Kurzbiographie des Preisträgers 2004

Gerhard Richter

Der 1932 in Dresden geborene Künstler wuchs in den Zeiten des Nationalsozialismus und des beginnenden DDR-Regimes auf. Dies hat seine kritische Haltung gegenüber jeder ideologisierenden Thematik maßgeblich mitbestimmt. Im Alter von 16 Jahren verließ er die Schule und tourte mit Laienschauspielern durch die kurz darauf gegründete DDR. Er trat der FDJ bei, wurde Bühnenmaler in Zittau und malte später Spruchbänder für einen volkseigenen Betrieb, der ihn 1951 an die Dresdner Kunstakademie delegierte. Dort stu-dierte Gerhard Richter bis 1956. Als Diplomarbeit gestaltete er ein monumentales Wand-bild für das Hygiene-Museum seiner Heimatstadt. Wenige Monate vor dem Bau der Berli-ner Mauer beschloss er, „ … dem verbrecherischen ‚Idealismus’ der Sozialisten zu entfliehen“ (Gerhard Richter) und verließ 1961 die DDR. Die Arbeiten aus seiner DDR-Zeit ließ Gerhard Richter später in seinem Werkverzeichnis unerwähnt. Im Westen studierte Richter bis 1963 an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Karl Otto Götz, dem Vorreiter des deutschen Informel. Bevor er 1963 in einem Düsseldorfer Möbel-haus seine erste Ausstellung „Demonstration für den kapitalistischen Realismus“ zeigte (ostentativer, ironisch gebrochener Gegenbegriff zum sozialistischen Realismus), hatte er im Jahr zuvor seine früheren Bilder im Hof der Kunsthochschule verbrannt. Schon bald danach machte er mit seinen Unschärfe-Bildern – wie etwa sein berühmtes Gemälde „Frau, die Treppe herabgehend“ – nach Foto-Vorlagen aus Zeitungen und Familienalben nachhaltig auf sich aufmerksam. In diesen Arbeiten wird das zentrale Thema seines Wir-kens – die polare Spannung zwischen substanzieller Erkenntnis und Nicht-Verstehen-Können der Wirklichkeit – erstmals evident.

Ende der 1960er Jahre produzierte Gerhard Richter nach dem Zufallsprinzip bunte „Farb-tafeln“. Später malte er Städtebilder aus der Vogelperspektive, pastose Landschaftspano-ramen aber auch eine Serie großformatiger grauer, monochromer Arbeiten, durch die Popart beeinflusst.

1971 wurde Richter ordentlicher Professor an der Kunstakademie in Düsseldorf, die er bis 1994 innehatte. Mit dem 1988 – elf Jahre nach dem Tod mehrerer Mitglieder der Baader-Meinhof-Gruppe – geschaffenen 15-teiligen Bilderzyklus „18. Oktober 1977“ rührte Ger-hard Richter an empfindliche gesellschaftliche und politische Fragen und provozierte da-mit eine öffentliche Kontroverse. Er wollte mit diesem Zyklus in einem allgemeingültigen Sinn für „ … die generelle Gefahr von Ideologiegläubigkeit, von Fanatismus und Wahn-sinn“ (Gerhard Richter) sensibilisieren. In den letzten 15 Jahren trat Richter dagegen mit weniger provozierenden abstrakten Farblandschaften und Szenen aus dem späten Familienglück mit seiner Frau Sabine und Söhnchen Moritz an die Öffentlichkeit.

In jüngerer Zeit griff Richter den bereits in den 1960er-Jahren begonnen Werkkomplex seiner Glas- und Spiegelbilder – großflächige Spiegelscheiben, gestaffelte Glasplatten und emaillierte Glasflächen, die mit Hilfe von speziellen Gestellen vor die Ausstellungswand montiert werden, wieder auf. Sie erscheinen als vieldeutige Readymade-Objekte an der Grenze zwischen Malerei, Skulptur und Architektur. Sein jüngstes Auftragswerk ist der Zyklus „Acht Grau“ (2002) für das Deutsche Guggenheim Berlin. Anders als herkömmliche Spiegel senden die grauen Glasplatten kein bloßes Abbild, sondern ein schemenhaftes Ebenbild. Richter öffnet damit also nicht nur einfach ein „Fenster zur Welt“, sondern ein „Fenster zu unserem tatsächlichen Verhältnis zur Welt“.

Gerhard Richter ist nie der Versuchung erlegen, einen Stil als absolut verbindlich oder dominierend hinzustellen. Sein stilistisches Repertoire reicht von realistischen über abs-trakte bis hin zu konzeptionellen Ausdrucksformen. Durch diese ständig oszillierende Bandbreite seines künstlerischen Ausdrucksvokabulars vermeidet es Richter bewusst, sich auf ein „Programm“ festlegen zu lassen. Darin kommt ein tief verankerter Wunsch nach Autonomie und Individualität zum Ausdruck, der als Folge seiner Erfahrungen in der DDR gewertet werden darf. Gerhard Richter, der heute zu den berühmtesten und einfallsreichsten Künstlern in der Gegenwart gehört – die „Sunday Times“ nennt ihn den „hervorragendsten deutschen Ge-genwartskünstler“ – lebt und arbeitet in Köln.

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