Fragen und Antworten Projektion 2060

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Forschungszentrum Generationenverträge?

Die erste Zusammenarbeit des Verbandes der Diözesen Deutschlands (VDD) mit dem Forschungszentrum Generationenverträge (FZG, Direktor: Prof. Dr. Raffelhüschen) begann 2005. Damals hatte der VDD von seinen Gremien den Auftrag erhalten, extern eine Langfristprognose des Kirchensteueraufkommens auf Bistums- und Bundesebene erstellen zu lassen. In Abstimmung mit der Steuerkommission des VDD wurde das FZG mit der Prognose beauftragt. Das Gutachten bezog sich auf das Basisjahr 2006 und hat die Entwicklung des Kirchensteueraufkommens in den Diözesen für die Jahre 2006 bis 2050 anhand verschiedener Determinanten prognostiziert. In den Folgejahren haben auch mehrere Diözesen finanzwissenschaftliche Analysen beim FZG in Auftrag gegeben und sich unter anderem mit der Frage befasst, ob eine kurzfristige Prognose des Kirchensteueraufkommens (ähnlich wie bei der Prognose des staatlichen Steueraufkommens durch den AK Steuerschätzungen) wissenschaftlich fundiert möglich ist.

Die Verantwortung für die mittel- bis langfristige Planung der kirchlichen Haushalte – auch im Sinne einer Verantwortung für nachfolgende Generationen und angesichts des seelsorgerischen und sozialen Engagements der Kirche in vielfältigen Tätigkeitsfeldern - hat die Finanzkommission des VDD schließlich dazu veranlasst, das FZG erneut mit einer langfristigen Projektion der Kirchenmitglieder und des Kirchensteueraufkommens zu beauftragen. Ziel der aktuellen Langfristprojektion ist es, tiefergehendes Know-how über die wichtigste Einnahmequelle der Diözesen zu erlangen, um die kirchlichen Haushalte auch mittel- und langfristig an die erwartete Entwicklung anpassen zu können. Wichtig und damit in Zusammenhang stehend sind außerdem die Frage der Entwicklung der Zahlen der Kirchenmitglieder und die daraus resultierenden pastoralen Implikationen.

Ist die Initiative zu dem Projekt von den (Erz-)Diözesen und der Deutschen Bischofskonferenz ausgegangen?

Die Initiative ist von Mitgliedern der VDD-Finanzkommission und damit den (Erz-)Diözesen ausgegangen. Da es im Bereich der Steuerkommissionen von VDD und EKD eine enge Zusammenarbeit gibt, ist auch die evangelische Kirche über das Projekt informiert worden und hat im Frühjahr 2017 Interesse an einer Projektbeteiligung geäußert. Im Herbst 2017 ist die EKD schließlich mit eigenen Ressourcen in das Projekt eingestiegen. Durch die ökumenische Zusammenarbeit ist das Projekt weiter gestärkt worden.

Hat es einen konkreten Anlass für die Beauftragung gegeben? Warum wird das Projekt gerade jetzt durchgeführt, wo doch das Kirchensteueraufkommen entgegen allen Aussagen in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen ist?

Entgegen bisheriger Annahme, ist das Kirchensteueraufkommen in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Diese Entwicklung hat zum einen mit der positiven Entwicklung des Arbeitsmarktes in Deutschland und der sehr robusten Konjunktur zu tun. Zum anderen befinden sich die sogenannten Babyboomer, also die starken Geburtsjahrgänge Mitte der 1960er Jahre, derzeit in der Phase der höchsten Steuerzahlungen - und damit auch der höchsten Kirchensteuerzahlungen. Beide Faktoren zusammengenommen erklären die steigenden Einnahmen der vergangenen Jahre. Gleichzeitig verläuft die Entwicklung des kirchlichen Steueraufkommens verhaltener als die Entwicklung des staatlichen Steueraufkommens, das die Bemessungsgrundlage für die Kirchensteuer bildet. Die Diözesen (und Landeskirchen)  wollten das vorhandene Wissen über ihre wichtigste Einnahmequelle wissenschaftlich stärker fundieren und mögliche Wirkmechanismen kennenlernen. Vor diesem Hintergrund ist die erneute Beauftragung des FZG zu sehen.

Wenn bereits 2006 eine Langfristprognose des Kirchensteueraufkommens beim FZG beauftragt wurde und die Ergebnisse zehn Jahre später aktualisiert werden mussten, wie groß ist dann die Aussagekraft über einen so langen Projektionszeitraum?

Projektionen sind immer „Wenn-Dann-Betrachtungen“, das heißt, sie basieren auf Annahmen, die so, aber auch anders eintreten können. Die Annahmen, die den einzelnen Determinanten zugrunde gelegt wurden, sind in einer Projektbegleitgruppe von Fachleuten der Diözesen und Landeskirchen diskutiert und schließlich festgelegt worden. Relativ einfach ist eine Fortschreibung der heutigen Verhältnisse in die Zukunft bei den Geburten und Sterbefällen. Hier orientieren sich die Annahmen an der 13. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Bundes. Schwieriger wird es bei der Migration und den kirchenspezifischen Einflüssen. Die Projektionen gehen davon aus, dass das Tauf-, Austritts- und Aufnahmeverhalten der letzten fünf Jahre für die Zukunft repräsentativ ist. Wenn sich dieses allerdings langfristig verändert, werden auch die Ergebnisse andere sein. Die vorliegende Projektion hilft vor allem dabei, differenziert auf die Gründe der Mitgliederentwicklung zu blicken.

Welche Annahmen haben der Studie 2006 zugrunde gelegen und wie unterscheidet sich die aktuelle Studie vom damaligen Projekt?

Zu den Determinanten der zukünftigen Kirchensteuerentwicklung zählen, gestern wie heute, unter anderem die demographische Entwicklung, die Entwicklung der Erwerbsbeteiligung, altersspezifische Steuerprofile und kirchenspezifische Faktoren wie die Entwicklung der Taufen sowie der Kirchenein- und austritte. Insbesondere die Entwicklung der Erwerbsbeteiligung von Frauen sowie damit zusammenhängend die Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse ist seinerzeit nicht mit der tatsächlich eingetretenen Dynamik vorausgesagt worden. Dazu kommt die seit nunmehr zehn Jahren anhaltende positive Konjunktur in Deutschland.

Ein wesentlicher Unterschied in der aktuellen Studie ist das zugrunde liegende Datenmaterial. Erstmals bilden die Daten der vom Statistischen Bundesamt durchgeführten „Sonderauswertung Kirchensteuer aus der staatlichen Lohn- und Einkommensteuerstatistik“ die Grundlage für die kirchlichen Steuerprofile. Darüber hinaus liegen erstmals bundesweite Zahlen zum Altersprofil aller Katholiken vor sowie Daten aus einer Sonderauswertung der (staatlichen) Bevölkerungsstatistik, mit der Wanderungsbewegungen von Kirchenmitgliedern zwischen den Diözesen und aus dem Ausland abgebildet werden können. Damit ist eine koordinierte Mitglieder- und Kirchensteuervorausberechnung für alle Diözesen (und Landeskirchen) möglich.

Eine Kernaussage der Studie lautet: Der Rückgang der Zahlen der Kirchenmitglieder beruht nur zum Teil auf demographischen Faktoren, der Rest ist gewissermaßen hausgemacht.

Neben den demographischen Faktoren gibt es auch die uns seit Jahren begleitenden Austrittsprozesse. Wir bedauern jeden einzelnen Kirchenaustritt, vor allem die in den vergangenen Jahren auf hohem Niveau gebliebenen Zahlen. Dem Kirchenaustritt geht meist ein Entfremdungsprozess in der Kirche voraus. Die Studie zeigt aber auch, dass es uns bei vielen jungen Menschen scheinbar nicht gelingt, eine stabile Bindung aufzubauen. Die Gründe für den Austritt sind aber insgesamt sehr unterschiedlich. So kann es beim Eintritt in das Erwerbsleben die Erstzahlung der Kirchensteuer sein, es können aber auch Enttäuschungen über kirchliche Entwicklungen bis hin zu negativen Erfahrungen mit Amtsträgern sein. Wir nehmen das Argument der „hausgemachten“ Problematik ernst.

Der demographische Einfluss auf die Mitgliederentwicklung ist nicht mehr veränderbar, die kirchlichen Faktoren könnten hingegen beeinflusst werden. Was tun die Kirchen, um zum Beispiel Kirchenaustritte zu reduzieren oder die Anzahl der Taufen zu erhöhen?

Es gibt kein generelles Rezept gegen Kirchenaustritte oder für mehr Taufen. Wichtig ist, dass wir als Kirche auch künftig überzeugend auftreten und für unsere Botschaft eintreten. Dazu gehören Begriffe – positiv verstanden – wie Mission und Neuevangelisierung. Wir müssen die Kernthemen unserer Botschaft jenseits aller Skandale zu Gehör bringen. Dazu gehören Glaubensfragen ebenso wie das gesellschaftliche und politische Engagement der Kirche. Nur durch überzeugende Zeugen des Glaubens werden wir auch andere für die Kirche gewinnen können. Deshalb wollen wir für die Kirche und den Glauben werben und in einer zunehmend säkularen Gesellschaft die These wagen: ohne Glaube und Religion, ohne Jesus Christus ist das Leben ärmer.

Der Papst und Bischöfe sprechen immer wieder von der Neuevangelisierung. Wäre es nicht wichtiger, bestehende Mitglieder zu halten und stärker an sich zu binden?

Sich nur auf die zu konzentrieren, die dabei sind, wäre zu wenig. Das wäre so etwas wie der „Heilige Rest“, den es zu bewahren gilt. Als Kirche versuchen wir beides: Unsere Mitglieder zu binden (dazu haben die jüngsten Kirchenbindungsstudien mehrerer Bistümer wichtige Auskünfte gegeben), aber auch neue Mitglieder für die Kirche zu begeistern. Daher sind Begriffe wie Mission und Neuevangelisierung für uns keine Fremdworte, sondern konkrete Handlungsoptionen.

Gibt es in der katholischen Kirche konkrete Projekte, um Kirchenmitglieder/Katholiken dauerhaft zu binden?

Verschiedene (Erz-)Diözesen befassen sich jeweils für ihren Bereich mit den Themen der Mitgliederorientierung  und -bindung. Dazu hat es mehrere Studien gegeben, aus denen Bistümer ihre Handlungsoptionen ableiten. Bindungselemente auf Bundesebene sind beispielsweise wiederkehrende pastorale Ereignisse, die einen starken Verbundenheitscharakter aufweisen. Hier sind sicherlich auch die Katholikentage oder Ministrantenwallfahrten und Weltjugendtage zu nennen.

Das FZG ist bei diesem Projekt über den rein wirtschaftswissenschaftlichen Bereich hinausgehend eine Forschungskooperation mit Prof. Dr. Ulrich Riegel von der Universität Siegen und Prof. Dr. Tobias Faix von der CVJM-Hochschule Kassel eingegangen. Im Rahmen dieser Forschungskooperationen ist geplant, im zweiten Halbjahr 2019 ein Praxishandbuch „Kirche – ja bitte! Innovative Modelle und strategische Perspektiven von gelungener Mitgliederorientierung“  herauszugeben. Eine weitere Forschungskooperation wurde mit Prof. Dr. Wolfgang Ilg von der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg eingegangen.

Die Projektion zeigt, dass ein sehr großer Anteil der Austritte auf das Alter zwischen 20 und 35 Jahre fällt. Welche Angebote hat die Kirche für junge Leute in diesem Alter, und wie will man auf die Erkenntnisse der Projektion konkret reagieren?

Wir müssen diese Altersgruppe gut im Blick halten. Vor allem ist es unsere Aufgabe, die gerade im jungen und jugendlichen Alter vorhandenen kirchlichen Präge- und Bindungskräfte zu fördern. Eine Verbundenheit jenseits der Firmung ist mancherorts noch durch die Ministrantenarbeit, die katholischen Jugendverbände, aber auch durch die Hochschulgemeinden gegeben. Tatsächlich gilt es, die Pastoral in der Phase danach (also nach dem Eintritt ins Erwerbsleben) deutlich intensiver zu gestalten und die jungen Erwachsenen weiter zu begleiten. Hier besteht noch Nachholbedarf. Viele junge Menschen finden aber nach der Firmung bereits keinen Ort in unserer Kirche. Wir dürfen diese Generation nicht erst bei der Trauung oder Taufe der Kinder wieder ansprechen. Für uns als Kirche insgesamt bedeutet dies, dass wir unser Engagement im Jugendsektor noch weiter ausbauen müssen. Hinzu kommt, dass wir – seit 2014 intensiv – als Kirche in Deutschland deutlich transparenter erklären, wofür wir die uns zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel einsetzen. Hier werden wir weiterarbeiten, um noch glaubwürdiger zu sein, indem wir verstehbar machen, was wir (finanziell) tun. Das gilt auch in der Vermittlung und Bekanntmachung der Angebote für jene Generationen, die hier angesprochen sind.

In nicht allzu ferner Zukunft wird nicht einmal mehr die Hälfte der Bevölkerung einer der großen Kirchen angehören. Wie wirkt sich das auf die gesellschaftliche Relevanz der Kirche aus und was bedeutet es für die Angebote von Kirche und Caritas?

Die Tatsache, dass die Mitglieder in den Kirchen weniger werden, ist seit Jahrzehnten eine sichtbare und nicht umkehrbare Tatsache. Die Krise der Institution, wie sie von manchen genannt wird, trifft nicht nur die Kirchen, sondern viele andere gesellschaftliche Bereiche auch, zum Beispiel politische Parteien. Als Kirche werden wir auch dann  gehört, wenn wir unsere Botschaft, unseren Auftrag und unsere Perspektive engagiert und überzeugend vertreten. Die Suche nach Religion und Spiritualität muss die Kirche in einer säkularisierten Gesellschaft ebenso begleiten wie sie sich auch künftig zu ethischen oder gesellschaftlich relevanten Fragen äußern wird. Da die Kultur in unserem Land durch das christliche Abendland geprägt ist, findet sich allein in der Feiertagskultur ein enger Bezug zum Christentum. Es ist kaum vorstellbar, dass – trotz des Rückgangs der Mitglieder in den christlichen Kirchen in Deutschland – Oster- oder Weihnachtsfeiertage in 30 Jahren gestrichen werden. Was für die einen der freie Tag ist, muss für die Kirchen die Chance sein, ihre Botschaft und den Inhalt dieses freien Tages zu erläutern.

Unsere ethischen Grundforderungen und unser christliches Menschenbild (Nächstenliebe, Barmherzigkeit etc.) erfahren in unserer Gesellschaft weiterhin hohe Anerkennung. Gleichzeitig erfahren die Kirchen (auch als Minderheit) Zuspruch, wenn sie sich an die Seite der Schwachen und Marginalisierten in unserer Gesellschaft stellen.

Kann das heutige Angebot der Kirchen im Bereich von Kindergärten, Schulen und Altenpflegeeinrichtungen vor dem Hintergrund der Ergebnisse dieser Projektion aufrechterhalten werden?

Daran werden wir als Kirche arbeiten. Gerade der Bildungsbereich und der caritative Bereich der Kirche sind für die Gesellschaft nicht wegzudenken. Trotz Mitgliederrückgangs sind die Einrichtungen der Kirche ungebrochen gefragt: Bei katholischen Schulen gibt es – trotz der Skandale in der Kirche – keinen Schülerrückgang. Die Caritaseinrichtungen erfreuen sich großer Akzeptanz. Natürlich kostet das auch in Zukunft alles Geld. Aber die heute hohe gesellschaftliche und innerkirchliche Akzeptanz muss auch künftig bei weniger Mitgliedern in der Kirche aufrechterhalten werden. Daran lassen wir uns messen.

Hat die Entwicklung auch Auswirkungen auf das Verhältnis von Staat und Kirche? Was bedeutet die Entwicklung zum Beispiel für den Einbehalt der Kirchensteuer durch die staatliche Finanzverwaltung?

Der Staat hat den Kirchen die Möglichkeit eröffnet, dass die staatliche Finanzverwaltung die Verwaltung der Kirchensteuer übernimmt. In diesem Fall muss er seine Mitwirkung am Kirchensteuereinzug regeln und Zuständigkeiten und Verfahrensgrundsätze für die beteiligten Behörden ordnen. Unumstritten ist, dass die Kirchensteuererhebung stets eine staatliche Mitwirkung voraussetzt. Dabei verletzt die Verwaltung der Kirchensteuer durch den Staat nicht – wie von Kritikern behauptet – die religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates.

Vor diesem Hintergrund hat die Entwicklung der Kirchenmitgliederzahlen keine direkten Auswirkungen auf das Verhältnis von Staat und Kirche. Die Verwaltung der Kirchensteuer durch die staatliche Finanzverwaltung setzt aktuell eine Mindestmitgliederzahl von 40.000 und den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts voraus.

Schon heute werden vielerorts Kirchen geschlossen und einer neuen Nutzung zugeführt. Wie wird sich der Mitgliederrückgang auf den Bestand von Kirchen und anderen kirchlichen Gebäuden auswirken?

Die katholische Kirche in Deutschland hat rund 24.500 Kirchengebäude (hier sind Sakralgebäude gemeint). In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Profanierungen oder auch Kirchenverkäufe. Das hat etwas mit aufgegebenen Pfarreien zu tun und deshalb wird es auch in Zukunft eher eine Reduktion von Kirchengebäuden geben. Trotz Profanierungen gibt es immer wieder auch neue Kirchenbauten in den Bistümern.

In welchen Bereichen sind Kooperationen der (Erz-)Diözesen denkbar?

Die aus der Projektion erkannten Herausforderungen, insbesondere hinsichtlich des sparsamen Einsatzes von Ressourcen, von Kooperationsmöglichkeiten und Finanzierungsherausforderungen, sollen in einer von der Finanzkommission des VDD eingerichteten Arbeitsgruppe beraten werden. Dabei werden Bereiche und Möglichkeiten von Kooperationen zwischen (Erz-)Bistümern, zwischen (Erz-)Bistümern und dem Verband und ggf. auch weiteren Dritten in den Blick genommen.

Könnte es auf lange Sicht in bestimmten Bereichen gemeinsame Angebote der katholischen und evangelischen Kirche geben?

In vielen politischen und ethischen Fragen arbeiten die katholische und evangelische Kirche bereits eng zusammen, das gilt auch für das Angebot des Religionsunterrichts in bestimmten Regionen. Auf Dauer wird es sicherlich ein Zusammenrücken von Caritas und Diakonie geben. Daneben aber gibt es bereits heute gute ökumenische Kooperationen in der Pastoral, so etwa in der Notfall- oder Telefonseelsorge. In Zukunft wird man sicherlich auch hier und in anderen Seelsorgefeldern die Zusammenarbeit ausbauen können.

Wie werden sich die Studienergebnisse auf die Zusammenarbeit der (Erz-)Diözesen untereinander und auf die gemeinsamen Aufgaben der Bischofskonferenz/des VDD auswirken?

Vor dem Hintergrund der erwarteten Einnahmerückgänge bei der Kirchensteuer wird sich die Zusammenarbeit der (Erz-)Diözesen untereinander sowie im VDD in Zukunft voraussichtlich weiter intensivieren. Fragen von politisch-strategischer Bedeutung, zu denen auch Fragen der mittel- und langfristigen Aufgabenklärung sowie Fragen möglicher diözesanübergreifender Dienstleistungen gehören, werden von den Kommissionen des Verbandes vorbereitet und in den Verbandsgremien entsprechend beraten.

Wird es einen Finanzausgleich für die (Erz-)Diözesen geben, die von demographischen Faktoren und dem Wegzug von Katholiken stärker betroffen sind als andere (Erz-) Diözesen, die gerade vom Zuzug dieser Katholiken profitieren?

Aktuell existiert mit dem sogenannten Strukturbeitrag ein System, dessen Beträge den ostdeutschen Diözesen (Dresden-Meißen, Erfurt, Görlitz und Magdeburg) zugutekommen. Das System ist nach derzeitigem Stand bis 31. Dezember 2025 befristet.

Die deutschen Bischöfe haben ihren grundsätzlichen Willen zu einer Solidarität zwischen den (Erz)Bistümern deutlich gemacht. Vorschläge zum Aufbau eines Unterstützungssystems werden aktuell erarbeitet und den Organen des VDD zur weiteren Beratung vorgelegt. Der derzeitige Strukturbeitrag soll perspektivisch in dem neu zu schaffenden allgemeinen Unterstützungssystem aufgehen.

Was bedeuten die Ergebnisse für die Solidarität der (Erz-)Diözesen untereinander und für die künftige Zusammenarbeit?

Die Ergebnisse der Studie kommen für die Kirche nicht völlig überraschend, liefern jedoch weiterführende Erkenntnisse und dienen den (Erz-)Diözesen als Grundlage für die langfristige Ausrichtung der kirchlichen Haushalte. Der erwartete Rückgang von Mitgliedern und Kirchensteuermitteln stellt die Kirche vor große Herausforderungen. Vor diesem Hintergrund ist eine noch intensivere Zusammenarbeit der (Erz-)Diözesen untereinander und im VDD wahrscheinlich. Gerade für kleinere und mittelgroße Diözesen könnte die gemeinsame Wahrnehmung von Aufgaben insbesondere im Bereich der Verwaltung von Interesse sein. Auch die Intensivierung der Zusammenarbeit im Verband der Diözesen könnte in einzelnen Bereichen Lösungsansätze bieten (s. auch Antwort Frage 20).

Hat das System der Kirchensteuer vor dem Hintergrund des Mitgliederrückgangs überhaupt noch Zukunft oder muss auch über neue Formen der Kirchenfinanzierung nachgedacht werden?

Auch wenn die Finanzierung der Kirchen in Deutschland durch das System der Kirchensteuer immer wieder (auch kirchenintern) diskutiert wird, so handelt es sich aufgrund der Einhaltung der steuerrechtlichen Prinzipien um ein gerechtes System.  Es ist mitgliederbezogen, denn nur Kirchenmitglieder finanzieren die Aufgaben ihrer Kirche, wie es im Übrigen auch kirchenrechtlich möglich ist. Es ist gerecht, denn alle Mitglieder werden nur im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit zur Finanzierung kirchlicher Aufgaben herangezogen, das heißt, dass sozial schwache Mitglieder dementsprechend gering oder gar nicht belastet werden (die Studie zeigt unter anderem auf, dass rund 50 Prozent der Kirchenmitglieder gar keine Kirchensteuer zahlen). Es gewährleistet weitgehende Planungssicherheit und macht die kirchlichen Körperschaften unabhängig von zum Beispiel großen Spendern. Ein Blick in andere Länder der Welt zeigt, dass es eine Reihe von anderen Finanzierungsmöglichkeiten für die kirchliche Arbeit gibt. Aus heutiger Sicht sprechen jedoch mehr Argumente für das System der Kirchensteuer als für andere Finanzierungsmodelle. Bei einer Diskussion über die Kirchensteuer ist außerdem zu bedenken, dass die Kirchen im sozialen und karitativen Bereich viele Aufgaben für die Gesellschaft leisten, die der Staat nach einem Rückzug der Kirchen selbst übernehmen müsste.