| Pressemeldung | Nr. 095

Siebter Katholischer Flüchtlingsgipfel widmet sich besonders schutzbedürftigen Geflüchteten

„Gemeinsam für den Flüchtlingsschutz eintreten“

© DBK
Gruppenfoto: Vernetzungstreffen der diözesanen Flüchlungsbeauftragten mit Erzbischof Dr. Stefan Heße am 15. Juni 2023 in Berlin

In Berlin hat heute (15. Juni 2023) der siebte Katholische Flüchtlingsgipfel stattgefunden. Auf Einladung von Erzbischof Dr. Stefan Heße (Hamburg), Sonderbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für Flüchtlingsfragen, kamen rund 100 Fachleute der kirchlichen Flüchtlingshilfe zusammen. Im Fokus standen die Bedürfnisse besonders vulnerabler Schutzsuchender, darunter Geflüchtete mit Behinderung, traumatisierte Personen, unbegleitete Minderjährige, Opfer von Menschenhandel sowie Menschen, die aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung Gewalt erfahren haben.

In seiner Eröffnungsansprache skizzierte Erzbischof Heße den Kontext des internationalen Fluchtgeschehens mit mehr als 108 Millionen schutzsuchenden Menschen: „Seit über einem Jahr wütet wieder ein Krieg in Europa. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die größte Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst. Aber nicht nur in unserer direkten Nachbarschaft, auch in anderen Teilen der Welt nehmen Konflikte und Krisen zu – zahlreiche Menschen sind gezwungen, vor Krieg, Unterdrückung oder den Folgen des Klimawandels zu flüchten. Mehr als eine Million Menschen aus der Ukraine und weitere 200.000 Menschen aus anderen Herkunftsländern haben im vergangenen Jahr in Deutschland Schutz gefunden.“ Der Erzbischof würdigte in diesem Zusammenhang das Engagement der vielen Haupt- und Ehrenamtlichen: „Dank der großen Solidarität und Hilfsbereitschaft in unserem Land lässt sich die große humanitäre Aufgabe gut bewältigen.“ Gleichzeitig warnte er vor der „Versuchung, in einen flüchtlingspolitischen ‚Unterbietungswettbewerb‘ einzutreten“. Statt polarisierter Debatten seien pragmatische und menschenwürdige Antworten gefragt. Dabei leiste die kirchliche Flüchtlingshilfe einen wichtigen Beitrag: „So haben sich 2022 im Raum der katholischen Kirche etwa 37.400 Ehrenamtliche und 5.600 Hauptamtliche für Geflüchtete engagiert. Die Dienste der kirchlichen Flüchtlingshilfe erreichten über 430.000 Schutzsuchende.“ Der Schwerpunkt vieler kirchlicher Initiativen liege auf der Unterstützung vulnerabler Geflüchteter. Denn der Kirche sei daran gelegen, „sich den Menschen an den existenziellen Peripherien zuzuwenden, das heißt: die besonders Verletzlichen in den Mittelpunkt zu stellen“.
Friederike Foltz (UNHCR Deutschland) legte die flüchtlingsrechtliche Bedeutung von Vulnerabilität dar: „Das frühzeitige Erkennen von Vulnerabilitäten, d. h. von spezifischen Unterstützungsbedarfen, die Personen im Kontext das Asylverfahrens und der Aufnahmesituation haben, ist eine besonders wichtige Komponente für die Durchführung eines fairen Asylverfahrens.“ Prof. Dr. Anja Middelbeck-Varwick (Fachbereich Katholische Theologie der Universität Frankfurt) beleuchtete die theologische Dimension der Thematik: „Menschen sind verwundbar und können andere verwunden – die christliche Tradition weiß darum und steht selbst nicht außerhalb dieses Gefüges. In den Kontexten von Flucht, Vertreibung und Asylsuche ist der Kirche – als Nachfolgegemeinschaft Jesu – hier eine klare Linie vorgegeben. Ihr Auftrag ist es, Schutz und Zuflucht zu gewähren und sich beharrlich für Schwache, Leidende und Ausgegrenzte einzusetzen.“ Dies habe auch politische Implikationen: „Wenn eine gemeinsame europäische Asylpolitik wesentlich darin besteht, unzumutbare Verfahren an den EU-Außengrenzen zu beschließen, ist es auch Auftrag der Kirche, hier zu protestieren und für das Recht von Entrechteten einzutreten.“

In Arbeitsgruppen bestand die Möglichkeit zum Austausch über unterschiedliche Formen der Vulnerabilität im Fluchtkontext. Anhand von Praxisbeispielen wurden konkrete Handlungsansätze für die kirchliche Flüchtlingshilfe in den Diözesen und Verbänden diskutiert. Darüber hinaus widmete sich eine Arbeitsgruppe der Aufnahme von Geflüchteten im Rahmen des staatlich-zivilgesellschaftlichen Aufnahmeprogramms „Neustart im Team“ (NesT), an dem sich auch einige kirchliche Akteure beteiligen.

In einer Podiumsdiskussion wurden Herausforderungen im Bereich des Flüchtlingsschutzes thematisiert. Der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Dr. Hans-Eckhard Sommer, nahm dabei folgende Lagebeschreibung vor: „Aufgrund des aktuellen Migrationsgeschehens verzeichnen wir eine enorm hohe Anzahl an Asylzugängen, die uns als Bundesamt vor große Herausforderungen stellt. Doch konnten wir dank des großen Engagements der Mitarbeitenden und durch flexibel gehandhabten Personaleinsatz sowohl bei der Antragsbearbeitung als auch bei der Durchführung von Anhörungen und Entscheidungen eine beachtliche Leistungssteigerung erzielen. Dies erfolgte stets in enger Zusammenarbeit mit den Bundesländern.“ Die innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Lamya Kaddor, plädierte für einen grundsätzlichen Paradigmenwechsel in der Asyl- und Migrationspolitik: „Dazu gehören die Novellierung der Fachkräfteeinwanderung, ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht, Erleichterungen beim Arbeitsmarktzugang für Asylbewerber und Asylbewerberinnen, eine vereinfachte Familienzusammenführung und verbesserte Integrationsmaßnahmen als Gesamtpaket. Das Migrationspaket II ist insbesondere aufgrund der Familienzusammenführung und der Erleichterungen für Menschen im humanitären Bereich für uns von großer Bedeutung. Das Recht auf Asyl ist selbstverständlich ein hohes Gut und Grundrecht, das auch in der Genfer Flüchtlingskonvention verankert ist und das wir schützen müssen.“ Die Präsidentin des Deutschen Caritasverbands, Eva Maria Welskop-Deffaa, äußerte Kritik an der geplanten Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS): „Für die Caritas enthält das Paket der EU-Innenminister etliche Pferdefüße. In den nun anstehenden Verhandlungen müssen unbedingt die Ausnahmen im Rahmen der Grenzverfahren ausgeweitet werden, insbesondere für Familien mit minderjährigen Kindern. Die Bestimmung von sogenannten sicheren Drittstaaten darf nicht einzelnen Mitgliedstaaten überlassen werden, sondern muss sich an den Standards der Genfer Flüchtlingskonvention orientieren, sonst steuern wir auf einen neuerlichen Flickenteppich im Flüchtlingsschutz zu, der schwerwiegende Folgen für die Einhaltung von Menschenrechten an den EU-Außengrenzen und für die Glaubwürdigkeit der EU haben wird.“ Erzbischof Heße bekräftigte: „Als Kirche stehen wir dafür ein, dass Deutschland sich als modernes Einwanderungsland und zugleich als Land des Flüchtlingsschutzes begreift. Wir machen uns stark für bessere Teilhabemöglichkeiten und ein gutes gesellschaftliches Miteinander.“ Die Vielfalt und die Kreativität der kirchlichen Flüchtlingshilfe seien – gerade auch angesichts beträchtlicher Herausforderungen – Auftrag und Ermutigung: „Treten wir weiterhin gemeinsam für den Flüchtlingsschutz ein!“


Hintergrund

Die heute veröffentlichte Statistik der Deutschen Bischofskonferenz zur katholischen Flüchtlingshilfe für das Jahr 2022 hat ergeben, dass die 27 (Erz-)Bistümer, die Militärseelsorge und die kirchlichen Hilfswerke insgesamt rund 94,2 Millionen Euro für die Flüchtlingshilfe bereitgestellt haben, darunter 35,5 Millionen für die Flüchtlingshilfe im Inland und 58,7 Millionen für die Unterstützung der Flüchtlinge im Ausland. Im Jahr 2022 waren etwa 5.600 hauptamtliche Mitarbeitende und rund 37.400 Ehrenamtliche in der Hilfe für Geflüchtete tätig. Mindestens 432.000 Schutzsuchende wurden durch die katholische Flüchtlingshilfe im Inland erreicht.
 

Hinweise:

Die Statistik zur Flüchtlingshilfe 2022 und die Eröffnungsansprache von Erzbischof Dr. Stefan Heße sind unterstehend als PDF-Dateien sowie auf der Internetseite zur katholischen Flüchtlingshilfe unter www.fluechtlingshilfe-katholische-kirche.de verfügbar.

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