Leben von Anfang an
Das Recht auf Selbstbestimmung ist in der Grundordnung unserer Gesellschaft ein hohes Gut. Die Möglichkeit, gerade in schwierigen Lebenssituationen schwerwiegende und folgenreiche Entscheidungen im Einklang mit dem eigenen Gewissen treffen zu können, hat auch aus der Perspektive eines christlichen Menschenbildes einen besonderen Stellenwert, nicht zuletzt angesichts der unantastbaren Würde des Menschen.
Deshalb ist es wichtig, die Frauen in ihrer individuellen Situation des Schwangerschaftskonflikts achtsam wahrzunehmen, der Würde der Frau mit Achtung zu begegnen und ihr Selbstbestimmungsrecht nicht in ungebührlicher Weise einzuschränken. Das Leben des Kindes kann ohne die Mutter nicht geschützt werden.
Es ist jedoch unverzichtbar, in diesem Zusammenhang auch die Würde des noch nicht geborenen, aber bereits gezeugten und sich als Mensch entwickelnden Kindes im Mutterleib im Blick zu behalten. Die Heiligkeit des menschlichen Lebens ist für Christen eine wesentliche Glaubensüberzeugung. „Herr, du Freund des Lebens“ heißt es schon im alttestamentlichen Buch der Weisheit in einer bildlichen Aussage über Gott (Weish 11,26).
„Gott ist ein Freund des Lebens“
Quelle: Gemeinsame Erklärung der EKD, der Deutschen Bischofskonferenz und der ACK (1989)
Wenn Gott ein Freund des Lebens ist und das menschliche Leben hoch schätzt, wie könnten die Christen ihm nicht nachfolgen? Darin liegt der Grund dafür, dass sich die Kirche gegen die Todesstrafe ausspricht, dass sie den Krieg als Niederlage der Menschlichkeit betrachtet, dass Christen sich für den Schutz und das Leben anderer Menschen und eine solidarische Gesellschaft einsetzen. Nicht zuletzt liegt darin auch der Grund dafür, dass wir mit Vehemenz für einen sorgsamen, schützenden Umgang mit dem Leben der noch nicht geborenen Menschen eintreten. In ethischer Perspektive können wir die Abtreibung daher nicht gutheißen und sie auch nicht als eine Normalität menschlichen Lebens akzeptieren.
Die unantastbare Würde des Menschen im Grundgesetz
Die Konzeption des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland, die die gesellschaftliche Grundordnung unseres Landes kodifiziert, hat aus guten Gründen die unantastbare Würde des Menschen zum Ausgangspunkt und erklärt ihre Achtung und ihren Schutz im gleichen Atemzug zur Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Ein wesentlicher Aspekt der hier zugrunde gelegten Konzeption von Würde ist, dass sie dem Menschen an sich als Mitglied der Spezies Mensch zukommt, ohne eigenes Verdienst oder eigene Leistung, unabhängig von jedem subjektiven Wollen, und dass sie nicht verhandelbar, nicht teilbar und auch nicht abstufbar ist.
Sowohl in der theoretischen Konzeption als auch in der historischen Entwicklung hängt dieses Verständnis von Menschenwürde aufs Engste mit dem Recht des Menschen auf Unversehrtheit von Leib und Leben zusammen, ist doch das Leben die Ermöglichungsbedingung jeder Achtung vor der Würde.
Schwangerschaftskonflikt – ein Dilemma
Im Schwangerschaftskonflikt stehen sich fundamentale Rechtspositionen zweier Menschen konflikthaft gegenüber, die doch eigentlich eine „Zweiheit in Einheit“ bilden, wie das Bundesverfassungsgericht es ausgedrückt hat. In rechtlicher Perspektive kommt es hier zu einer Dilemma-Situation, die alleine mit den Mitteln juristischer Logik letztlich nicht aufgelöst werden kann. Die Rechtsordnung ist deshalb darauf zurückgeworfen, hier wenigstens eine näherungsweise Regulierung zu finden.
Der bestehende Konflikt und das zu konstatierende Dilemma lassen sich nicht dadurch auflösen, dass man dem ungeborenen Kind entweder seine Würde teilweise oder sogar ganz abspricht oder aber sein Lebensrecht abstuft und gerade seine völlige Angewiesenheit auf die Mutter und seine Schutzbedürftigkeit als Grund dafür heranzieht, ihm weniger oder gar keinen Lebensschutz zuzuerkennen. Diese Argumentation betrachten wir als in sich widersprüchlich. Sie verkehrt den Bedeutungsgehalt rechtlicher und ethischer Prinzipien in das Gegenteil. Ein solcher Umgang mit der Würde und dem Lebensrecht des Menschen, gerade wenn er in der rechtsdogmatischen Diskussion stattfindet, erfüllt uns mit ernsthafter Sorge um die humanen Grundlagen unserer gesellschaftlichen Ordnung und um die Wurzeln unserer Verfassung.
Geltendes Recht in Deutschland
Die in Deutschland derzeit geltende rechtliche Regelung ist das Ergebnis schwieriger ethischer Diskussionen und eingehender juristischer Überlegungen. Sie ist dem Bemühen geschuldet, die hier mögliche näherungsweise Regulierung zu erreichen. Die rechtliche Konzeption, die die Abtreibung aus Gründen des staatlichen Lebensschutzauftrages als strafrechtlich verboten beibehält, aus Gründen der Selbstbestimmung der Frau aber die Möglichkeit der gesicherten Straffreiheit eröffnet, ist deshalb kompromisshaft. Es gab an dieser Regelung immer Kritik von verschiedenen Seiten und auch die katholische Kirche kann nicht verschweigen, dass die Regelung nicht in voller Übereinstimmung mit ihren ethischen Prinzipien steht.
Aber insgesamt gilt es in aller Deutlichkeit herauszustellen, dass diese Gesetzesregelung einen Ausgleich zweier in der Menschenwürde wurzelnder Rechtsgüter sucht und so einen erheblichen Beitrag zu einer gesellschaftlichen Befriedung geleistet hat. Sowohl die rechtlich-ethischen Überlegungen als auch die gesellschaftliche Perspektive bewegen uns dazu, uns mit Nachdruck für den Erhalt des bestehenden gesetzlichen Schutzkonzeptes nach §§ 218 ff. StGB in Verbindung mit dem Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG) auszusprechen.
Schutz und Rahmenbedingungen für schwangere Frauen verbessern
Gleichzeitig weisen wir darauf hin, dass es eine gesamtgesellschaftliche Verpflichtung darstellt, den Schutz und die Rahmenbedingungen für schwangere Frauen so zu verbessern, dass das menschenmögliche geschieht, um Schwangerschaftskonflikte zu vermeiden oder soweit möglich zu entschärfen. Die vom Gesetz vorgesehene verpflichtende Beratung vor einer Abtreibung ist Teil dieser gesellschaftlichen Verantwortung. Sie wird ergänzt durch freiwillige Beratungs- und Hilfeangebote, die die Beratungspflicht aber nicht ersetzen sollen.
Stellungnahmen
Die Deutsche Bischofskonferenz hat sich immer wieder zum Lebensschutz von Anfang an geäußert, insbesondere auch bei aktuellen politischen Debatten.
2024
Am 5. Dezember 2024 findet die 1. Lesung des überfraktionellen Gesetzentwurfes zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs und des Antrags zur Verbesserung der Versorgungslage von ungewollt Schwangeren im Deutschen Bundestag statt. Hierzu veröffentlicht die Deutsche Bishcofskonferenz eine Erklärung ihres Vorsitzenden, Bischof Dr. Georg Bätzing.
Zur Pressemitteilung vom 5. Dezember 2024
Eine Gruppe zivilgesellschaftlicher Organisationen hat am 17. Oktober 2024 einen Gesetzentwurf zur außerstrafrechtlichen Regelung des Schwangerschaftsabbruchs vorgestellt.
Zur Pressemitteilung vom 17. Oktober 2024
Einschätzung zu der von der Kommission für reproduktive Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin in ihrem Bericht veröffentlichten Darstellung des völker- und europarechtlichen Rahmens für die Regelung des Schwangerschaftsabbruchs in Deutschland (24.06.2024)
Zur Einschätzung im Wortlaut auf der Internetseite des Katholischen Büros Berlin
Ergänzende Stellungnahme zur Frage der Arbeitsgruppe 1 – Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch – der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin, ob und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen eine Regelung zum Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuchs möglich ist (20. November 2023)
Zur Stellungnahme im Wortlaut (Internetseite Katholisches Büro Berlin)
Der Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz hat bei seiner Sitzung am 22. April 2024 eine einstimmig angenommene Stellungnahme zu aktuellen Fragen des Lebensschutzes verfasst, die am 23. April 2024 veröffentlicht wurde.
Zur Pressemitteilung vom 23. April 2024
Am 15. April 2024 ist in Berlin der Bericht der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin veröffentlicht worden.
Erklärung des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Georg Bätzing:
Zur Pressemitteilung vom 15. April 2024
2023
Gemeinsame Stellungnahme des Kommissariats der deutschen Bischöfe – Katholisches Büro in Berlin – und des Deutschen Caritasverbandes sowie des Sozialdienstes katholischer Frauen zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes
Zur Stellungnahme im Wortlaut (Internetseite Katholisches Büro Berlin)
Im März 2023 haben die Bundesminister für Gesundheit und Justiz sowie die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend die Kommission für reproduktive Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin berufen. Die mit der Frage einer möglichen Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchrechts befasste Arbeitsgruppe der Kommission hat ein Anhörungsverfahren eingeleitet.
Mehr lesen:
- Zur Pressemitteilung vom 21. November 2023
- Zur Stellungnahme im Wortlaut (Internetseite Katholisches Büro Berlin)
In ökumenischer Verbundenheit hat der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Michael Gerber (Fulda), auf der vierten Tagung der 13. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) am 12. November 2023 in Ulm gesprochen und warb für ein weiterhin gemeinsames Auftreten beim Thema Lebensschutz.
Zur Pressemitteilung vom 12. November 2023
Stellungnahme der Vorsitzenden des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologinnen und Theologen Dr. h.c. Christian Schad, Kirchenpräsident i. R., und Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck
Zur aktuellen Meldung vom 20. Oktober 2023
2022
Erklärung des Pressesprechers der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, anlässlich des Beschlusses des Deutschen Bundestages vom 24. Juni 2022 zur Aufhebung des spezifischen Werbeverbots nach § 219a StGB
Zur aktuellen Meldung vom 24. Juni 2024
Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung schlägt die Streichung des § 219a StGB vor. Werbung für Schwangerschaftsabbrüche soll künftig nicht mehr besonderen, sondern den allgemeinen Regelungen des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) sowie dem Standesrecht der Ärzteschaft unterliegen. Durch die Liberalisierung der öffentlichen Information und Möglichkeiten zulässiger Werbung für Schwangerschaftsabbrüche soll eine bessere Informationsmöglichkeit für die betroffenen Frauen und mehr Rechtssicherheit für Ärzte erreicht werden.
Zur Stellungnahme (Internetseite des Katholischen Büros Berlin)
2019–2021
Erklärung des Vorsitzenden der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz und Vizepräsident der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Union (COMECE), Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck, zur Abstimmung im Europäischen Parlament am 24. Juni 2021 über den Resolutionsentwurf zu einem Bericht „zu der Lage im Hinblick auf die sexuelle und reproduktive Gesundheit und die damit verbundenen Rechte in der EU im Zusammenhang mit der Gesundheit von Frauen (2020/2215(INI))“ – dem sogenannten „Matić-Bericht“
Zur Pressemitteilung vom 21. Juni 2021
Die Gemeinsame Konferenz aus Mitgliedern der Deutschen Bischofskonferenz und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) betonen in einer am 6. Dezember 2019 veröffentlichten Erklärung, dass sich die Anwendung der stetig wachsenden Möglichkeiten der medizinisch assistierten Reproduktion am Wohl der ungeborenen Kinder auszurichten haben.
Zur Pressemitteilung vom 6. Dezember 2019
Gemeinsamer Bundesausschuss von Ärzten, Kliniken und Krankenkassen lässt Bluttests auf Trisomien (NIPD) als Kassenleistung zu
Zur aktuellen Meldung vom 19. September 2019
Initiative
Woche für das Leben
Die Woche für das Leben geht auf eine Initiative der Deutschen Bischofskonferenz und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) zurück. Mit der Wiedervereinigung Deutschlands war die Neuregelung der Abtreibungspraxis wegen unterschiedlicher Handhabe in Ost und West notwendig geworden. Die Woche für das Leben sollte nach dem Willen ihrer Initiatoren die kirchliche Position in der aktuellen Debatte vermitteln. So war der Titel der ersten Woche für das Leben 1991 Programm: „Schutz des ungeborenen Kindes“.
Seit 1994 wurde die Woche für das Leben gemeinsam mit dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland durchgeführt. Mit dieser gemeinsam getragenen, in Westeuropa einzigartigen Aktion leisten die Kirchen seit über 30 Jahren einen wichtigen Beitrag zur Bewusstseinsbildung für den Wert und die Würde des menschlichen Lebens.
Erarbeitung eines neuen Konzepts
Über 30 Jahre hinweg haben sich die beiden großen christlichen Kirchen mit der Woche für das Leben gemeinsam für die Anerkennung der Schutzwürdigkeit des menschlichen Lebens in all seinen Phasen eingesetzt. Um das bisherige Konzept in die Zukunft zu überführen, haben beide Kirchen eine Evaluation in Auftrag gegeben. Diese hat gezeigt, dass die Woche für das Leben über einen langen Zeitraum hinweg sehr erfolgreich war. Gleichzeitig hat die detaillierte Auswertung ergeben, dass das Format angepasst werden muss, um auch in Zukunft die Menschen zu erreichen. Daher findet die Woche für das Leben im Jahr 2024 ein letztes Mal in dem bekannten Format statt. Die katholische und die evangelische Kirche in Deutschland arbeiten bereits gemeinsam an einer neuen Struktur, um sich mit einem zeitgemäßen Format auch zukünftig und weiterhin gemeinsam den Fragen der Bioethik zu widmen und für den Schutz menschlichen Lebens einzutreten.
Mehr lesen: www.woche-fuer-das-leben.de
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Mensch von Anfang anIn neuer Aufmachung erhältlich.
Der im Jahr 1980 erstmals erschienene Kalender zeigt in eindrucksvollen Fotografien das Werden des Menschen von der befruchteten Eizelle bis zur Geburt. Knappe erläuternde Texte erklären die einzelnen Entwicklungswochen und zeigen, wie sich das heranwachsende Kind kontinuierlich weiterentwickelt.
Sonstige Publikationen (Bonn) -
Gott ist ein Freund des LebensHerausforderungen und Aufgaben beim Schutz des Lebens. Arbeitshilfen Nr. 76 (Bonn 1989)
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Menschenwürde und Menschenrechte von allem Anfang anGemeinsames Hirtenwort der deutschen Bischöfe zur ethischen Beurteilung der Abtreibung. Die deutschen Bischöfe Nr. 57 (Bonn 1996)
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Dikasterium für die GlaubenslehreErklärung Dignitas infinita über die menschliche Würde.
Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 240 (Bonn 2024)