| Pressemeldung | Nr. 049

Predigt von Bischof Dr. Georg Bätzing zum Gründonnerstag

Eucharistiefeier im Hohen Dom zu Limburg


Lesungen: Ex 12, 1 Kor 11
Evangelium: Joh 13,1–15


Liebe Schwestern und Brüder,

wer eine Stiftung errichtet, trennt sich für immer von seinem Vermögen. Trotzdem erleben wir in den letzten Jahren einen regelrechten Boom im Stiftungswesen. Allein 2019 kamen hierzulande 576 neue rechtsfähige Stiftungen dazu; an die 24.000 werden es jetzt sein, nicht mitgezählt die etwa 20.000, die zusätzlich in Dachstiftungen zusammengeführt sind. Ein enormes Kapital steckt dahinter, und die Erträge kommen zu 93 Prozent gemeinnützigen Zwecken zugute. Die einen unterstützen Vereine, Sportverbände, Museen, die Ortsverschönerung. Andere engagieren sich für Umweltschutz, medizinische Versorgung, Schulen und wissenschaftliche Ausbildung in ärmeren Ländern. Wieder andere fördern den Erhalt von Kirchen und Kapellen, Orgelbau, die kirchliche Jugendarbeit, caritative Ziele und Inklusionsprojekte. Das sind die vornehmlichen Anliegen der Stifterinnen und Stifter. Und es wundert nicht, dass 42 Prozent der gemeinnützigen Stiftungen gerade in der Zeit der Pandemie die Ärmel hochkrempeln und anderen in der Krise unter die Arme greifen.

Hier wird viel Gutes getan. Das ist vermutlich auch eine der entscheidenden Motivationen von Menschen, die einen erheblichen Teil ihres Vermögens dafür einsetzen. Viele stiften aus Dankbarkeit, weil es ihnen im Leben gut gegangen ist, weil sie wirtschaftlich abgesichert sind oder großzügig geerbt haben. Sie möchten sich langfristig engagieren, wollen die Zukunft mitgestalten – noch über ihren eigenen Tod hinaus. Sie haben die im Blick, die keineswegs privilegiert leben und Hilfe zur Selbsthilfe brauchen. Und nicht zuletzt möchten Stifterinnen und Stifter, dass ihre Namen in guter Erinnerung bleiben. In den Stiftungen „arbeitet“ nicht nur das Kapital, wie man so schön sagt. Rings um sinnvolle Stiftungszwecke sammeln sich andere als Spender und Zustifter oder einfach als Freiwillige, die sich mit Verstand und Herz und Hand für ein Anliegen einsetzen. So ziehen Stiftungen weite Kreise und erwerben sich einen guten Ruf. Aber immer beginnt es mit dem Willen und der Entscheidung einzelner Menschen – und mit einem echten Verzicht. Denn wer eine Stiftung errichtet, trennt sich für immer von seinem Vermögen.

Heute, liebe Schwestern und Brüder, feiern wir Stiftungsfest. Und die Urkunde dazu wurde soeben verlesen. Paulus hat sie notariell aufgesetzt und im 1. Korintherbrief festgehalten: „Ich habe vom Herrn empfangen, was ich euch dann überliefert habe“ (1 Kor 11,23). Dann berichtet er, wie es damals war: Brot – Jesu Leib. Der Kelch – Neuer Bund in Jesu Blut. Sooft wir von diesem Brot essen und aus dem Kelch trinken, verkünden wir den Tod des Herrn, bis er kommt. So wurde die Stiftung gegründet. Das Tagesgebet nennt sie „Opfer des Neuen und Ewigen Bundes“ und „Gastmahl seiner Liebe“. Kurz vor diesem Mahl hat Jesus mit der Demutsübung der Fußwaschung auch ihre Arbeitsweise verdeutlicht: Er liebte die Seinen bis zur Vollendung. Er gab uns ein Beispiel, damit wir handeln, wie er an uns.

im schweiße seines angesichts
essen wir sein brot
leibspeise in bruchstücken

todernst schenkt er uns
reinen wein ein
in ihm ist wahrheit

sein testament
alles für uns
mit seinem blut unterschrieben

andenken an
eine große liebe
gegen den gedächtnisschwund

grundlage
einer stiftung
für mehr leben

Der Priesterpoet Andreas Knapp (Heller als Licht. Biblische Gedichte, Würzburg 2014, 69) bringt es auf den Punkt. Was wir heute begehen, das ist die „Stiftung für mehr Leben“, in die Jesus sein ganzes Vermögen eingebracht hat. Im Brot und im Kelch hat er alle menschliche Last und Mühe, alle Bedrückung und Gefährdung des Lebens durch äußere Not und innere Armut in die Hand genommen; und ebenso den Überschwang der Lebensfreude, den wir genießen, die Hoffnung, die uns Flügel gibt, die Liebe, die uns manchmal überwältigt und verändert. „In seine Hände nahm er alle Liebe der Welt, die verletzte Liebe Gottes für die Welt und die verletzte Liebe der Welt für Gott“ (Marc Kardinal Ouellet). Er nahm, erhob, dankte und teilte aus: sich selber ganz und gar.

Wer eine Stiftung errichtet, trennt sich für immer von seinem Vermögen. So, liebe Schwestern und Brüder, ist es auch mit der heiligen Eucharistie, der „Stiftung für mehr Leben“, die uns zugutekommt. Sie erhält uns am Leben, jetzt und ewig.

Und auch diese Stiftung kennt viele Freundinnen, Zustifter und freiwillige Förderer; alle, die etwas von ihrem Eigenen hergeben und einbringen, um Leben zu schützen, zu heilen, zu trösten, zu versöhnen und zu bestärken. Die „Heiligen des Alltags“ (wie Papst Franziskus sie gerne nennt) gehören genauso dazu wie die großen Gestalten der Märtyrer und Bekenner. Man muss nicht einmal Christ sein, um mit der „Stiftung für mehr Leben“ zu sympathisieren. Für mich gehört auch die 19-jährige Ma Kyal Sin dazu, die vor vier Wochen beim Protest gegen den Militärputsch in Myanmar ihr Leben verlor. Unter den 38 Todesopfern eines einzigen Tages ist die junge Frau das bekannteste. „Alles wird gut“ stand auf ihrem T-Shirt. Aber sie war nicht naiv. Bevor sie sich den Protesten anschloss, schrieb sie auf Facebook eine Nachricht, in der sie ihre Blutgruppe und das Einverständnis hinterließ, ihre Organe zu spenden, falls ihr etwas zustoßen sollte (vgl. F.A.Z., 5. März 2021, Nr. 54, 5).

Lebenseinsatz aus Überzeugung. Hingabe aus Dankbarkeit. Dankbares Staunen bewegt mich heute Abend, in dieser Stunde der heiligen Eucharistie. Ich lege es zum Stiftungsvermögen dazu und glaube fest, dass es dem großen Zweck dient: mehr Leben.


Hinweis:

Die Predigt ist untenstehend auch als pdf-Datei zum Herunterladen verfügbar.

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