| Pressemeldung | Nr. 058

Predigt von Bischof Dr. Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, in der Eucharistiefeier am Ostersonntag

Hoher Dom zu Limburg am 17. April 2022

Unsere Welt ist kein Paradies, wahrhaftig nicht. Sie hat ihre schönen Seiten, wer wollte das bezweifeln – jetzt, wo im Frühling alles blüht und gedeiht und uns nach draußen zieht. Immer wieder gibt es auch kleine Überraschungen, die das Leben bereichern. Wie oft wurde der unvergleichlich schöne Abendhimmel fotografiert und gepostet, den uns die besondere Lichtbrechung durch Sahara-Sand in der Luft vor Wochen bescherte. Aber auch dieses eindrucksvolle Naturschauspiel blieb getrübt im Wissen darum, dass in der darauffolgenden Nacht wieder unschuldige Menschen in einem brutalen Krieg auf europäischem Boden ihr Leben verlieren würden. Nein, unsere Welt ist wahrhaftig kein Paradies. Die verhaltene Zuversicht ist bereits allzu häufig ins Wanken geraten, dass sich demokratische Bewegungen gegenüber autokratischen Systemen durchsetzen könnten, dass internationale Konflikte eher durch Dialog und diplomatisches Geschick zu lösen wären als durch Wettrüsten und Krieg. Die Pandemie mit all ihren Folgen hat viele hart getroffen, und wir werden ihre Auswirkungen noch lange spüren. Ganz zu schweigen von der verheerenden Zerstörung von Lebensräumen und den humanitären Katastrophen, die der Klimawandel auslöst. Wir mit unserem Lebensstil haben Anteil daran. Unsere Welt ist nicht nur schön und gut. Und wir sind nicht unschuldig daran.

Doch die Hoffnung geben wir nicht auf, dass sich diese Welt zum Guten verändern kann – ja, dass wir alles daran setzen müssen, weil wir sonst keine Zukunft haben. Wir geben die Suche nach dem verlorenen Paradies nicht auf. Und dabei bestärken uns die lichten und schönen Momente, die wir selbst gestalten, oft genug aber einfach so geschenkt bekommen: die ansteckende Lebensfreude der Kinder; das Glück einer Liebe; erfahrene Hilfe in Not; ein Staunen über die Natur mit ihrer unbändigen Kraft; Blühen und Wachsen, Reifen und Ernten im eigenen Garten. Ja, vielleicht ruft ein schöner Garten wie kaum etwas sonst in uns die Erinnerung an eine Welt wach, wie sie sein könnte, wie sie gut wäre für ein gedeihliches Miteinander alles Lebendigen.

Der Garten als echter Sehnsuchtsort. Es dürfte kein Zufall sein, dass die ältere der beiden biblischen Schöpfungserzählungen (Gen 2,4b–25) die Erschaffung des Menschen mit dem Garten Eden verbindet (hierzu das empfehlenswerte Büchlein von Hans-Georg Gradl, Siehe, ich mache alles neu. Schöpfung im Neuen Testament, Freiburg-Basel-Wien 2022). Gott, der Herr, hat ihn gepflanzt und den Menschen dort eingesetzt, damit er sich entfalte. Alles Geschaffene gehört zusammen und ist aufeinander verwiesen. Als einzelner bleibt der Mensch sonderbar unvollständig, erst in Beziehung zu einem Du auf Augenhöhe wird er ganz. Im Garten Eden entsteht ein Lebensraum voller Harmonie. Doch die Genesis bleibt nicht bei diesem idealen Urzustand stehen, die biblische Erzählung endet nicht mit paradiesischer Schöpfungsromantik. Sie führt über in die raue Wirklichkeit – mühselig, gefährdet und bedroht. Aus der Ursünde des Misstrauens gegenüber Gott entwickelt sich eine Geschichte, die zunehmend von Zwietracht und Bosheit geprägt ist, so sehr, dass es Gott reut, den Menschen geschaffen zu haben (vgl. Gen 6,6). Die Sintflut begräbt unter sich, was einmal gut war und wohl erdacht. Doch aus dem Wasser entsteht neues Leben, eine neue Schöpfung. Mit Noach und seinen Nachkommen setzt Gott die Geschichte fort. Er steht trotz allem zu seinem Werk, auch wenn es nun Regeln und Gesetze braucht, um die Schöpfung zu bewahren. Wir sind in der Realität angekommen – doch nicht ohne die Sehnsucht in uns zu tragen nach einem neuen Himmel und einer neuen Erde. Als große Hoffnung klingt sie in Teilen des Alten und des Neuen Testamentes an (vgl. Jes 65,17; Offb 21,1).

Es ist auch kein Zufall, liebe Geschwister im Glauben, dass die Ostererzählung im Johannesevangelium (Joh 20,1–18) wiederum in einem Garten spielt. An dem Ort, wo man Jesus gekreuzigt hatte, „war ein Garten und in dem Garten war ein neues Grab“ (Joh 19,41). Wie ein Samenkorn wird er dort beigesetzt.

Grabesunruhe

Zu Tode gebracht
liegt begraben mit ihm
im Dunkel
die Hoffnung.

Doch, täusche dich nicht
über den reglosen Leib,
denn im Schoße der Erde reift
göttliches Leben.

Wie er am Kreuz
den Schuldschein zerriss,
der gegen uns sprach
das Urteil zum Tode,

so sprengt er schon bald
die bindende Hülle,
noch verbirgt sie
die Frucht.

In die Erde gesät
keimt das Weizenkorn auf.
Da wächst für den Tag ohne Abend
sein Volk.

gb/2007
 

Dass Maria von Magdala den auferstandenen Jesus für den Gärtner hält, ist also nur vordergründig ein Versehen. Denn der Evangelist kehrt mit der Szenerie von Ostern an den Anfang der Bibel zurück. Garten und Gärtner wissen von einer neuen Schöpfung zu erzählen. Vor Maria steht der große Schöpfungsgärtner. Die Auferweckung des Gekreuzigten ist der Anfang eines neuen Himmels und einer neuen Erde. Der Paradiesgarten, von jetzt an ist er überall dort, wo der Auferstandene ist – und er wächst und wächst, wo Menschen sich ihm anschließen. Da ist die Hoffnung wohl begründet, dass sich das Leben wieder unversehrt ohne Angst und Bedrohung entfalten kann.

Das ist keine Utopie. Es ist Wirklichkeit, aber im Gewand der Hoffnung. Es hat schon angefangen, aber es ist noch lange nicht am Ziel. „Noch nicht“, der auferstandene Jesus erklärt es Maria, nachdem sie ihn erkannt hat: „Halte mich nicht fest; denn ich bin noch nicht zu meinem Vater hinaufgegangen“ (Joh 20,17). Aber geh und verkünde: Ich habe den Herrn gesehen. Das heißt: Mach die Hoffnung groß. Verbreite sie. Lass es andere wissen, dass Du ihn entdeckt hast. Das, liebe Geschwister im Glauben, sagt der Herr auch zu uns.

Österlich hoffen, das bedeutet also, uns hier und jetzt bereits weit in die Zukunft auszustrecken. Uns von ihr her verstehen und prägen lassen. So handeln, wie Jesus es vorgelebt hat. Hoffnung als Lebensmittel. Denn nur hoffend können wir unser Leben gut führen. Sie wird auch einmal irritiert oder enttäuscht werden, das gehört dazu. Aber, wenn sie erlahmt, bleibt nur wenig Spielraum für christliches Handeln. Ja, ich behaupte sogar: Wenn wir die Hoffnung verlernen, verlernen wir das Zutrauen zum Leben. Umgekehrt bedeutet dies: Österlich zu hoffen ist keine Selbstverständlichkeit. Es ist keine Naturbegabung, angesichts immer neuer existenzieller Unsicherheiten damit zu rechnen, dass Frieden und Gerechtigkeit, Freiheit und Liebe wachsen werden in dieser Welt, bis sie alle Menschen umfassen. Man muss es lernen und üben, zu hoffen und den neuen Himmel und die neue Erde mitten unter den alten, verstörenden Verhältnissen zu entdecken. Ja, die neue Erde aufzubauen, weil der neue Himmel schon unter uns ist – unser Herr Jesus Christus.

Mir hilft ein kleines Gebet (von Pierre Olivaint: GL 6,5), mich Tag für Tag bewusst mit ihm zu verbinden, seine Nähe zu suchen und ihn zu bitten, mir die Augen für seine Gegenwart zu öffnen:

Wachse, Jesus, wachse in mir,
in meinem Geist,
in meinem Herzen,
in meiner Vorstellung,
in meinen Sinnen.

Wachse in mir in deiner Milde,
in deiner Reinheit,
in deiner Demut,
deinem Eifer,
deiner Liebe.

Wachse in mir mit deiner Gnade,
deinem Licht und deinem Frieden.
Wachse in mir
zur Verherrlichung deines Vaters,
zur größeren Ehre Gottes.
 

Lesungen: Apg 10,34a.37–43; 1 Kor 3,1–4
Evangelium: Joh 20,1–18

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