| Pressemeldung

Statement des Vorsitzenden der Deutschen Bischofkonferenz, Bischof Karl Lehmann,

bei der Pressekonferenz „Christliche Patientenverfügung" am 27. September 1999 in Düsseldorf

1. Das Thema Sterbebegleitung geht jeden von uns etwas an. Nicht nur die, die einen entsprechenden Beruf ausüben: die Ärzteschaft und die Pflegenden, die Verantwortlichen in Caritas und Diakonie und in den Hospizverbänden oder die Richter an den Vormundschaftsgerichten. Keiner von uns kann der Auseinandersetzung mit Sterben und Tod ausweichen. Betroffen sind wir alle: Entweder als Angehörige oder Freunde oder wenn es um uns selbst geht, sei es als Patient oder als alter Mensch.

2. Es gibt ganz unterschiedliche Interessen, je nachdem, in welcher Rolle man sich befindet.
Als Selbst-Betroffener oder Angehöriger eines lieben sterbenskranken Menschen möchten wir ein unnötig langes Leiden verhindern, aber wollen auch sicher sein, daß nicht etwa aus Sparzwängen heraus nicht mehr all das getan wird, was sinnvoll für den Sterbenden ist.

Auch die Interessen der Ärzte- und Pflegerschaft sind zu berücksichtigen. Sie wollen gern verantwortlich ihre Arbeit tun, aber gleichzeitig auch möglichst ohne juristische Unsicherheiten.

Daneben gibt es noch die Interessen der Gesamtgesellschaft, die sich in Diskussionen um den Kostenfaktor oder die Wirtschaftlichkeit zwischen den Krankenkassen, der Ärzteschaft und den Versicherten niederschlägt oder auch im Nachdenken über die gerechte Verteilung im Gesundheitswesen.

3. Patientenverfügungen enthalten grundlegende Festlegungen für den Fall, daß eine Person in eine lebensbedrohliche Lage gerät, in der sie ihre die Behandlung betreffenden Wünsche nicht mehr zum Ausdruck bringen kann. Patientenverfügungen tragen dem Recht des Patienten auf Selbstbestimmung Rechnung.
Sie beinhalten keine konkreten Behandlungsanweisungen, sondern helfen den behandelnden Ärzten und Ärztinnen, den Pflegenden, den Vertrauenspersonen und den Betreuern bei der Ermittlung des mutmaßlichen Patientenwillens. Eine Patientenverfügung bietet also eine Grundlage, um im Ernstfall eine Entscheidung im Sinne des Patienten zu finden, die sich an seinem Wunsch und Willen und auch an seinem Glauben orientiert.

4. Christliche Patientenverfügung: Aus christlicher Sicht gibt es durchaus einen Anspruch auf menschenwürdiges Sterben, aber kein Recht auf Tötung. Es geht darum, einen Weg zu finden, zwischen unzumutbarer Lebensverlängerung und nicht verantwortbarer Lebensverkürzung. Deshalb verfügt der Unterzeichnende des Formulars ausdrücklich: „Maßnahmen aktiver Sterbehilfe lehne ich ab.“

Wo keine lebensverlängernden Maßnahmen mehr vorgenommen werden, weil sich der Patient bereits im Sterben befindet, ist die ärztliche Behandlung und Pflege ausgerichtet auf die Linderung von Schmerzen, Angst und Unruhe. Dies ist auch gerechtfertigt, wenn durch die notwendige Schmerzbehandlung eine Lebensverkürzung nicht auszuschließen ist. Im Formular heißt es ausdrücklich: „Ich möchte in Würde und Frieden sterben können, nach Möglichkeit in Nähe und Kontakt mit meinen Angehörigen und nahestehenden Personen und in meiner vertrauten Umgebung.“

5. Die Diskussionen über das Thema Sterbebegleitung, die Berichte über die Gesetzgebung in unserem Nachbarland Niederlande (Euthanasie) oder über spektakuläre Fälle der sog. Beihilfe zum Selbstmord in den USA rufen bei vielen von uns Verunsicherung und Verwirrung hervor. Verwirrung gibt es in den Begriffen, weil sehr häufig die Unterschiede zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe nicht deutlich sind. Wer weiß denn schon auf Anhieb, daß aktive Sterbehilfe die Tötung des Patienten meint und passive Sterbehilfe keineswegs bedeutet, daß man tatenlos zusieht, wie ein Patient leidet? Es ist in den Diskussionen über Sterbebegleitung oft schwierig zu entschlüsseln, was im Zusammenhang mit Sterben und Tod der von allen bemühte Begriff „Menschenwürde“ wirklich bedeutet.

6. Wenn die Christlichen Kirchen in Deutschland gemeinsam das Formular einer Christlichen Patientenverfügung herausgeben, wollen sie damit auch Hilfe geben, sich mit dem eigenen Sterben und Tod auseinanderzusetzen und mit vertrauten Menschen über ihre Wünsche und Vorstellungen im Falle einer lebensbedrohlichen Krankheit ins Gespräch zu kommen.

Deshalb ist auch dem Formular der Patientenverfügung eine Vorsorgevollmacht angefügt. Damit besteht die Möglichkeit, eine Person des besonderen Vertrauens zu benennen. Diese hat die Aufgabe, die Interessen des Patienten für den Fall, daß er künftig einmal außerstande sein wird, seinen Willen zu bilden oder zu äußern, so zu vertreten, wie er es in der Patientenverfügung festgelegt hat.

7. Menschenwürde im Zusammenhang mit Sterben und Tod wird mittlerweile von einigen dahingehend mißverstanden, als könne es ein Recht darauf geben, einen unheilbar kranken Menschen zu töten oder das Leben eines alten Menschen abzukürzen. Woher kommt eine solche Einstellung? Sicher nicht nur aus Angst oder vermeintlichem Mitleid. Vielleicht entsteht diese Einstellung aus dem Mißverständnis, Menschenwürde mit Autonomie, mit schrankenloser Selbstbestimmung gleichzusetzen. Würde beruht aber nicht darauf, in welchem Zustand der Abhängigkeit oder Unabhängigkeit ein Mensch lebt. So ist es durchaus möglich trotz großer Abhängigkeit (z. B. von Pflegekräften) doch in Würde zu sterben.

Aus christlicher Sicht gibt es durchaus den Anspruch auf menschenwürdiges Sterben, aber kein Recht auf Tötung, weder auf Selbst- noch auf Fremdbestimmung des Todeszeitpunktes. Aktive Sterbehilfe kommt deshalb nicht in Frage. Passive Sterbehilfe, das Einverständnis des Patienten vorausgesetzt, bedeutet dann den Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen bei einem unheilbar kranken Menschen, der sich im Sterben befindet. Auch eine Schmerztherapie, die als unbeabsichtigte Nebenfolge den Todeseintritt beschleunigt, kann im Einzelfall als zulässig gelten.

8. Gemeinsam mit allen Beteiligten befinden wir uns auf dem Weg, den rechten Umgang mit Sterbenden zu finden (vgl. auch Grundsätze der BÄK zur ärztlichen Sterbebegleitung). Viele Fragen sind noch nicht abschließend geklärt, dazu gehören auch juristische Fragen.

Bei der Aufstellung von Regeln und Grundsätzen im Zusammenhang mit Sterbebegleitung ist immer zu bedenken, daß das Sterben jedes einzelnen von uns so individuell ist wie sein Leben. Deshalb bleiben Entscheidungen zu treffen, die schwer sind und eines geschulten Gewissens bedürfen.

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