| Pressemeldung | Nr. 165

Predigt von Erzbischof Stephan Burger in der Abschluss-Vesper zur Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz 2021 in Fulda

Lesung: Eph 3, 14–19

Liebe Mitbrüder,
lieber Schwestern und Brüder,

was wurde und was wird nicht alles über den gegenwärtigen Zustand von Kirche publiziert. Und wir Bischöfe tragen auch unseren Teil dazu bei, dass der öffentliche Gesprächsstoff nicht ausgeht. Das Versagen in der Vergangenheit, der mühselige Prozess der Aufarbeitung, der einhergehende Vertrauensverlust und die schwindende Bindekraft der Institution Kirche, gesellschaftlicher Bedeutungsverlust, ein ramponiertes Ansehen des Bischofsamtes in der Öffentlichkeit, eine vorgeworfene Reformunfähigkeit von katholischer Kirche, die Frage nach dem Synodalen Weg unter Wahrung der weltkirchlichen Einheit inklusive der bevorstehenden römischen Bischofssynode.

Oder denken wir an unsere Prozesse der Strukturreformen in unseren Diözesen, denen oft auch mit Skepsis und Widerständen begegnen wird, und das nicht nur seitens engagierter Gläubiger in den Gemeinden, sondern auch von hauptberuflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, von Seesorgerinnen und Seelsorgern. Nicht zu vergessen die ganz großen Themen der Pandemie, der Klimagerechtigkeit, der sozialen Verantwortung weltweit.

Das sind nur ein paar Stichworte, die uns als Bischöfe umtreiben. Und wir haben für alle diese Fragen und Problemstellungen keine Patentrezepte, geschweige denn, dass es Lösungen geben könnte, die möglichst viele zufrieden stellen würden.

Was also tun? Hat uns die zu Ende gehende Herbst-Vollversammlung hier in Fulda nun weitergebracht? Auch da standen ja einige der benannten Themen auf der Agenda. Der Vorhang fällt – und alle Fragen offen?

Bei zwei digitalen Tagungen der pastoralen Dienste in der Erzdiözese Freiburg in der ersten Jahreshälfte wurde als geistlicher Impuls ein Kartenspiel eingebracht, das zum Inhalt unterschiedliche biblische Gestalten hatte. Man sollte sich überlegen, welche Person aus der Hl. Schrift die eigene Situation am besten aufgreift bzw. widerspiegelt. Persönlich hängen geblieben bin ich beim Durchschauen der Karten bei Simon von Cyrene.

Er kam gerade vom Feld, wollte nach Hause. Er mag seinen eigenen Plan gehabt haben, wie er seinen Tag weiter gestalten und verbringen könnte. Doch dann durchkreuzt einer seinen Weg. Er wird gezwungen, Jesu Kreuz zu tragen, mitzutragen. Ich glaube kaum, dass er dazu wirklich Lust hatte. Aber er hatte keine Wahl.

Übrigens, die Karte ist überschrieben mit dem Wort: Der Anpacker. Der Vergleich, denke ich, liegt unschwer auf der Hand. Bei allen Verantwortlichkeiten innerhalb der Vergangenheit und Gegenwart, bei allen Problemen, die uns kirchlicherseits bedrängen und beschäftigen: Wenn wir unsere jeweiligen Berufungswege ernst nehmen, haben wir nicht die Wahl, unsere Sorgenfelder selber auszusuchen, das eine zu tun und das andere zu lassen. Die verschiedenen Sachlagen zwingen uns, anzupacken! Die Sachlagen zwingen uns, den Weg mit Christus weiterzugehen, unser Schicksal mit dem seinen zu verbinden, ohne dabei in Depression oder Resignation zu verfallen, wozu jeder für sich auch genügend Gründe hätte. Und wennʼs ums Anpacken geht, uns auch daran zu erinnern, dass wir gefordert und gehalten sind, im kreuztragenden Christus all jene zu erkennen, denen im Namen von Kirche und Amtsträgern Schlimmstes widerfahren ist.

Ich möchte den Bogen noch weiter spannen. Denn wenn es darum geht, die Probleme und Schwierigkeiten, oder sagen wir mal, die Kreuze von Vergangenheit und Gegenwart anzupacken, dass es dann auch nicht darum gehen kann, offene Wünsche und Erwartungen zu erfüllen, wie sie da und dort artikuliert werden. Dafür taugt der Kreuzweg nicht, auf dem wir uns, je nach eigener Situation, befinden. Das gilt übrigens nicht nur für uns Bischöfe, das gilt für jede Person des Gottesvolkes.

Der Kreuzweg führt nach Golgotha und hat nur das eine Ziel, nämlich uns Menschen die göttliche Liebe zu offenbaren, eine Liebe, die alles Böse überwindet, die durch den Tod hindurchgeht und deshalb ein Leben jenseits des Todes sowie aller menschlichen Brüchigkeit ermöglicht. Allein diese Liebe ist es, die es uns möglich macht, auch das eigene Wünschen und Wollen sowie die eigenen Vorstellungen hinterfragen zu lassen. Allein diese Liebe ist es, die uns in den vielfältigen Spannungen, in die wir eingebunden sind, und die uns zuweilen auch zu zerreißen drohen, aushalten und durchhalten lässt. Allein diese Liebe ist es, die uns – bei allen Unterschiedlichkeiten – immer noch Kirche Jesu Christi sein lässt, eingebunden in eine weltweite Kirche, die ohne die Verheißung des Herrn, dass die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen werden, nicht auskommen kann. Und dazu gehören auch unerlässlich das Bekenntnis eines Petrus und der Dienst des Petrusamtes in der Kirche.

Wie hat es Paulus im Epheserbrief formuliert: Durch den Glauben wohne Christus in euren Herzen, in der Liebe verwurzelt und auf sie gegründet. Ob sich einem Simon von Cyrene diese Wirklichkeit erschlossen hat – schon beim Kreuztragen, bei der Kreuzigung Jesu oder erst danach, nach der Auferstehung des Herrn? Darüber schweigt sich die Hl. Schrift aus.

Was ist aus diesem Anpacker geworden? Das Markus-Evangelium nennt noch die Namen seiner Söhne, Alexander und Rufus. Dieses Detail mag wohl beinhalten, dass dieses Brüderpaar christlich geworden ist. Jedenfalls dürfte das Ereignis an Simon nicht spurlos vorübergegangen sein und das Kreuztragen auch sein Leben verändert haben, denn zum Kreuztragen gehört stets die Begegnung mit dem, der daran festgenagelt wird. Dazu gehört stets die Begegnung mit dem, der es für uns und mit uns trägt bis hin zum Wechsel der Perspektive, vom Kreuz, von Christus selbst getragen und in seiner Liebe erlöst zu sein.

Liebe Mitbrüder, liebe Schwestern und Brüder, gebe Gott, dass wir diese Perspektive bei allem Ringen und Streiten um den rechten Weg der Kirche und um ihre Zukunft, niemals verlieren. Gebe Gott, dass diese Liebe und die daraus resultierende Wahrhaftigkeit unseres Handelns unser Anpacken bestimme, nicht um es allen recht zu machen, geschweige denn, dass dies jemals gelingen könnte. Eine Erfahrung, die gerade das Kreuz per se zum Ausdruck bringt.

Packen wir es in Treu und Glauben einfach an, dieses Zeichen des Heils, nicht um unserer Ehre und unseres Ansehens willen, nicht um unsere Situation in den Augen der Welt zu verbessern, sondern um der Menschen willen, um der Liebe Jesu willen, die allein Heil und Erlösung bewirkt. Dazu sind wir bei allen Problemen und offenen Fragen in diese Zeit gestellt und in keine andere und das ist unser Dienst an der Kirche und für die Kirche Jesu Christi!

Die Gottesmutter Maria und der hl. Bonifatius mögen uns mit ihrer Fürsprache auf unserem Weg begleiten. Amen.

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