Worte bei der Übergabe der Preisurkunde – Prof. Dr. Hans Joachim Meyer

Präsident des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken

Übergabe der Preisurkunde bei der fünften Verleihung des „Kunst- und Kulturpreises der deutschen Katholiken“ am 20. November 2004 in der Bundeskunsthalle Bonn

Prof. Dr. Hans Joachim Meyer Hochverehrter Herr Gerhard Richter,

jetzt habe ich die große Ehre, Ihnen im Namen der Deutschen Bischofskonferenz und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken den Kunst- und Kulturpreis der deutschen Katholiken zu überreichen.

Gern möchte ich diesem Akt eine persönliche Erinnerung an eines Ihrer Werke voranschicken – eine Erinnerung, die mit meiner Zeit in Dresden verbunden ist. Im Februar des Jahres 1995 wurde mit Ihrer Zustimmung auf Initiative des Neuen Sächsischen Kunstvereins am Portikus des damals noch zerstörten Ausstellungsgebäudes neben der Kunstakademie auf der Brühlschen Terrasse Ihr Bild „Zwei Kerzen“ von 1982 in einer Großreproduktion von 19 mal 23 Metern installiert.

Die Brühlsche Terrasse und das gegenüberliegende neustädtische Ufer wurden gleichsam zu einem riesigen Ausstellungssaal für dieses stille ruhige Bild. Für mich, der ich das Bild täglich von meinem Arbeitszimmer am anderen Elbufer sehen konnte, wurde es in eindrucksvoller Weise zu einem Element der Dresdner Stadtsilhouette, die damals teils wieder aufgebaut, teils aber noch zerstört war. 1995 war das Jahr des fünfzigjährigen Gedenkens der Zerstörung Dresdens am 13. Februar 1945. In diesem Rahmen und vor diesem Hintergrund ließ ihr Bild die Menschen der vielen Opfer des Krieges gedenken, und es wurde Ihnen zur Mahnung, nie wieder Gewalt und Zerstörung zuzulassen.

Dass es zwei Kerzen sind, konnte zugleich ein gedanklicher Anstoß sein: Niemand ist allein und nur für sich da, sondern wir sind immer mit Anderen da und müssen darum auch für Andere da sein – eine Aufgabe, vor der Menschen schon oft versagt haben, aber die sich ihnen immer wieder und ganz unausweichlich stellt.

Gerhard Richter zählt zu den herausragenden Künstlern der Gegenwart. Sein OEuvre zeichnet sich aus durch hohe Kreativität und große ästhetische Kraft, brillantes malerisches Können sowie tiefgründiges Ausloten eines innovativen, meta-empirisch orientierten Bildvokabulars.

In großer stilistischer Bandbreite eröffnet er einen faszinierenden Dialog zwischen Innen- und Außenwelt und animiert den Betrachter zur intellektuellen wie emotionalen Auseinandersetzung mit dem je eigenen Verhältnis zur Wirklichkeit. Seine Werke sind Impulse, herkömmliche Wahrnehmungs- und Deutungsmuster von Welt und Existenz zu hinterfragen und berühren immer wieder auch gesellschaftliche und politische Fragen.

Gerhard Richter balanciert in seinem Schaffen auf subtile Weise mit den Widersprüchen von Präsentation und Repräsentation, Präzision und Unschärfe, ohne je die Hoffnung aufzugeben, dass es außerhalb seiner selbst eine diese Gegensätze im Letzten versöhnende Dimension des Absoluten gibt. Dieser hoffnungs- und trostreiche Beiklang schwingt in seinen Werken mit.

Mit Taktgefühl nähert sich Richters Malerei der als „Welt“ chiffrierten Realität, der er eine eigene Dignität zuerkennt, indem er ihre Unverfügbarkeit und auch Rätselhaftigkeit respektiert. Im Prozess des Malens lässt sich Richter durch das Überraschende seiner Intuition berühren. In diesem außerhalb der Künstlerpersönlichkeit liegenden „Mehr“, das sich in der Werkgenese Bahn bricht, wird die Anwesenheit eines transzendenten Anderen erahnbar.

Wir danken Gerhard Richter für eine Kunst, welche die Spannungen menschlicher Existenz markiert und aushält und eine Dimension des Metaphysischen inmitten der pluralistischen Kultur der Gegenwart eröffnet.

Urkunde - Kunst- und Kulturpreis 2004 (pdf-Datei, 40 kB) 

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