| Pressemeldung | Nr. 160

Versöhnungsarbeit in einer Haltung der Demut

Erzbischof Koch zum 50. Jubiläum des Maximilian-Kolbe-Werkes

Erzbischof Dr. Heiner Koch (Berlin) würdigt heute (19. Oktober 2023) im Namen der Deutschen Bischofskonferenz die Versöhnungsarbeit des Maximilian-Kolbe-Werkes e. V. bei einer Feier anlässlich seines 50-jährigen Bestehens:

Liebe Gottesdienstgemeinde,

im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz und namentlich ihres Vorsitzenden, Bischof Dr. Georg Bätzing, der sich bei der Weltsynode in Rom aufhält und deshalb heute nicht unter uns sein kann, grüße ich herzlich alle, die sich zur Feier des Gründungsjubiläums des Maximilian-Kolbe-Werkes eingefunden haben.

Die Geschichte des Werkes wird am heutigen Tag oft erzählt werden – aus verschiedenen Perspektiven und mit unterschiedlichen Nuancen. Erzbischof Dr. Wiktor Skworc hat diese Geschichte aus der Sicht der Kirche in Polen erzählt und damit einen wichtigen Beitrag zum Verständnis des Maximilian-Kolbe-Werkes geleistet. Erzbischof Skworc ist in den zurückliegenden beiden Jahrzehnten eine herausragende Stimme der polnischen Bischöfe für die Versöhnung zwischen Polen und Deutschen und auch zwischen der katholischen Kirche in beiden Ländern gewesen. Alle, denen es ernst ist mit der polnisch-deutschen Freundschaft, verdanken Ihnen, lieber Erzbischof Wiktor, und ebenso Ihrem langjährigen Gegenüber auf deutscher Seite, Erzbischof Dr. Ludwig Schick, unendlich viel. Ich freue mich deshalb sehr, dass Sie an diesem Tag nach Berlin gekommen sind.

Ich will in meinem Grußwort darauf verzichten, die Geschichte des Werkes und seiner Gründung ausführlich zur Sprache zu bringen und lediglich auf zwei Aspekte hinweisen, die meiner Einschätzung nach besonderer Betonung bedürfen.

Der erste Punkt: Wir Bischöfe stehen in dieser Geschichte nicht im Mittelpunkt. Es waren Laienorganisationen, die das Maximilian-Kolbe-Werk gegründet haben und es bis heute tragen. Am Anfang stand die mittlerweile berühmt gewordene Sühnewallfahrt nach Auschwitz, 1964 initiiert von Pax Christi. Die Begegnung mit Überlebenden der Nazi-Verbrechen setzte einen Prozess in Gang, der 1973 zur Gründung des Kolbe-Werks führte. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken, also der Dachverband der Laien, und eine Reihe einzelner Organisationen riefen das Werk ins Leben. Gemeinsam mit dem ZdK spielten und spielen der Deutsche Caritasverband und Pax Christi damals und bis heute eine besondere Rolle bei dieser Aktion.

Die Bischöfe und die deutschen Bistümer waren also nicht initiierend, sie waren jedoch unterstützend tätig. Über die Deutsche Bischofskonferenz wurden in gewissem Umfang finanzielle Mittel für das Werk zur Verfügung gestellt, vor allem aber haben sich einige Bistümer darüber hinaus stark engagiert: durch Haushaltsmittel, aber auch durch regelmäßige Kollekten. Das Werk blieb dennoch in allen Phasen seiner Geschichte eine Aktivität der Laien.

Überhaupt spielten die katholischen Verbände in Deutschland bis zum Ende der kommunistischen Herrschaft in Osteuropa eine bedeutende Rolle in der Gestaltung der kirchlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen und auch mit anderen mittel- und osteuropäischen Ländern. Dies hat dann auch seinen Niederschlag gefunden bei der Gründung des Werkes Renovabis vor 30 Jahren, bei der die Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken gemeinsam aktiv waren – ein Zusammenwirken, das Renovabis bis heute prägt.

Dass auch die Bischöfe aus Deutschland und Polen seit den Jahren des Zweiten Vatikanischen Konzils eine zunehmend intensivere Verbindung suchten, ist inzwischen weithin bekannt und findet auch international Beachtung. Stichworte sind die gemeinsame Initiative zur Seligsprechung von Pater Maximilian Kolbe, der polnisch-deutsche Briefwechsel der Bischofskonferenzen und – nach der europäischen Wende – die Gründung der Deutsch-Polnischen Kontaktgruppe sowie, als jüngste Frucht der Kooperation, die gemeinsame Unterstützung beider Bischofskonferenzen für die vom Maximilian-Kolbe-Werk beschlossene Gründung der Maximilian-Kolbe-Stiftung.

Das Maximilian-Kolbe-Werk ist eingewoben in diese Geschichte miteinander verschränkter und aufeinander aufbauender Initiativen. Wegen seiner durchgängigen Orientierung an den Überlebenden der Lager hat es dabei eine eigene, unverwechselbare Farbe und zentrale Bedeutung.  

Der zweite Punkt: Man ist geneigt, die Gründung des Werkes als eine „Sternstunde“ des deutschen Katholizismus in der Nachkriegszeit zu bezeichnen. Aber solche und ähnliche Formulierungen bergen die Gefahr eines immensen Missverständnisses. Wir feiern heute nicht das Jubiläum eines erfolgreichen Unternehmens! Das Ethos, die menschlich-geistliche Grundhaltung, die sich in der Geschichte des Werkes durchträgt, spielt in der Welt säkularer Erfolgsgeschichten keine große Rolle. Es ist die Haltung der Demut.

Am Anfang stand die Sühnewallfahrt zu einem vormaligen Vernichtungslager. Die Wallfahrer verorteten sich als Deutsche auf der Seite der Täter, denn gemeinsam gehörten sie diesem Volk an. An der Stelle der Täter – stellvertretend – wollten sie Sühne für die Verbrechen leisten und wandten sich daher den Überlebenden der Konzentrationslager zu, die auch 20 Jahre nach dem Ende des Krieges oft noch unter erbärmlichen Bedingungen am Rande der Gesellschaft lebten. Dieser Gedanke durchdrang und durchdringt die Aktivitäten des Maximilian-Kolbe-Werks: die materielle Hilfe für die Überlebenden der Lager und der Ghettos; die Begegnung der Opfer mit vor allem jungen Deutschen; die Erinnerung an die Geschichte deutscher Schuld, die die Voraussetzung für die Versöhnung darstellt. Demut – das ist die einzige Haltung, die einem Deutschen bleibt, wenn er sich dem kaum Sagbaren stellen will, das von Deutschen und im Namen Deutschlands den Menschen im Osten Europas und den europäischen Juden angetan wurde.

Machen wir uns nichts vor: Demut war und ist nicht nur unter unseren Zeitgenossen, sondern auch unter den Christen nicht übermäßig verbreitet. Aber sie ist in die Fundamente des Christentums eingetragen. Und manchmal, vor allem in den dunkelsten Phasen der Geschichte, lernen Menschen neu zu entdecken, dass Demut die alleinige Möglichkeit darstellt, um der eigenen moralischen Existenzvernichtung zu entgehen.

Demut bedeutet auch: Wir können keinen Erfolg unserer Anstrengungen garantieren. Wir sind angewiesen auf die anderen, von denen wir keineswegs erwarten dürfen, dass sie eine ausgestreckte Hand auch annehmen. Umso dankbarer sind wir den vielen Überlebenden, die eine neue Beziehung überhaupt erst möglich gemacht haben. Ohne sie wäre die Arbeit des Kolbe-Werkes geradewegs ins Leere gelaufen.

Es ist die ehrliche Haltung der Demut, die an der Wiege des Maximilian-Kolbe-Werks steht und das Werk immer noch auszeichnet. Und wenn wir das Jubiläum in diesem Verständnis begehen, dann dürfen wir auch von einer „Sternstunde“ sprechen.

Hintergrund

Das Maximilian-Kolbe-Werk unterstützt ehemalige Häftlinge nationalsozialistischer Konzentrationslager und Ghettos in Polen und anderen Ländern Mittel- und Osteuropas sowie deren Angehörige unabhängig von ihrer Religion und Weltanschauung. Es will zur Verständigung und Versöhnung zwischen dem polnischen und dem deutschen Volk und mit anderen Ländern Mittel- und Osteuropas beitragen. Im Mittelpunkt der Arbeit steht der einzelne Mensch, seine persönliche Geschichte und seine leidvollen Erfahrungen zur Zeit des Nationalsozialismus. Der Kontakt von Mensch zu Mensch ist eigentliches Kernstück der Arbeit. Das Maximilian-Kolbe-Werk ist für viele Opfer des NS-Regimes ein Vertrauensfaktor geworden und vermittelt vielen eine Geborgenheit, die weit über den Rahmen eines Hilfswerks hinausreicht.
Weitere Informationen sind unter: www.maximilian-kolbe-werk.de verfügbar.

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