| Pressemeldung | Nr. 65

Statement des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, beim Pressegespräch am 4.10.2004 in Hamburg zur Verleihung des Katholischen Medienpreises 2004

Es gilt das gesprochene Wort!

Wir freuen uns sehr, dass wir heute im Rathaus der Freien und Hansestadt Hamburg zu Gast sind, um den Katholischen Medienpreis 2004 zu verleihen. Einen geeigneteren Ort für eine solche Veranstaltung gibt es kaum. Dies zeigt schon der Blick auf den Hamburger Stadtpatron, den Heiligen Ansgar. Als "Apostel des Nordens" war er hier schon im 9. Jahrhundert als "PR-Agent" der frühen Kirche tätig, und zwar nicht nur in dieser Stadt, sondern in ganz Norddeutschland, Schweden und Dänemark - und zwar mit großem Erfolg! Heute gehört Hamburg, vor allem durch die Vielzahl der hier ansässigen Verlage, zu den wichtigsten Medienstandorten in Deutschland. Und das symbolträchtige Rathaus bietet einen würdigen Rahmen für unsere Preisverleihung. Aus seiner Tradition steht Hamburg für die Freiheit des Geistes, des Denkens und der Meinungsäußerung. Diese drei Postulate sind auch unabdingbar für eine freie Berichterstattung, die für unsere Demokratie unverzichtbar ist. Freiheit der Medien meint aber keine wertfreie Berichterstattung. Vielmehr verpflichtet die gewährte Medienfreiheit die Journalisten dazu, auch Verantwortung zu übernehmen. Dazu gehört auch, dass sie sich in der täglichen Arbeit an ethischen Normen orientieren. Maßstab dabei muss - nicht nur für Journalisten, sondern auch für die politisch und unternehmerisch Verantwortlichen - der Respekt vor der menschlichen Würde und Intimität sein. Nur so können Medien dem Einzelnen und der Gesellschaft wirklich dienen und zur Orientierung, zur Wertevermittlung und Identitätsbildung beitragen. Der Katholische Medienpreis will einen unabhängigen, wertgebundenen und anwaltschaftlichen Journalismus und damit ein bestimmtes Ethos des Journalismus fördern: Erstens: Journalisten sollen Unabhängigkeit wahren.
Ich halte es für ein wichtiges Gebot, dass Journalisten eine professionelle Distanz zu den Protagonisten ihrer Berichterstattung halten. Es kann gefährlich sein, wenn sich die Grenzen des Journalismus zur Politik, zur Wirtschaft oder zur Unterhaltungsbranche verwischen und eine wechselseitige Instrumentalisierung stattfindet. "Der deutsche Journalist braucht nicht bestochen zu sein, er ist schon zufrieden, wie eine Macht behandelt zu werden", hat der deutsche Journalist und Schriftsteller Kurt Tucholsky einmal gesagt. Zweitens: Journalisten sollen Verantwortung für ihr Handeln übernehmen.
Journalisten und andere Medienakteure haben eine wichtige Aufgabe, weil sie Informationen verbreiten und Unterhaltungssendungen gestalten. Sie wählen die Medieninhalte aus und haben damit Einfluss auf die Vorstellungen und Wertorientierungen der Menschen. Der Kampf um Quoten, Auflagenzahlen und Werbekunden birgt die Gefahr, dass es zu einer Verflachung und Verrohung der Medieninhalte kommt. Ich finde es z.B. problematisch, wenn im Filmbericht über einen Anschlag die Todesopfer in voyeuristischer Weise in Großaufnahme gezeigt werden oder wenn Menschen in Talk- und Containershows für Unterhaltungszwecke abstoßende Aktionen vollziehen sollen, selbst wenn gerne darauf hingewiesen wird, dass die Personen dies freiwillig täten: Zur Verantwortung von Medienakteuren könnte es wohl auch gehören, Menschen in besonderen beruflichen Situationen wenigstens ein Stück weit vor bestimmten Profilierungstendenzen zu schützen. Hier sind Institutionen der Selbstkontrolle und Formen der öffentlichen Kontrolle besonders wichtig. Diese sollten gestärkt und weiterentwickelt werden.Drittens: Journalisten sollen auch über "Menschen in der zweiten Reihe" berichten.
Verantwortungsvolles Handeln von Journalisten schließt für mich ein, auch über Ereignisse und vor allem über Menschen zu erzählen, die üblicherweise nicht im Fokus der Scheinwerfer stehen. Es ist wichtig, auch ihr Schicksal, ihre Lebensgeschichte zu dokumentieren. So verstehe ich im positiven Sinn einen anwaltschaftlichen Journalismus. Eine Ermutigung zur "Normalität" des Lebens fehlt in den heutigen Medien.Die katholische Kirche weiß um die Gesetzmäßigkeiten der Mediengesellschaft, die die journalistische Arbeit oft erschweren. Umso wichtiger ist das genaue Hinhören und Hinsehen. Wir setzen uns dafür ein, die Dimension des Menschlichen in den Medien wach zu halten. Hier liegen die Aufgaben und das besondere Merkmal des Katholischen Medienpreises. Mit ihm werden Beiträge ausgezeichnet, die die Orientierung an christlichen Werten wie auch das Verständnis für Menschen und gesellschaftliche Zusammenhänge fördern. Ein wichtiges Kriterium ist auch, dass die Beiträge das humanitäre und soziale Verantwortungsbewusstsein stärken und zum Zusammenleben unterschiedlicher Gemeinschaften, Religionen, Kulturen und Einzelpersonen beitragen. Die Arbeiten, die wir heute auszeichnen, erfüllen diese Anforderungen in besonderer Weise. Der Katholische Medienpreis 2004 geht in der Kategorie Print an Herrn Ariel Hauptmeier. In seiner Reportage "Wir müssen draußen bleiben" (SZ-Magazin vom 29. April 2004) berichtet Ariel Hauptmeier von drei jungen Nigerianern, die versuchen, über den Grenzzaun von Melilla, einer spanischen Exklave in Marokko, zu klettern. Die Europäische Union ist ihre große Hoffnung. Dafür nehmen sie die Strapazen langer Fußmärsche, Hunger und Kälte, das Leben in schäbigen Plastikunterkünften und das Risiko, abgewiesen oder gar ums Leben zu kommen, auf sich. Es ist eine Reportage über "Schattenmenschen", die nach Europa wollen, aber nicht nach Europa sollen. Immer wieder müssen sie vor den spanischen Grenzstreifen den Rückzug antreten, aber sie ringen ihre Enttäuschung nieder, im Wissen: "Alles liegt in Gottes Hand." Ariel Hauptmeier ist eine journalistisch dichte Reportage zu dem aktuellen Thema illegaler Einwanderung gelungen. Der Text besticht durch seinen ruhigen, auf zugespitzte emotionale Elemente verzichtenden Erzählton. Es wird nicht angeklagt, es wird nicht einseitig und plakativ Partei ergriffen. Die Reportage ist ein Beitrag zur Versachlichung der politischen Diskussion über Migration, vor allem aber ein beeindruckendes Zeugnis für die Kraft, die in der christlichen Hoffnung liegt und die Furcht und Resignation überwindet. Sie passt gut zu dem soeben von uns bei der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz im September 2004 veröffentlichten Text "Integration fördern - Zusammenleben gestalten".Die Autorin Tina Soliman und der Kameramann Torsten Lapp erhalten den Katholischen Medienpreis 2004 in der Kategorie Elektronik. Ihr Film "Grausames Glück - Wenn Geburt und Tod aufeinander treffen" (ZDF vom 18. November 2003) erzählt von drei Schicksalsschlägen. Zwei hochschwangere Frauen verlieren kurz vor dem Geburtstermin ihre Partner. Im dritten Fall stirbt die Mutter drei Wochen nach der Geburt ihres Sohnes. Sie hinterlässt Mann und vier Kinder. Die Hinterbliebenen verbindet Verzweiflung, Trauer und Entsetzen über den nicht vorhersehbaren Verlust des geliebten Menschen. Der Film zeigt die Fassungslosigkeit der Betroffenen. Er konfrontiert den Zuschauer mit ihrer (scheinbar) unerträglichen Lebenssituation. Doch nicht die Trauer und der Tod überwiegen. Der Film dokumentiert auch, wie die Hinterbliebenen langsam wieder ins Leben zurückfinden. Trotz Trauer und Verzweiflung - nicht der Tod behält die Oberhand, sondern das reflektierte Bekenntnis zum Leben.Beide Beiträge erfüllen in hervorragender Weise die Kriterien des Katholischen Medienpreises. Davon können Sie sich selbst überzeugen: Ich freue mich, dass wir heute Abend im Rahmen unseres Festaktes - zu dem ich Sie hiermit nochmals herzlich einlade - Gelegenheit haben, die Beiträge live zu hören und zu sehen sowie mit der Preisträgerin bzw. den Preisträgern zu sprechen.

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