| Pressemeldung

Erklärung des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Karl Lehmann

zu den „Grundsätzen zur ärztlichen Sterbebegleitung" der Bundesärztekammer

Der Vorstand der Bundesärztekammer hat am 11. September 1998 nach einer mehrjährigen Diskussion „Grundsätze zur ärztlichen Sterbebegleitung“ verabschiedet. Eine Neufassung der früheren Richtlinie wurde wegen verschiedener Entwicklungen der letzten Zeit als notwendig angesehen. Das sogenannte Kemptener Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1994 eröffnete sehr vorsichtig die Möglichkeit eines straflosen Abbruchs der lebensverlängernden Behandlung bei entscheidungsunfähigen, aber noch nicht im Sterbensprozeß befindlichen Patienten. Hinzu kam eine verstärkte gesellschaftliche Diskussion über die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe, unter anderem auch wegen entsprechender gesetzlicher Regelungen in den Niederlanden und ärztlicher Richtlinien in der Schweiz.

Die Bundesärztekammer hat es sich nicht leicht gemacht und hat den erwähnten Tendenzen an den entscheidenden Stellen auch keine Zugeständnisse gemacht.

Die Bundesärztekammer lehnt jede Form aktiver Sterbehilfe ab. In diesem Sinne sind die „Grundsätze“ vom Ansatz her zu begrüßen, denn sie ziehen eine klare Grenzlinie gegen aktive Euthanasie. Der Arzt wird eindeutig zur Basisbetreuung verpflichtet (menschenwürdige Unterbringung, Zuwendung, Körperpflege, Lindern von Schmerzen, Atemnot und Übelkeit sowie das Stillen von Hunger und Durst). Es ist von großer Bedeutung, daß die Wach-Koma-Patienten als Lebende betrachtet werden. Es bedeutet eine begrüßenswerte Klärung, daß Neugeborene mit schwersten angeborenen Fehlbildungen und extrem unreife Kinder praktisch wie Erwachsene behandelt werden, was ihren Schutz verbessern dürfte. Die „Grundsätze“ stärken die Bedeutung des Patientenwillens. Er soll deutlicher beachtet werden, wenngleich der Arzt die letzte Verantwortung in Art und Ausmaß der Behandlung und damit auch in ihrer Begrenzung behält. Die „Grundsätze“ wahren jedoch eine gewisse Zurückhaltung bei der konkreten Bewertung sogenannter Patientenverfügungen. Die Diskussion darüber muß deshalb fortgesetzt werden.Wenn die „Grundsätze" in diesem Sinne prinzipiell zu begrüßen sind, so bleiben in diesem Bereich – wie kaum anders zu erwarten – auch einige Fragen.

Die Wahl des Begriffs „Sterbebegleitung“ ist gewiß hilfreich. Um jedoch die grundsätzliche Position auch in Kurzformeln deutlich zu markieren, wäre ein Rückgriff auf die bisher übliche Sprachregelung „aktive/passive Sterbehilfe“ hilfreich gewesen, weil diese Terminologie trotz einiger Schwierigkeiten eine unmißverständliche Unterscheidung ermöglicht: Der Tod darf nicht aktiv herbeigeführt werden (aktive Sterbehilfe), auf der anderen Seite gibt es keine sittliche Verpflichtung, bei aussichtsloser Prognose den unabwendbaren Tod mit allen intensivmedizinischen Maßnahmen hinauszuzögern, wenn dies nur eine Verlängerung des Leidens bedeuten würde (passive Sterbehilfe). Zwar spricht die Erklärung von der Notwendigkeit des Stillens von Hunger und Durst (bei der Basisbetreuung), jedoch scheint die Frage der künstlichen Ernährung bzw. eines möglichen Nahrungsentzugs noch weiterhin klärungsbedürftig zu sein.

Die Erklärung spricht nicht mehr wie früher von „Richtlinie“, sondern stellt „Grundsätze“ auf. Damit kommt die konkrete Verantwortung des einzelnen Arztes und evtl. eines zugehörigen Teams in bestimmten Situationen deutlich zum Ausdruck. Aber bei aller Besonderheit der einzelnen Situationen ist es verdienstlich, prinzipielle Orientierungen vorzugeben.

In der schwierigen Diskussionslage ist die ethische Selbstbindung der Ärzte durch Vereinbarungen in einer Standesorganisation ein wertvolles Gut. Gesetzgeberische Festlegungen, z. B. Änderungen des § 216 StGB, könnten in der gegenwärtigen Situation nur allzu leicht grund sätzlich zweideutige Formulierungen schaffen. Der rechtverstandene Lebensschutz hat am Anfang und am Ende des menschlichen Daseins höchste Bedeutung. Darüber wird und muß die Diskussion weitergehen.

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