| Pressemeldung | Nr. PRD 023a

Um Gottes Willen für den Menschen! Chancen und Grenzen des medizinischen Fortschritts

Statement des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, auf der Pressekonferenz am Montag, den 31. März 2003 in der Katholischen Akademie, Berlin

Es gilt das gesprochene Wort!
Die Deutsche Bischofskonferenz und der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland veranstalten die Woche für das Leben in diesem Jahr zum 13. Mal. Das ist in mehrfacher Hinsicht ein hoffnungsvolles Signal: Katholische und evangelische Christen in Deutschland bringen mit dieser Initiative zum Ausdruck, dass der Schutz des Lebens eine Aufgabe ist, die alle angeht und die immer aktuell ist. Die Woche für das Leben versteht sich auch als Beitrag der Kirchen zur gesellschaftlichen Diskussion über Fragen der Bioethik. Wir Christen sind überzeugt, in diesen existentiellen Fragen zur Orientierung und Meinungsbildung beitragen zu können. Hoffnungsvoll stimmt zudem die Tatsache, dass die Katholische und die Evangelische Kirche diese Initiative Jahr für Jahr gemeinsam ergreifen und miteinander für den Schutz menschlichen Lebens eintreten. Das macht die Woche für das Leben auch ökumenisch zum Erfolgsmodell. Gemeinsam vertreten wir unsere grundlegenden Überzeugungen, die sich aus unserem christlichen Menschenbild ergeben. Auf diesem Wege gelingt es der Woche für das Leben, Gehör zu finden und die Menschen für die Fragen des Lebensschutzes sensibel zu machen.
Diesem Anliegen dienen auch die Materialien zur Woche für das Leben, die Ihnen in der Pressemappe vorliegen. Sie wurden in einer Auflage von 85.000 an Gemeinden, Verbände und Werke versandt. Dort werden jetzt dezentral die Vorbereitungen für viele verschiedene Vortrags-, Informations- und Diskussionsveranstaltungen und nicht zuletzt auch ökumenische Gottesdienste getroffen.
Die Entwicklungen in Forschung und Technik verstärken die Diskussion über Fragen der Wissenschafts-, Medizin- und Bioethik sowie des Lebensschutzes. Sie verleihen der Woche für das Leben ihre ungebrochene Aktualität. Auch deshalb erfreuen sich die verschiedenen Veranstaltungen im Rahmen der Woche für das Leben Jahr für Jahr bundesweit großer Beteiligung. Unsere hochkomplexe und hochtechnisierte Gesellschaft hat einen unbestreitbaren Bedarf an ethischer Orientierung. Denn in aller Komplexität müssen die ursprünglichen und unverzichtbaren Handlungsziele deutlich bleiben. Dieser Aufgabe stellen sich die katholischen und evangelischen Christen in den Diözesen und Landeskirchen, wenn sie sich für die Woche für das Leben interessieren und engagieren.
Präses Kock hat soeben einige theologische Grundlinien des diesjährigen Schwerpunktthemas skizziert, an die ich nahtlos anschließen kann.
Es geht uns darum, dem Traum vom perfekten Menschen zu widersprechen - einem Traum, der letztlich zutiefst inhuman ist: Nur all zu schnell wird der Mensch, der immer ein unvollendetes und daher auch unvollkommenes Wesen ist, dabei zum Schadensfall, zur vermeidbaren Belastung oder zum untragbaren Versicherungsrisiko.
Hier liegt eine ethische Grundproblematik der embryonalen Stammzellenforschung, des sogenannten "therapeutischen Klonens", der Präimplantationsdiagnostik, der Pränataldiagnostik und in gewisser Weise auch der aktiven Sterbehilfe: Menschen werden je nach Krankheitszustand, nach erwünschten oder unerwünschten Eigenschaften oder nach dem Bedarf Dritter selektiert statt integriert, ausgemustert statt angenommen. Menschliches Leben wird dabei zum beliebig verfügbaren und verbrauchbaren Mittel für Zwecke, die diesem individuellen Leben nicht dienen.
Auch die Möglichkeiten der prädiktiven Medizin, die in den nächsten Jahren sicher noch an Bedeutung gewinnen werden, bergen die Gefahr der Selektion. Wenn das Wissen um zukünftige Erkrankungsrisiken wächst, dann wächst auch die Versuchung, diese zum Maßstab für den Wert eines Menschen zu machen: Wie groß ist das Versicherungsrisiko, das er darstellt? Wie viel an kostspieliger Bildung und Ausbildung soll in die einzelne Person investiert werden? Wie teuer darf die medizinische Betreuung werden?
Hier wie dort gilt: Eine Medizin ohne ethische Orientierung wird letztlich immer zu inhumanen Konsequenzen führen. Deswegen braucht medizinischer Fortschritt die Auseinandersetzung mit seinen ethischen Voraussetzungen und Folgen. Nur dann kann er ein wirklicher Fortschritt für die Menschen sein. Deshalb begrüßen wir, dass der Deutsche Bundestag in dieser Legislaturperiode wieder eine Enquete-Kommission "Ethik und Recht der modernen Medizin" eingesetzt hat. Wir verbinden mit der Arbeit dieser Kommission die Hoffnung auf eine differenzierte und kritische Beurteilung medizinethischer Fragestellungen, die den Schutz menschlichen Lebens in allen Entwicklungsstadien klar im Blick behält.
Mit Sorge sehen wir die Tendenzen auf internationaler und auf EU-Ebene, bestehende Begrenzungen für die medizinische Forschung aufzuweichen und über gut begründete ethische Standards hinwegzugehen. Wir hoffen sehr, dass das Auslaufen des EU-Moratoriums für die gemeinschaftliche Finanzierung von Forschung an menschlichen Embryonen zum Ende dieses Jahres nicht zu einer Freigabe solcher Förderungen führt. Eine Verlängerung dieses Moratoriums, besser noch einen klaren Verzicht auf die Förderung solcher Forschung betrachten wir als ethisch dringend geboten.
Einem einseitigen technischen Umgang mit Gesundheit und Krankheit stellen wir als Kirche die Sorge für den kranken Menschen gegenüber, die das Ganze in den Blick nimmt und so der Würde des Menschen gerecht zu werden versucht. Nicht nur die Medizin, auch die Krankenpflege, die Klinikseelsorge und die Beratungsarbeit sind hier unverzichtbare Dienste. Erst ihr Zusammenwirken macht die Bemühungen um Heilung und Linderung von Krankheit wirklich sinnvoll.
Insbesondere unsere Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft haben dabei eine wichtige Aufgabe mit Signalwirkung. Das spezifisch christliche Profil einer Institution, die das Leben und die Würde der individuellen Person nicht aus dem Blick verliert, gilt es daher auch in Zeiten enormer ökonomischer Zwänge zu schärfen.
Ein wichtiger Beitrag zu einem verantwortlichen Umgang mit den Grenzen der medizinischen Machbarkeit ist schließlich auch die "Christliche Patientenverfügung". Sie bietet die Möglichkeit, sich frühzeitig mit der Situation lebensbedrohender Erkrankung und mit dem Tod auseinander zu setzen. Eine christliche Patientenverfügung ist ein wertvoller Beitrag zur Verwirklichung menschlichen, medizinischen und seelsorglichen Beistands in der Begleitung schwerstkranker und sterbender Menschen.
Die Woche für das Leben 2003 ist ein Anstoß, über Chancen und Grenzen des medizinischen Fortschritts ins Gespräch zu kommen. Die vielen Veranstaltungen in den Gemeinden, Diözesen und Landeskirchen verstehen sich dabei zugleich als Forum des Austausches und als klare Meinungsäußerung der Kirchen auf unterschiedlichen Ebenen. Auf Bundesebene dient hierzu insbesondere die bundesweite Eröffnung der Woche für das Leben am Samstag, den 3. Mai in Bayreuth. In der Evangelischen Ordenskirche St. Georgen werden wir an diesem Tag um 10.00 Uhr einen ökumenischen Gottesdienst feiern. Zu diesem Gottesdienst und zu den nachfolgenden Informationsveranstaltungen laden wir sehr herzlich ein.

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