| Aktuelle Meldung | Nr. 013

Hinweise zur Studie „Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Biodiversität“

Am 11. September 2024 wurde die Studie der Sachverständigengruppe Weltwirtschaft und Sozialethik „Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Biodiversität: Ethische Perspektiven für die globale Landnutzung“ veröffentlicht. Die Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz hat ihr Beratungsgremium, die Sachverständigengruppe, mit einer sozialethischen Reflexion des Themas beauftragt. Der Text der Studie ist unter Publikationen zu finden. An dieser Stelle geben wir einige vertiefende Informationen.

Die Studie ist die dritte in einer Reihe von Expertisen der Sachverständigengruppe, die sich mit nachhaltiger Entwicklung und Transformationsfragen im Licht von Laudato siʼ befasst. In den Vorgängerstudien wurden die Frage nach dem Wirtschaftswachstum differenziert erörtert (2018) und Hindernisse und Stellschrauben der sozial-ökologischen Transformation untersucht (2021). Im Sinne der Christlichen Sozialethik orientieren sich die ethischen Leitlinien am weltweiten Gemeinwohl. Stets geht es in den Studien der Sachverständigengruppe Weltwirtschaft und Sozialethik darum, die globale Relevanz der Themen und den internationalen Bezugsrahmen zu berücksichtigen.

Das Dokument wurde teilweise verkürzt und fehlinterpretiert dargestellt. In der Folge kam es zu Reaktionen aus den Reihen der Landwirte und der Politik. Auch der Bayerische Bauernverband übte Kritik, während die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und der Deutsche Naturschutzring Zustimmung zu der Studie zum Ausdruck brachten. Der renommierte Agrarwissenschaftler Prof. Dr. Joachim von Braun (Präsident der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften und Vize-Präsident der Welthungerhilfe) hat die Studie positiv gewürdigt.

Die folgenden Informationen dienen der Einordnung der Studie und der Klarstellung angesichts einiger Kritikpunkte. 

  1. Die Inhalte der wissenschaftlichen Untersuchung werden – wie bei Studien üblich – von der Sachverständigengruppe Weltwirtschaft und Sozialethik selbst verantwortet. Es handelt sich nicht um eine Verlautbarung der Deutschen Bischofskonferenz, sondern um den wissenschaftlichen Beitrag eines Expertengremiums, der zur Diskussion über ein globales Zukunftsthema einlädt. Diese Debatte muss in Politik, Gesellschaft und Kirche geführt werden.
  2. Die Bedeutung des Themas „globale Landnutzung“ wird deutlich, wenn man berücksichtigt, dass das Land in Zukunft nicht nur die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung sichern, sondern durch Speicherung von Kohlenstoff weit stärker als bisher auch zum Klimaschutz beitragen sowie die Biodiversität erhalten soll. Während aufgrund gestiegener Ansprüche und Bedarfe eigentlich mehr Land benötigt wird, nimmt die agrarisch nutzbare Fläche aufgrund verschiedener Einflüsse weltweit massiv ab. Wichtige Faktoren sind eine zu intensive Landwirtschaft und tierproduktlastige Ernährungsstile. Werden aktuelle Produktions- und Ernährungstrends weitergeführt wie bisher (insbesondere der zunehmende Fleischkonsum bei steigender Weltbevölkerung), würden bis 2050 nach Schätzungen der Welternährungsorganisation Food and Agriculture Organization (FAO) bis zu sechs Millionen Quadratkilometer neue Agrarflächen (ungefähr die Größe von Europa ohne Russland) benötigt. Weiterführende Informationen zum Thema stellt die Hochschule für Philosophie München auf ihrer Plattform digilog-transformation.com zur Verfügung (https://www.digilog-transformation.com/ethikderglobalenlandnutzung).
  3. Die Studie fordert eine globale Landnutzungswende und skizziert dafür ethische Leitlinien sowie Grundsätze einer gemeinwohlorientierten Ordnungspolitik. Dabei werden auch der soziale Ausgleich und die Beachtung der kulturellen Dimension der Transformation als wichtige Bausteine einer zukunftsfähigen Landnutzungsstrategie identifiziert. Die Experten rufen zur Überwindung von Gegensätzen und Feindbildern in einer zunehmend polarisierten gesellschaftlichen Debatte auf. Die Aufgabe der Kirche sehen sie darin, zum Dialog in einer fragmentierten Gesellschaft beizutragen. Sie solle Haltungen wie Schöpfungsverantwortung und Suffizienz vermitteln und selbst vorbildhaft agieren, z. B. mit Blick auf die Bewirtschaftung von kircheneigenem Land sowie den Lebensmitteleinkauf in kirchlichen Häusern.
  4. Die Studie ist Teil eines breiteren Dialogprozesses. Er begann im Vorfeld der Erarbeitung des Textes und wird auch nach der Veröffentlichung fortgeführt. Diskutiert wurde nicht nur mit Vertreterinnen und Vertretern der ökologischen, sondern auch der konventionellen Landwirtschaft.
  5. Die Studie beschreibt ausführlich das Spannungsfeld, in dem Landwirte sich befinden: Sie sollen gute Lebensmittel produzieren, die Landschaft pflegen, die natürlichen Ressourcen erhalten und gleichzeitig einen angemessenen Lebensunterhalt für sich und ihre Familien erwirtschaften. Ihnen gebühre mehr gesellschaftliche Anerkennung für die zentralen Aufgaben, die sie wahrnehmen, und darüber hinaus die finanzielle Honorierung ihrer landschafts -und umweltpflegenden Leistungen. Subventionen sollten laut Studie nicht abgeschafft, sondern umgelenkt werden: „Landwirte sollten weiterhin substanzielle staatliche Unterstützung erhalten, allerdings verstärkt als Vergütung für gesellschaftliche Leistungen wie die Pflege ökosystemarer Dienstleistungen und nicht länger als pauschale Entschädigung für Flächenbewirtschaftung“ (S. 52).
  6. Die Kritik, die Studie stelle die Bauern unter Generalverdacht, trifft nicht zu, denn den Landwirten wird in der Studie nicht die Verantwortung für Fehlentwicklungen zugeschoben. Vielmehr wird mehrfach unterstrichen, dass das Thema gesamtgesellschaftlich anzugehen ist, insbesondere durch eine gemeinwohlorientierte Gestaltung politischer Rahmenbedingungen und einen gesellschaftlichen Bewusstseinswandel.
  7. Ökologische und konventionelle Landwirtschaft sollten nach Auffassung der Sachverständigengruppe nicht als unvereinbarer Gegensatz begriffen werden. Auch sei die Betonung des Gegensatzes von kleinbäuerlichen und großindustriellen Betrieben nicht zielführend. Vielmehr sei es Aufgabe aller Akteure, in Zukunft standortgerechter und nachhaltiger zu wirtschaften, voneinander zu lernen und miteinander zu kooperieren.
  8. Mit Blick auf die ökologisch außerordentlich wichtige Aufgabe der Wiedervernässung ehemals trockengelegter Gebiete zum Schutz von Biodiversität und Klima, aber auch als Schutz vor Hochwasser empfehlen die Wissenschaftler eine Vorreiterrolle von Staat und Kirche. Die Studie gibt in diesem Zusammenhang zu bedenken, ob im Fall einer Blockadehaltung vonseiten einzelner Landbesitzer das Freiwilligkeitsprinzip infrage gestellt werden solle: „Das bloße Beharren auf dem Status-Quo (und die damit verbundene Blockade weiträumiger und von einem breiten Konsens getragener Wiedervernässungsprojekte durch einzelne Nutzer) ist angesichts der zunehmenden Klimaveränderungen ethisch genauso begründungspflichtig wie es Veränderungsvorschläge sind“ (S. 51).
  9. Diese Beurteilung beruht auf dem Prinzip der katholischen Soziallehre, dass Eigentum auf das Gemeinwohl hinzuordnen sei. Das Grundgesetz kennt entsprechend das Prinzip der Sozialpflichtigkeit des Eigentums. Die Studie stellt nicht die Privateigentumsordnung infrage, erinnert aber daran, dass Eigentum nicht unbeschränkte Verfügungsgewalt bedeutet. Dieses Prinzip gilt auch in anderen Bereichen: Denkmalgeschützte Gebäude dürfen nicht abgerissen, Kulturgüter nicht ins Ausland verkauft und Wald darf nicht einfach gerodet werden – im Gegenzug gibt es staatliche Zuschüsse und steuerliche Begünstigungen für deren fachgerechten Erhalt.
  10. Die Studie verwendet die traditionsreichen und unverzichtbaren Begriffe „Gemeinwohl“ und „Gemeingüter“. Von einigen Kritikern wurde dies als Forderung interpretiert, Privateigentum an Grund und Boden in Volkseigentum zu überführen. Richtig ist, dass die Studie unterscheidet zwischen dem Stück Land, das als privates Gut genutzt und weiterverkauft werden kann und dem davon nicht abgrenzbaren Gesamtsystem Boden. Letzteres sei mit Blick auf seine Funktionen als Grundwasser- und CO2-Speicher sowie als Biodiversität ermöglichender Lebensraum als Gemeingut zu betrachten, was entsprechende Nutzungsvorgaben rechtfertige.

Erwünscht ist eine breite Diskussion des Textes in den kirchlichen Einrichtungen und Verbänden, in Gesellschaft und Politik. Eine Auseinandersetzung mit den Analysen und Vorschlägen der Wissenschaftler ist willkommen. Sie ist Teil einer Debatte über zentrale Fragen, die global und auch unserem Land aufgegeben sind. Zu dieser Debatte leistet die Studie einen wichtigen Beitrag.