischöfen über unsere Erfahrungen der XVI. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode zu sprechen, die vom 2. bis zum 27. Oktober 2024 unter dem Leitwort „Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe, Sendung“ stattgefunden hat. Es gab bereits Befassungen im Ständigen Rat, wo wir eine Weiterarbeit mit dem Abschlussdokument der Weltsynode abgesprochen hatten.

Papst Franziskus hat mit seiner Akzentsetzung auf dem bereits altkirchlichen Prinzip der Synodalität einen Prozess in der Kirche angestoßen, der zugleich auch eine neue Phase in der Rezeption des Zweiten Vatikanischen Konzils bedeutet (vgl. Abschlussdokument Nr. 5). Das Konzil stellt heraus, dass die Kirche aus einem göttlichen und einem menschlichen Element zusammenwächst. (vgl. LG Nr. 8) Sie ist gleichzeitig der mystische Leib Christi und das Volk Gottes auf seiner Pilgerschaft durch die Zeit. Dabei pilgert die Kirche in der Zeit und in der Geschichte und nicht außerhalb von ihr. Die Freude und Hoffnung, aber auch die Trauer und Angst der Menschen finden Widerhall in den Herzen der Jünger Christi (vgl. GS Nr. 1). Die Kirche ist deshalb Teil einer Welt, die gespalten und zerrissen ist. Jeden Tag erinnern die Nachrichten an die Krisenhaftigkeit der Gegenwart, in der die Zerstörungskraft des Menschen das gemeinsame Haus bedroht. Auch in der Kirche ist die Zerrissenheit zu spüren und es fällt schwer, die innerkirchlichen Gräben zu überwinden, die Konflikte zu bearbeiten und das Zueinander von Verschiedenheit und Gemeinsamkeit auszuloten. Gerade hier ist das Prinzip der Synodalität, das die Synode in enger Verbindung mit dem Grundvollzug der Umkehr sieht, eine Chance – auf allen Ebenen der Kirche.

Es geht in der Synodalität, die das Zusammenkommen der Kirche in der Versammlung meint, um ein gemeinsames Fragen nach den Zeichen der Zeit. Was will der Heilige Geist von seiner Kirche in der heutigen Zeit? Die Kirche kann ein Zeichen und ein Werkzeug der Einheit unter den Menschen sein, wenn es gelingt, die Synodalität in Stil und Struktur so zu entwickeln, dass Fragen in der Kirche, zu denen es naturhaft verschiedene Ansichten gibt, angegangen werden. Dabei muss ein gegenseitiges Vertrauen aufgebaut werden. Entscheidend dafür ist es, auf die Sendung zu achten, auf die Konkretheit und auf die Zirkularität. Gerade im Hinblick auf die Zirkularität braucht es auch eine gute Institutionalisierung der Synodalität. Transparenz, Rechenschaftspflicht und Evaluierung sind hier entscheidende Stichworte im Schlussdokument der Synode, die die konkrete Weiterarbeit an einer synodalen Kirche bestimmen müssen. Vieles an dieser Generalversammlung der Synode wurde in dieser Weise erstmals erprobt. Vieles hat sich dabei als hilfreich erwiesen und bedarf deshalb der weiteren Verstetigung. Noch weiter zu konkretisieren ist der essentielle Aspekt der Teilhabe.

Das führt unweigerlich zur Frage der Teilhabe von Frauen sowohl in der Synode als auch in der Kirche insgesamt. Es hat sich gezeigt, dass diese Frage nicht als ein Einzelthema vom Gesamtthema der Synodalität zu trennen ist. Die Frauen, so wurde in der Synode wiederholt hervorgehoben, werden gehen und nicht zurückkommen, wenn sie kein Gehör, keine Anerkennung und keine Teilhabemöglichkeit in der Kirche finden. Synodalität wird aber ohne sie nicht möglich sein. Die Frage nach den Zeichen der Zeit wird in den Teilkirchen zu verschiedenen Überlegungen, Akzentsetzungen und Handlungsoptionen führen. Die Unterschiedlichkeit dessen, was das Schlussdokument mit der „lokalen Dimension“ (Nr. 110) der Kirche meint, die Rahmenbedingungen für das pastorale Überlegen und Handeln der Kirche also, lassen es gar nicht anders zu, als dass die Erfordernisse sich unterschiedlich darstellen. „Ein synodaler Stil ermöglicht es den Ortskirchen, sich in unterschiedlichem Tempo zu bewegen. Unterschiede im Tempo können als Ausdruck legitimer Vielfalt und als Gelegenheit zum Austausch von Gaben und zur gegenseitigen Bereicherung gewürdigt werden.“ (Nr. 124) In einer solchen Perspektive der Synodalität entsteht eine Vision von Kirche, deren Tragfähigkeit für das 21. Jahrhundert greifbar wird.

Überraschend war, dass Papst Franziskus am Ende der Synode verkündet hat, kein Nachsynodales Schreiben zu verfassen, sondern dass er das Abschlussdokument umgehend angenommen hat. Dies kann auch als ein deutliches Signal verstanden werden, wie er das Zueinander von synodaler Beratung und Entscheidung auffasst. Für uns ist deutlich, das Synodalität immer ein „work in progess“ ist. Synodalität ist Aufgabe der Kirche mit der Verpflichtung des Einbezugs aller.

Themenseite Bischofssynode Synodale Kirche 2021–2024


10. Synodal Kirche sein II: Synodaler Ausschuss

Der Synodale Ausschuss wurde als Arbeitsinstrument für eine Übergangszeit eingerichtet, um auf dem Synodalen Weg der Kirche in Deutschland die Arbeit der Synodalversammlungen fortzuführen bis zur letzten Synodalversammlung im Frühjahr 2026. Eine zentrale Aufgabe des Ausschusses besteht darin, die Errichtung eines dauerhaften synodalen Gremiums auf Bundesebene vorzubereiten. Ein solches Gremium entspricht nicht nur den Beschlüssen unseres Synodalen Weges, sondern auch den Intentionen der Weltsynode, die diese in ihrem Abschlussdokument explizit zum Ausdruck gebracht hat.

Aus dieser Perspektive haben wir in einer Arbeitseinheit unsere Vorstellungen darüber konkretisiert, welche Themen das künftige Gremium bearbeiten sollte und wie es ausgestaltet werden kann, um eine effiziente und für eine synodale Kirche hilfreiche Kontur zu entwickeln. Wir haben dabei keinen Beschluss gefasst. Das war auch nicht die Absicht unserer Überlegungen, zumal die Synodalität ja gerade dazu verpflichtet, solche Überlegungen und Unterscheidungen nicht exklusiv im Kreis der Bischöfe anzustellen. Insofern waren unsere Beratungen dazu eine Vorbereitung für das weitere Vorgehen im Synodalen Ausschuss. Jetzt wird es dort um das gemeinsame Beraten und Entscheiden gehen.

Synodaler Ausschuss


11. Frauen in Führung – eine Lern- und Erfolgsgeschichte

Ich möchte hier ein Thema einfügen, das die Deutsche Bischofskonferenz vor gut einer Woche veröffentlicht hat. Es war jetzt nicht direkt Bestandteil unserer aktuellen Beratungen, aber es ist mir wichtig zu zeigen, wo wir uns bei der Frage nach Frauen in Führungspositionen befinden. Am 7. März 2025 sind die Ergebnisse der Erhebung zu Frauen in Führungspositionen in der katholischen Kirche in Deutschland vorgelegt worden. Sie zeigen, dass ihr Anteil in den vergangenen Jahren kontinuierlich auf über 30 Prozent auf der mittleren Leitungsebene gestiegen ist. Damit sind wir auf einem guten Weg, einen Beschluss umzusetzen, den wir als Bischöfe mit unserer Trierer Erklärung 2013 gefasst und in Lingen 2019 quantifiziert hatten: Den Anteil von Frauen in Führung in der Kirche auf ein Drittel und mehr zu erhöhen und diese Entwicklungen in Abständen von fünf Jahren zu erheben.

In der aktuellen Erhebung, die die Arbeitsstelle für Frauenseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz in Zusammenarbeit mit der Unterkommission Frauen der Deutschen Bischofskonferenz vorgelegt hat, sehen wir, dass in den deutschen Ordinariaten und Generalvikariaten der Anteil von Frauen in Führung nachweislich gestiegen ist: Waren es 2005 auf der oberen Leitungsebene fünf Prozent Frauen, 2013 13 Prozent und 2018 19 Prozent, beträgt der Anteil zum Stichtag der Erhebung 28 Prozent. Auf der mittleren Leitungsebene stieg der Anteil von Frauen von 13 Prozent (2005) auf 19 Prozent (2013), weiter auf 23 Prozent (2018) und mit Abschluss der Erhebung auf 34,5 Prozent. Das ist über die kurze Zeit betrachtet ein sehr großer Erfolg.

Hierzu haben alle Bistümer mit vielfältigen Maßnahmen und dem kontinuierlichen Wirken der Gleichstellungsbeauftragen und Personal- und Organisationsentwicklungsverantwortlichen beigetragen. Auch der Synodale Weg hat mit dem entsprechenden Beschlusspapier und den öffentlichen Beratungen seinen Beitrag geleistet. Und substanziell und systemisch hat dazu die Maßnahme beigetragen, die wir als Bischofskonferenz in Kooperation mit dem Hildegardis-Verein durchführen: Das weltweit einzige Programm zur Steigerung des Anteils von Frauen in Führung in der katholischen Kirche „Kirche im Mentoring – Frauen steigen auf“. Es zielt darauf ab, Frauen zu ermutigen, eine Führungsposition innerhalb der katholischen Kirche zu übernehmen. Das Programm will darüber hinaus zu einer geschlechtergerechten Personal- und Organisationsentwicklung beitragen, für den Arbeitsplatz Kirche werben und eine nachhaltige Nachwuchssicherung ermöglichen. Das im Jahr 2015 gestartete Programm ist zukunftsweisend, weil es erstmalig alle (Erz-)Bistümer einlädt, sich zu beteiligen und auf diese Weise bundesweit netzwerkbildend wirkt. Es schafft einen Pool von Nachwuchskräften, auf den alle Bistümer künftig zurückgreifen können. An dem Mentoring-Programm beteiligen sich zwei Drittel der Bistümer sowie acht Caritasverbände und sechs katholische Hilfswerke. Inzwischen haben 240 führungsinteressierte und führungsbereite weibliche Nachwuchskräfte das Programm durchlaufen. Eine entsprechende Anzahl an Führungskräften (Männer wie Frauen, Laien und Priester) sind als Mentorinnen und Mentoren zu Botschaftern des Anliegens geworden.

Mit dieser Entwicklung geht einher, dass unsere Führungsmodelle vielfältiger geworden wird, dass Führungsaufgaben auch in Teilzeit wahrgenommen werden und dass unsere Teams diverser sind. Es hat ein Kulturwandel stattgefunden, der letztlich nicht nur für Frauen mehr Gestaltungsspielräume in unserer Kirche eröffnet, sondern von dem durch die vielfältig eingebundenen Kompetenzen und Potenziale die gesamte Kirche profitiert. Diese Lern- und Erfolgsgeschichte wollen wir in Zukunft fortsetzen. 

Erhebung zum Anteil von Frauen in Leitungspositionen in den Ordinariaten und Generalvikariaten der deutschen (Erz-)Diözesen 2023/2024 
Themenseite Frauen in der Kirche


12. Heiliges Jahr 2025: Pilger der Hoffnung

Der Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz für das Heilige Jahr 2025, Weihbischof Rolf Lohmann (Münster), hat uns darüber informiert, dass die Feierlichkeiten in Rom gut angelaufen sind. Papst Franziskus hat das Jahr unter das Leitwort Pilger der Hoffnung gestellt. Die ersten großen internationalen Pilgerveranstaltungen in Rom haben stattgefunden, so für die Medienschaffenden, die Militär- und Polizeiseelsorge und das Ehrenamt. Wir sind dankbar, dass das Heilige Jahr auch in unseren Pfarrgemeinden und Verbänden aufgenommen wird. Unsere umfassende Themenseite www.heiligesjahr2025.de bietet eine Fülle von Materialien, Informationen und Fotostrecken. Es ist unser Wunsch, dass das Heilige Jahr als gemeinsamer Pilgerweg der Hoffnung hilft, den Blick nach vorne zu lenken, um ermutigt und gestärkt das Evangelium zu verkünden.

Gerne erinnere ich daran, dass wir im vergangenen November die Arbeitshilfe Du zeigst mir den Weg ins Weite. Zur Zukunft des Pilgerns und Wallfahrens veröffentlicht haben, die auch das Pilgern im Heiligen Jahr unterstützen will. Sie ist das Resümee aus mehreren Expertengesprächen zum Thema. In thesenhafter Form werden Entwicklungen im Bereich des Pilgerns und Wallfahrens beschrieben, Handlungsoptionen entwickelt und eine Anregung zur Vernetzung von Stakeholdern auf diesem Gebiet der Seelsorge angeboten.

Internetseite zum Heiligen Jahr 2025 
Arbeitshilfe „Du zeigst mir den Weg ins Weite“. Zur Zukunft des Pilgerns und Wallfahrens 
Spes non confundit. Verkündigungsbulle des Heiligen Jahres 2025 von Papst Franziskus


13. Zukunft des Christentums: Syrien und Irak

Wie schon im vergangenen Herbst, als wir uns bei der Vollversammlung mit den Christen im Heiligen Land befasst haben, lag auch diesmal ein weiterer Schwerpunkt der Beratungen auf der Situation im Nahen und Mittleren Osten. So unterschiedlich sich die Lage in Ländern wie Syrien, dem Libanon, Jordanien, Ägypten, dem Irak, Israel und den Palästinensergebieten darstellt: Es handelt sich um eine Großregion, die insgesamt von Umbrüchen und Auseinandersetzungen bis hin zu extremer Gewalteskalation geprägt ist. Der Konfliktforscher Prof. Dr. Stephan Stetter (Universität der Bundeswehr München) hat uns einen Überblick über die aktuellen politischen Dynamiken gegeben. Dabei wurde deutlich: Tiefgreifende innere Krisen in den einzelnen Staaten und das Fehlen einer regionalen Sicherheitsarchitektur machen es schwer, einen Weg der Deeskalation und Stabilisierung zu beschreiten. Im Hintergrund stehen nicht zuletzt extremistische Ansprüche, die mit nationalistischen oder religiös-fundamentalistischen Haltungen einhergehen. Die Umbrüche und Konflikte in der Region zeigen, dass die dortige Krisenhaftigkeit wesentlich an ungeklärten Machtfragen hängt. „Wer herrscht wann und wo und vor allem: was ist der Preis, keine Macht zu haben. Die Angst vor einem Machtverlust – beziehungsweise das unbedingte Streben, Macht auch mit Gewalt zu erlangen, – ist keine wahltaktische Frage, sondern wird in der Region, ob zu Recht oder Unrecht, als existentielle Frage verstanden. An ihr hängen die physische Sicherheit Einzelner sowie die humanitäre Sicherheit ethnischer und religiöser Gruppen, vor allem von Minderheiten.“ (Prof. Stetter) Nach seiner Auffassung hängen mit der Angst vor einem Machtverlust die vielen nationalen Verfassungskrisen in der Region zusammen. „Die derzeitigen weltpolitischen Verwerfungen erschweren diese Suche nach Resilienz, Stabilität und nachhaltiger Sicherheit auf individueller, gruppenbezogener, staatlicher und regionaler Ebene noch mehr.“ (Prof. Stetter). Trotz aller Widrigkeiten gibt es bisweilen aber auch hoffnungsvolle Zeichen. Zu denken ist etwa an die Schritte, die zur Überwindung des politischen Stillstands im Libanon gegangen wurden, und durchaus positive Entwicklungen im Irak in den zurückliegenden Jahren sowie im Königreich Jordanien, als stabilitätsstiftender Anker in der Region.

Für uns Bischöfe ist wichtig: Der Nahe und Mittlere Osten bildet die Ursprungsregion unseres Glaubens, zurecht wird sie als „Wiege der Zivilisation“ (Papst Johannes Paul II.) bezeichnet. Eine Kirche ohne das dortige Christentum ist nicht denkbar. Deshalb machen wir uns das Wort von Papst Paul VI. von 1974 zu eigen, der schon damals warnte, durch die extreme Abwanderung von Christen die christlichen Monumente und Kirchen nicht zu Museen verkommen zu lassen. Gleichzeitig sind wir überzeugt, dass die Zivilgesellschaften der Regionen die christliche Präsenz als integralen Bestandteil ihrer religiösen und kulturellen Realität brauchen. Die Konflikte der vergangenen Jahre und Jahrzehnte haben jedoch zu einer konkreten Bedrohung des christlichen Lebens im Nahen und Mittleren Osten geführt. Mehr denn je ist daher eine tatkräftige Solidarität mit den dortigen Christinnen und Christen gefordert.

Wir haben in diesen Tagen Syrien und den Irak in den Fokus genommen. Hoffnung und Leid liegen hier nahe beieinander. Nach dem Sturz des Assad-Regimes am 8. Dezember 2024 überwog bei vielen Menschen die Erleichterung über das Ende der Diktatur. Die jüngsten Berichte über Massaker im Westen Syriens, insbesondere an den Alawiten, haben uns nun auf grausame Weise vor Augen geführt, wie fragil die Lage ist und wie wenig den neuen Machthabern von Damaskus getraut werden kann. Was Ahmad al-Scharaa noch im Dezember 2024  an Toleranz und Respekt für alle Bevölkerungsteile verkündete, ist jetzt schon Makulatur. Hier ist eine klare Antwort der internationalen Gemeinschaft und der Europäischen Union notwendig, die Verantwortlichen in Damaskus zu mahnen und zu warnen. Vor allem unter den religiösen und ethnischen Minderheiten, zu denen auch die Christen zählen, wächst die Angst vor Verfolgung durch islamistische Milizen. Die Übergangsregierung steht in der Pflicht, dem Blutvergießen ein Ende zu bereiten und die Sicherheit aller Syrer zu schützen.

Wir sind dankbar, dass uns der syrisch-katholische Erzbischof von Homs, Erzbischof Jacques Mourad, im Kloster Steinfeld besucht hat. Sein Glaubenszeugnis hat uns tief berührt. Ebenso hat uns sein leidenschaftliches Plädoyer für den christlich-muslimischen Dialog beeindruckt. Jacques Mourad musste 2015 selbst erleben, wie die Schreckensherrschaft des sogenannten „Islamischen Staates“ seine christliche Gemeinde drangsalierte und das Miteinander der Religionsgemeinschaften zerstörte. Gleichzeitig betont er aber auch, gerade in dieser Notlage interreligiöse Solidarität erfahren zu haben: Es war ein junger muslimischer Freund, der ihm nach fünfmonatiger Geiselhaft zur Flucht verhalf.

Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz (Paderborn), Vorsitzender der Arbeitsgruppe Naher und Mittlerer Osten der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, hat den Blick auf den Irak gelenkt, den er Anfang Februar 2025 besuchen konnte. Dabei war es ihm möglich, sich von den enormen Aufbauarbeiten der christlichen Minderheit zu überzeugen, die versucht, das religiöse Leben im Land zu gestalten. Die gewaltsamen Ereignisse infolge des Irakkrieges von 2003, einschließlich des verheerenden islamistischen Terrors, haben die christliche Gemeinschaft massiv getroffen. Bis heute erschweren der Einfluss konkurrierender Milizen, die anhaltende Korruption und die geopolitische Einmischung externer Akteure die Errichtung eines dauerhaft stabilen politischen Systems. In dieser prekären Lage sind die verbliebenen irakischen Christen dennoch bestrebt, ihren Beitrag für den Aufbau der Zivilgesellschaft zu leisten und damit positive Veränderungen herbeizuführen. Anstatt sich abzukapseln, engagieren sie sich über die Grenzen von Konfession und Religion für das Gemeinwohl. Besonders bemerkenswert ist dabei das Engagement junger Christen, denen daran gelegen ist, Perspektiven für eine gute Zukunft in ihrer Heimat zu entwickeln. Ich bin Erzbischof Bentz dankbar, dass er uns auch vom anhaltend schweren Schicksal der Jesiden berichtet hat, nachdem er den Angehörigen dieser Religion in Flüchtlingslagern ebenso begegnen konnte wie dem geistlichen Oberhaupt der Jesiden in Lalish. Der Irak, so Erzbischof Bentz, braucht einen langfristigen Prozess der Heilung und Versöhnung aller Bevölkerungsteile. Es ist uns im Westen zu wenig klar, dass noch immer 110.000 Menschen in Flüchtlingslagern im Irak leben, vorwiegend Jesiden. Ihnen muss unsere Hilfe ebenso gelten – vor Ort im Irak, aber auch bei der Bereitschaft in Deutschland, am Aufbau einer Erinnerungskultur an das Martyrium dieser Glaubensgemeinschaft mitzuwirken.

Schon seit vielen Jahren setzen sich kirchliche Akteure mit Nachdruck dafür ein, in den Ländern des Nahen und Mittleren Ostens Not zu lindern, Versöhnung zu ermöglichen und inklusive Gesellschaften aufzubauen. Das Engagement für humanitäre Hilfen und Wiederaufbauprojekte in der Region ist in letzter Zeit nicht einfacher geworden. Vor allem der abrupte Stopp von Hilfsprogrammen durch die neue US-amerikanische Regierung bedeutet eine schwere Bürde. Umso bedeutsamer ist es, dass Deutschland seiner humanitären Verantwortung – auch mit einer neuen Bundesregierung – weiter gerecht wird. Die katholische Kirche in Deutschland wird hierzu ihren Beitrag leisten.

Pressegespräch zur Lage der Christen zwischen Damaskus und Bagdad 
Link zur Bildkollektion der Irakreise


14. Globale Situation und die Ukraine

Diese Vollversammlung fand in einer Zeit hoher weltpolitischer Spannungen statt. Viele Beobachter sprechen von einem seit Jahrzehnten nicht voraussehbaren Umbruch der globalen Verhältnisse, nachdem die USA unter Präsident Donald Trump dem Modell der „internationalen liberalen Ordnung“ – einst selbst von den Vereinigten Staaten aufgebaut – nach 80 Jahren den Rücken kehren. Die neue US-Regierung hat gleich zu Beginn ihrer Amtszeit die Mitgliedschaft des Landes in mehreren UN-Organisationen und die Beteiligung am Pariser Klimaabkommen aufgekündigt. Die Handelspolitik wird radikal umgekrempelt und mithilfe von drastischen Zöllen ausschließlich auf amerikanische Interessen zugeschnitten. Das internationale Freihandelssystem droht damit in die Brüche zu gehen. Besonders gravierend sind die Maßnahmen im Bereich der Verteidigung. Die Signale der amerikanischen Regierung an die Bündnispartner in Europa haben dort den begründeten Eindruck aufkommen lassen, dass man bei der Abwehr einer auswärtigen Aggression künftig auf sich allein gestellt sein könnte.

Bei der Frühjahrs-Vollversammlung im Februar 2024 haben die deutschen Bischöfe ihr Friedenswort Friede diesem Haus veröffentlicht und darin ihre Zeitdiagnose unter die Überschrift „Unsere Welt in Unordnung“ gestellt. Diese Einschätzung hat sich seither bestätigt – wobei die Abkehr von internationalen Ordnungsstrukturen in einem solchen Tempo und so durchgreifend vonstattengeht, wie auch wir Bischöfe dies trotz aller skeptischen Analyse vor einem Jahr nicht erwartet haben.

Besonders die Ukraine droht zum Opfer der globalen Wendezeit zu werden. Eine Normalisierung der Beziehungen zwischen den USA und Russland wird gerade angebahnt, ohne dass die russische Regierung irgendein Zeichen des Einlenkens, geschweige denn echten Friedenswillen gezeigt hätte. Von der Ukraine hingegen scheint sich Washington abzuwenden. Die militärische Unterstützung des Landes und die Zusammenarbeit im Bereich der Aufklärung wurden zeitweilig eingestellt, um die Regierung von Präsident Selenskyj zu Verhandlungen mit Russland zu zwingen, deren Ergebnis – dieser Eindruck liegt nahe – mit Konzessionen der Ukraine verbunden sein soll, die bisher nicht denkbar erschienen und kaum gerechtfertigt werden können.

Selbstverständlich begrüßen wir einen Weg der Verhandlungen, einen Weg zu einem Waffenstillstand und zum Frieden. Aber wir halten es für inakzeptabel, wenn der Aggressor und das Opfer eines militärischen Überfalls in der moralischen Bewertung und in der praktischen Politik auf eine Stufe gestellt werden. Und wir halten es für unvertretbar, die militärische und zivile Hilfe für ein angegriffenes Land zu benutzen, um ihm den eigenen Willen rücksichtslos aufzuzwingen oder den Zugang zu Rohstoffen zu erpressen. Es ist nicht zu erkennen, wie eine solche Politik zur Grundlage eines verlässlichen und gerechten Friedens in Osteuropa werden könnte. Ein kurzfristiger Friedensschluss mit Russland bedeutet keinen langfristigen Frieden in Europa, wenn es keine belastbaren Sicherheitsgarantien für die Ukraine gibt. Ein „Diktatfrieden“ würde die Gefahren für die Stabilität auf unserem gesamten Kontinent eher erhöhen.

„Friede diesem Haus“. Friedenswort der deutschen Bischöfe 
Themenseite Krieg in der Ukraine


15. Sri Lanka: soziale, politische und kirchliche Situation

Gestatten Sie mir noch einen weltkirchlichen Aspekt unserer diesjährigen Beratungen zu nennen. Die katholische Kirche in Deutschland ist Teil der einen Weltkirche. Deswegen befassen wir uns immer wieder auch mit Themen, die derzeit nicht im Scheinwerferlicht der hiesigen öffentlichen Aufmerksamkeit stehen. So haben wir bei unserer Vollversammlung Gäste aus Sri Lanka begrüßt, die während der aktuellen Misereor-Fastenaktion bei uns in Deutschland Pfarreien, Schulen und Akademien besuchen und dort vom Leben in ihrer Heimat berichten: Bischof Jude Nishantha Silva aus der Diözese Badulla und seine Caritas-Mitarbeiterin Vinayaga Devi Jayakanthan.

Sri Lanka ist eine multireligiöse und multiethnische Nation, in der überwiegend Buddhisten leben, aber auch Hindus, Christen und Muslime. Die Singhalesen machen den größten Teil der Bevölkerung aus; die Tamilen stellen die größte Minderheit. Etwa 450 Jahre lang war Sri Lanka Kolonie europäischer Staaten; im Jahr 1948 wurde die Insel von der Kolonialmacht Großbritannien unabhängig. Seitdem ist der Staat durch Spannungen zwischen der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit und der tamilischen Minderheit belastet, die 1983 in einen 26 Jahre andauernden blutigen Bürgerkrieg mündeten. Tamilische Separatisten kämpften damals um ihre Unabhängigkeit. Bis heute sind die grauenvollen Gewalttaten dieser Zeit nicht aufgearbeitet.

Es gehört zur britischen Kolonialgeschichte, dass jahrzehntelang eine große Zahl von Tamilen aus dem südlichen Indien ins Land geholt und als Teepflücker auf den Plantagen in den Hochlandregionen eingesetzt wurden. Die dort heute noch lebenden Hochlandtamilen sind die Nachfahren dieser Plantagenarbeiter. Viele wohnen noch immer auf den Plantagen und erhalten dort – in großer Abhängigkeit von den Plantagenbesitzern – für ihre harte Arbeit nur einen Hungerlohn. Der Zugang zu Bildungs- oder Gesundheitseinrichtungen ist für sie weitgehend versperrt. Viele von ihnen haben keine Ausweispapiere – mit allen Konsequenzen für ihre sozialen und politischen Rechte. Hier setzt die von Misereor unterstützte Arbeit der Caritas in Sri Lanka an. Bischof Jude und Frau Devi haben uns eindrucksvoll geschildert, wie sie den Hochlandtamilen helfen, ihre Rechte wahrzunehmen. Wir waren beeindruckt, wie engagiert sie diesen Kampf um die Würde der Menschen führen – ein Kampf, der unsere weltkirchliche Solidarität verdient.


16. Polnisch-Deutsches Gedenken im Jahr 2025

Gerne möchte ich kurz auf die feststehenden Punkte hinweisen, die sich aus dem Gedenken des historischen polnisch-deutschen Briefwechsels von vor 60 Jahren ergeben. Einige hatten mich dazu in der Auftakt-Pressekonferenz gefragt. Das Thema war aber nicht Gegenstand der jetzigen Beratungen.

2025 ist ein Gedenkjahr, dass die Kirche in Polen und Deutschland in besonderer Weise miteinander verbindet. Zum 80. Mal jährt sich das Ende des Zweiten Weltkriegs und der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft in Europa. 60 Jahre ist es her, dass die polnischen Bischöfe einen aufsehenerregenden Brief an die deutschen Mitbrüder richteten, in dem sie angesichts der fürchterlichen Vergangenheit Vergebung gewährten und Vergebung erbaten. Dies war der Startpunkt des polnisch-deutschen Briefwechsels zwischen den Bischofskonferenzen, der für die Versöhnung der Völker in den folgenden Jahrzehnten eine herausragende Bedeutung gewonnen hat.

Die Polnische und die Deutsche Bischofskonferenz werden das Gedenkjahr mit einer Reihe gemeinsamer Aktivitäten begehen. Dazu gehört am 26. April 2025 eine Wallfahrt polnischer Bischöfe, Priester und Laien zum ehemaligen Konzentrationslager Dachau, das vor 80 Jahren befreit wurde. Dort waren 1.800 polnische Kleriker eingekerkert, von denen 900 ihr Leben verloren. Dachau steht damit in besonderer Weise auch für das Leiden der Kirche in Polen während der NS-Zeit. Die Organisation des Gedenktags liegt bei der Deutschen Bischofskonferenz, bei der Delegatur für die polnischsprachige Seelsorge und beim Erzbistum München und Freising. Am 8. Mai 2025 begehen wir außerdem den 80. Jahrestag zum Ende des Zweiten Weltkriegs gemeinsam mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Im November 2025 soll eine Begegnung zwischen polnischen und deutschen Bischöfen in Breslau stattfinden, bei der des Jahrestags des Briefwechsels gedacht wird. Die genaue Planung obliegt der regelmäßig tagenden Kontaktgruppe der Polnischen und der Deutschen Bischofskonferenz. Es ist vorgesehen, dass bei der Zusammenkunft in Breslau eine gemeinsame Erklärung der beiden Bischofskonferenzen unterzeichnet und veröffentlicht wird, die der Vergangenheit gedenkt und die aktuellen Herausforderungen für den Frieden in Europa zur Sprache bringt.

Historischer Briefwechsel: Hirtenbrief der polnischen Bischöfe an ihre deutschen Amtsbrüder vom 18. November 1965 
Historischer Briefwechsel: Antwort der deutschen Bischöfe an die polnischen Bischöfe vom 5. Dezember 1965


17. Personalia

 

  • Bischof Dr. Klaus Krämer (Rottenburg-Stuttgart) wird Mitglied der Kommission Weltkirche und der Ökumenekommission der Deutschen Bischofskonferenz.
  • Weihbischof Dr. Andreas Geßmann (Essen) wird Mitglied der Ökumenekommission und der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz sowie der Unterkommission für den interreligiösen Dialog und der Unterkommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum.
  • Weihbischof Dr. Christoph Hegge (Münster) wird Mitglied der Kommission für geistliche Berufe und kirchliche Dienste der Deutschen Bischofskonferenz.