| Pressemeldung | Nr. 185

Predigt von Bischof Franz-Josef Bode anlässlich des Ad-limina-Besuchs der deutschen Bischöfe in San Giovanni in Laterano in Rom

Am fünften Tag ihres Ad-limina-Besuchs haben die deutschen Bischöfe die Eucharistie in der Lateranbasilika in Rom gefeiert. Die Predigt hielt Bischof Dr. Franz-Josef Bode, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz.

„Caput et mater omnium ecclesiarum orbis terrarum.“ Haupt und Mutter aller Kirchen des Erdkreises.

Dieser Anspruch geht von dieser gewaltigen Kirche aus, die früher mehr als heute mit dem Sitz des Bischofs von Rom verbunden war, des Repräsentanten der Einheit der Kirche. Was das nach all den Begegnungen und Gesprächen dieser Woche für uns und für unsere Kirche (in Deutschland) bedeutet, sollten wir heute Abend am Schluss unseres Besuches bei den Gräbern der Apostel bedenken.

Ich habe eine Szene des Johannesevangeliums dafür gewählt, die uns allen sehr vertraut ist und die in ihrer Tiefe kaum zu überschätzen ist. Der Platz einer zukunftsfähigen und zukunftsträchtigen Kirche ist eher der Platz beim Kreuz als nur beim Triumph der Auferstehung. Bleiben beim Kreuz wie Maria und Johannes, bleiben beim Weg der Hingabe und Entäußerung (kenosis), bleiben bei den Kreuzen der Menschen in ihrer großen Zahl durch existenzielle Seelsorge, durch menschennahe Verkündigung, durch lebensdienliche Begleitung und Beratung, durch karitative Hilfen und die Werke der Barmherzigkeit.

Und zusammenbleiben. Zusammenbleiben von Männern und Frauen, Jüngeren und Älteren, Getauften, Gefirmten, Gewählten, Beauftragten, Gesendeten und Geweihten, zusammenbleiben wie Maria und Johannes, die nach dem Willen Christi sich gegenseitig halten und stärken.

Das ist das Urbild der Kirche im Hinschauen auf das Leiden Christi, das wir erkennen in den Leiden unserer Brüder und Schwestern und in den Leiden der ganzen Menschheit, in den Leiden der Schöpfung und der ganzen Welt. Eben zusammen mit Maria, der Frau des Klopas, und Maria von Magdala.

Kirche, versammelt unter dem, bei dem, mit dem, durch den und in dem, der sein Haupt neigt, nachdem er den ganzen Durst, die ganze Sehnsucht der Menschheit in seinem eigenen Durst durchlitten hat und seinen Geist übergibt. Das ist doch der Kern von Ostern und Pfingsten schon am Kreuz: Es ist vollbracht, der Sieg ist vollzogen! Und die Spendung des Geistes an alle, die sich dort versammeln, und durch die dieser Geist von damals bis heute weitergegeben wird bis an die Grenzen der Erde, bis an die Ränder, bis dorthin, wo Menschen an Grenzen geraten und nicht mehr weiterwissen.

So sollten wir „Haupt“ verstehen, als Quelle des Geistes und der Einheit in Vielfalt, weil der Geist der Garant der Verschiedenartigkeit der Gaben ist und zugleich der Garant der liebenden Einheit, der Garant für Einheit und Freiheit. Klaus Hemmerle hat einmal gesagt, dass das die spannendste Aufgabe der Zukunft sei, Einheit in Freiheit und Freiheit in Einheit zu leben.

Diese Haupt-Funktion Christi in seinem Leib Kirche, der zugleich Volk Gottes und Tempel des Heiligen Geistes ist, hat nichts mit Triumphalismus und herrschaftlichem Auftreten zu tun, sondern mit der Demut und der Autorität dessen, der andere nicht kleinhalten muss, um selbst groß zu sein, sondern andere groß macht und befähigt, der mehr ermöglicht als verhindert, der andere ermächtigt und sich nicht ihrer bemächtigt. (Das Wort auctoritas kommt von augere, mehren, entfalten, wachsen lassen.)

Wenn wir für die Priester von der Christus-Repräsentation in persona Christi capitis sprechen, kann es nur diese Weise des Hauptseins Christi sein, die er auch in der Fußwaschung an prominenter Stelle gezeigt hat.

Und eben die Ergänzung durch das Muttersein, das sich Kümmern und Erbarmen, das nicht Weglaufen, sondern bleiben, um ihn, Christus, wie Maria zur Welt zu bringen im tiefen Sinn des Wortes. Die mit dieser Szene am Kreuz in der Frömmigkeit verbundene Darstellung der Pietà unterstreicht ja diesen Dienst der Kirche, bei den Leidenden zu bleiben.

In diesem Sinn sprechen wir vom Haupt und von der Mutter aller Kirchen des Erdkreises – also nicht nur der Millionen Kirchenräume, sondern aller Orte, wo Menschen in Zukunft noch vielfältiger, bunter, andersartiger Kirche sein werden, Kirche in Formen, wie wir sie uns in Deutschland noch gar nicht vorstellen können, zumal die Zahl der Hauptamtlichen und der Priester und Diakone weiter abnimmt.

Kirche unterwegs zu den Menschen und mit den Menschen, besonders mit den an den Rand Geratenen, Marginalisierten und vor allen auch den von sexualisierter Gewalt in der Kirche Betroffenen. Gerade heute, an diesem 18. November, dem Gebetstag für die Opfer sexuellen Missbrauchs, ist das besonders zu betonen. Die Betroffenenperspektive muss immer mehr zur Haltung in einer Kirche werden, die sich der eigenen Schuld und der Kreuze der Menschen stellen will.

Dann wird Kirche – auch als Verantwortungsgemeinschaft – auf das Engagement jedes Einzelnen und jeder Einzelnen noch mehr angewiesen sein, auf das Glauben, Hoffen und Lieben derer, die noch zu Christus aufschauen und von ihm her leben.

Das 4. Kapitel des Epheserbriefs entfaltet das Bild einer Kirche, die aus dem übergebenen Geist Christi Karfreitag, Ostern und Pfingsten lebt und die lebendig bleiben will. Der, der aufstieg zum Vater und uns seinen Geist hinterlassen hat, ist der, der abstieg, um wirklich das All, das Ganze der Schöpfung und des Menschlichen zu umfassen. Deshalb sind seine Gnadengaben, seine Charismen und Geistesgaben in ihrer Verschiedenheit immer für das Ganze gegeben, damit sie dem Ganzen nutzen, damit aber auch das Ganze nicht vergisst, dass es auf die Teile angewiesen ist.

So ist es katholisch im tiefen Sinn des Wortes, so ist es synodal in der großen Chance der Gegenwart heute mit unserem Synodalen Weg und all seinen Inhalten und Folge-Inhalten, die sich einbinden in den großen synodalen Prozess der Kirche, den Papst Franziskus angestoßen hat.

Es ist auch die Chance für das Ganze, von den weiten und verschiedenartigen Teilen der Weltkirche und der Buntheit ihrer Kulturen und Lebenswirklichkeiten zu lernen und so weiterzugehen. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass auch die Begegnungen dieser Woche und besonders des heutigen Tages uns hineinnehmen in einen Prozess der Synodalität, der vom Wirken des Geistes der Einheit und Freiheit getrieben ist und nicht von einer ängstlichen Verteidigung und Verzagtheit.

Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer, sie sind berufen, um die Heiligen für die Erfüllung ihres Dienstes zuzurüsten. Wo bleiben die apostolischen, prophetischen, evangelisierenden, begleitenden, lehrenden und leitenden Kräfte in unserer Kirche in Deutschland, die Zukunft gestalten mit dem Volk Gottes? Mit einem Volk, das sich schon in den nächsten Jahren in völlig neuer Gestalt zeigen wird, wenn die Orte des Glaubens, die Kondensationspunkte verdunsteten Glaubens ganz andere sein werden als früher.

Nur in der Vielfalt der Dienste von Frauen und Männern – getauften, gefirmten, beauftragten, gesendete und geweihten – werden wir die Vollgestalt Christi in der Welt darstellen. Nicht mehr hin und her geworfen von allen möglichen Auseinandersetzungen, sondern in der echten Suche nach Einheit in Vielheit, erwachsen und vernünftig und nicht kindisch und nur nach Befindlichkeiten.

Von der Liebe geleitet, sollen wir in der Wahrheit wachsen – keine Wahrheit also ohne Liebe und keine Liebe ohne innere Wahrheit –, sollen wir Christus, dem Haupt, entgegenwachsen in einem Prozess, in einem Weg, in einer Entwicklung, die sich in aller Freiheit und Offenheit für den Geist und seine verschiedenen Weisen des Wirkens vollzieht.

Er, Christus, ist das Haupt aller Kirchen des Erdkreises und allen pastoralen Handelns der Kirche durch zwei Funktionen, die der Epheserbrief benennt mit den Worten „zusammenfügen“ und „festigen“. Sammeln und stärken, zur Einheit führen und ermutigen, so können wir auch sagen. Nichts anderes ist der Dienst derer, die in persona Christi capitis handeln. Zusammenführen, beieinanderhalten in all der Vielschichtigkeit des heutigen Lebens – besonders bei uns – und stärken und festigen, wo auch immer sich eine Pflanze des Geistes zeigt.

Haupt und Mutter aller Kirchen des Erdkreises, Kirche des göttlichen Erlösers und Befreiers, Kirche des lebendigen Rufzeichens Johannes des Täufers und des Apostels Johannes, der – wie unter dem Kreuz – für die bleibende Liebe in der Kirche steht.

Wie sollten wir uns am Schluss unseres Besuches davon nicht inspirieren lassen, wenn wir uns hier zur Eucharistiefeier versammeln, inspirieren lassen zu einer Pastoral aus dem Geist des gekreuzigten Erlösers und seiner glühenden Urgestalten Maria und Johannes und auch des Johannes des Täufers als Freund des Bräutigams Christus?!

Nutzen wir die Chancen des noch verbleibenden Teils unseres Synodalen Wegs und seiner wie auch immer gearteten Verstetigung für eine Pastoral der Weite in Einheit und Freiheit, in Einheit und Vielfalt, in Wahrheit und Liebe! Amen.

Lesung:    Eph 4,1–16
Evangelium:    Joh 19,25–30

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