Wichtige Dokumente: Verhältnis zu den Juden
Konzilserklärung Nostra aetate
Erklärung Nostra aetate über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen, Nr. 4:
Bei ihrer Besinnung auf das Geheimnis der Kirche gedenkt die Heilige Synode des Bandes, wodurch das Volk des Neuen Bundes mit dem Stamme Abrahams geistlich verbunden ist. So anerkennt die Kirche Christi, daß nach dem Heilsgeheimnis Gottes die Anfänge ihres Glaubens und ihrer Erwählung sich schon bei den Patriarchen, bei Moses und den Propheten finden. Sie bekennt, daß alle Christgläubigen als Söhne Abrahams dem Glauben nach (6) in der Berufung dieses Patriarchen eingeschlossen sind und daß in dem Auszug des erwählten Volkes aus dem Lande der Knechtschaft das Heil der Kirche geheimnisvoll vorgebildet ist. Deshalb kann die Kirche auch nicht vergessen, daß sie durch jenes Volk, mit dem Gott aus unsagbarem Erbarmen den Alten Bund geschlossen hat, die Offenbarung des Alten Testamentes empfing und genährt wird von der Wurzel des guten Ölbaums, in den die Heiden als wilde Schößlinge eingepfropft sind (7). Denn die Kirche glaubt, daß Christus, unser Friede, Juden und Heiden durch das Kreuz versöhnt und beide in sich vereinigt hat (8). Die Kirche hat auch stets die Worte des Apostels Paulus vor Augen, der von seinen Stammverwandten sagt, daß „ihnen die Annahme an Sohnes Statt und die Herrlichkeit, der Bund und das Gesetz, der Gottesdienst und die Verheißungen gehören wie auch die Väter und daß aus ihnen Christus dem Fleische nach stammt“ (Röm 9,4-5), der Sohn der Jungfrau Maria. Auch hält sie sich gegenwärtig, daß aus dem jüdischen Volk die Apostel stammen, die Grundfesten und Säulen der Kirche, sowie die meisten jener ersten Jünger, die das Evangelium Christi der Welt verkündet haben. Wie die Schrift bezeugt, hat Jerusalem die Zeit seiner Heimsuchung nicht erkannt (9), und ein großer Teil der Juden hat das Evangelium nicht angenommen, ja nicht wenige haben sich seiner Ausbreitung widersetzt (10). Nichtsdestoweniger sind die Juden nach dem Zeugnis der Apostel immer noch von Gott geliebt um der Väter willen; sind doch seine Gnadengaben und seine Berufung unwiderruflich (11). Mit den Propheten und mit demselben Apostel erwartet die Kirche den Tag, der nur Gott bekannt ist, an dem alle Völker mit einer Stimme den Herrn anrufen und ihm "Schulter an Schulter dienen" (Soph 3,9) (12).
Da also das Christen und Juden gemeinsame geistliche Erbe so reich ist, will die Heilige Synode die gegenseitige Kenntnis und Achtung fördern, die vor allem die Frucht biblischer und theologischer Studien sowie des brüderlichen Gespräches ist.
Obgleich die jüdischen Obrigkeiten mit ihren Anhängern auf den Tod Christi gedrungen haben (13), kann man dennoch die Ereignisse seines Leidens weder allen damals lebenden Juden ohne Unterschied noch den heutigen Juden zur Last legen. Gewiß ist die Kirche das neue Volk Gottes, trotzdem darf man die Juden nicht als von Gott verworfen oder verflucht darstellen, als wäre dies aus der Heiligen Schrift zu folgern. Darum sollen alle dafür Sorge tragen, daß niemand in der Katechese oder bei der Predigt des Gotteswortes etwas lehre, das mit der evangelischen Wahrheit und dem Geiste Christi nicht im Einklang steht.
Im Bewußtsein des Erbes, das sie mit den Juden gemeinsam hat, beklagt die Kirche, die alle VerfoIgungen gegen irgendwelche Menschen verwirft, nicht aus politischen Gründen, sondern auf Antrieb der religiösen Liebe des Evangeliums alle Haßausbrüche, Verfolgungen und Manifestationen des Antisemitismus, die sich zu irgendeiner Zeit und von irgend jemandem gegen die Juden gerichtet haben. Auch hat ja Christus, wie die Kirche immer gelehrt hat und lehrt, in Freiheit, um der Sünden aller Menschen willen, sein Leiden und seinen Tod aus unendlicher Liebe auf sich genommen, damit alle das Heil erlangen. So ist es die Aufgabe der Predigt der Kirche, das Kreuz Christi als Zeichen der universalen Liebe Gottes und als Quelle aller Gnaden zu verkünden.
6) Vgl. Gal 3,7.
7) Vgl. Röm 11,17-24.
8) Vgl. Eph 2,14-16.
9) Vgl. Lk 19,44.
10) Vgl. Röm 11,28
11) Vgl. Röm 11,28-29; vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium: AAS 57 (1965) 20.
12) Vgl. Jes 66,23; Ps 65,4; Röm 11,11-32.
13) Vgl. Joh 19,6.
Papst Franziskus: römische Synagoge
Ansprache beim Besuch der römischen Synagoge am 17. Januar 2016
Liebe Brüder und Schwestern!
Ich freue mich, heute mit euch in dieser Großen Synagoge zu sein. Ich danke Herrn Dr. Di Segni, Frau Dr. Dureghello und Herrn Gattegna für ihre freundlichen Worte, und ich danke euch allen für den herzlichen Empfang. Danke! Toda rabba!
Bei diesem ersten Besuch, den ich als Bischof von Rom dieser Synagoge abstatte, ist es mir ein herzliches Anliegen, euch und allen jüdischen Gemeinden den brüderlichen Gruß der Ortskirche und der gesamten katholischen Kirche zu überbringen.
Unsere Beziehungen liegen mir sehr am Herzen. Schon in Buenos Aires pflegte ich in die Synagogen zu gehen, um den dort vereinten Gemeinden zu begegnen, die jüdischen Feste und Gedenktage aus der Nähe mitzuverfolgen und dem Herrn zu danken, der uns das Leben schenkt und auf den Wegen der Geschichte begleitet. Im Laufe der Zeit ist eine geistige Verbundenheit entstanden, die das Aufkeimen echter Freundschaften und auch das Unternehmen gemeinsamer Aktionen begünstigt hat. Im interreligiösen Dialog ist es wichtig, dass wir uns als Brüder und Schwestern vor unserem Schöpfer begegnen und Ihn lobpreisen, dass wir uns gegenseitig achten und wertschätzen und versuchen zusammenzuarbeiten. Speziell im jüdisch-christlichen Dialog gibt es eine einzigartige und ganz besondere Beziehung, die darin besteht, dass das Christentum jüdische Wurzeln hat: Juden und Christen müssen sich daher als Geschwister betrachten, vereint im Glauben an denselben Gott und mit einem reichen gemeinsamen geistigen Schatz (vgl. Erklärung Nostra aetate, 4), auf dem man aufbauen und eine gemeinsame Zukunft errichten kann.
Mit diesem Besuch folge ich dem Beispiel meiner Vorgänger. Papst Johannes Paul II. war vor dreißig Jahren hier, am 13. April 1986; Papst Benedikt XVI. war erst vor drei Jahren bei euch. Johannes Paul II. fand damals die schöne Bezeichnung „ältere Brüder“, und tatsächlich seid ihr unsere älteren Brüder und Schwestern im Glauben. Wir alle gehören einer einzigen Familie an, der Familie Gottes, der uns als sein Volk begleitet und beschützt. Zusammen sind wir als Juden und als Katholiken dazu berufen, Verantwortung zu tragen für diese Stadt, indem wir unseren Beitrag leisten, vor allem unseren geistigen Beitrag, und die Lösung der verschiedenen aktuellen Probleme fördern. Es ist mein Wunsch, dass die Nähe, die gegenseitige Kenntnis und Wertschätzung zwischen unseren beiden Glaubensgemeinden immer mehr wachsen mögen. Deshalb bin ich gerade heute, am 17. Januar, zu euch gekommen, weil die Italienische Bischofskonferenz heute den „Tag des Dialogs zwischen Katholiken und Juden“ feiert.
Erst vor Kurzem haben wir die 50 Jahre seit der Erklärung Nostra aetate des Zweiten Vatikanischen Konzils gefeiert; diese Erklärung hat den systematischen Dialog zwischen der katholischen Kirche und dem Judentum erst möglich gemacht. Am vergangenen 28. Oktober habe ich auch eine große Anzahl jüdischer Vertreter auf dem Petersplatz begrüßen können. Bei dieser Gelegenheit habe ich gesagt: „Besonders müssen wir Gott danken für den echten Wandel, den die Beziehung zwischen Christen und Juden in diesen 50 Jahren erfahren hat. Gleichgültigkeit und Gegnerschaft haben sich in Zusammenarbeit und Wohlwollen verwandelt. Von Feinden und Fremden sind wir zu Freunden und Brüdern geworden. Das Konzil hat durch die Erklärung Nostra aetate den Weg aufgezeigt: ‚Ja‘ zur Wiederentdeckung der jüdischen Wurzeln des Christentums; ‚Nein‘ zu jeder Form von Antisemitismus, Verurteilung jeder Beleidigung, Diskriminierung und Verfolgung, die daraus hervorgehen.“ Nostra aetate hat zum ersten Mal die Beziehung zwischen der katholischen Kirche und dem Judentum ausdrücklich auf eine theologische Basis gestellt. Natürlich sind damit nicht alle theologischen Fragen gelöst, die uns betreffen; aber es ist ein Anfang, der zu weiteren Überlegungen Mut macht. Zu diesem Thema hat die Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum ein neues Dokument veröffentlicht, das die theologischen Fragestellungen behandelt, die in den fünfzig Jahren seit der Veröffentlichung von Nostra aetate ins Blickfeld gerückt sind. Tatsächlich verdient die theologische Dimension des jüdisch-katholischen Dialogs eine immer größere Aufmerksamkeit. Ich ermutige alle die an diesem Dialog teilnehmen dazu, diesen Weg mit Besonnenheit weiter zu beschreiten. Gerade auf der theologischen Ebene wird das unzertrennliche Band offensichtlich, das Christen und Juden verbindet. Um sich selbst zu verstehen können die Christen gar nicht anders, als sich auf ihre jüdischen Wurzeln zu berufen, und die Kirche verkündet, als Teil ihres Bekenntnisses zur Erlösung durch den Glauben an Christus, die Unwiderruflichkeit des Alten Testaments und die bleibende treue Liebe Gottes zum Volk Israel.
Neben den theologischen Fragen dürfen wir auch die großen Herausforderungen unserer Zeit nicht aus den Augen verlieren. Die Herausforderung eines integralen Umweltschutzes ist längst vorrangig geworden, und als Christen und Juden können und müssen wir der gesamten Menschheit mitteilen, was die Bibel über die Pflege der Schöpfung zu sagen hat. Krieg, Gewalt und Ungerechtigkeit fügen der Menschheit tiefe Wunden zu und rufen uns auf, unsere Bemühungen für Frieden und Gerechtigkeit zu verstärken. Die Gewalt des Menschen gegen den Menschen steht im Widerspruch zu jeder Religion, die diesen Namen verdient, besonders auch zu jeder der drei großen monotheistischen Religionen. Das Leben ist heilig, denn es ist ein Geschenk Gottes. Das fünfte Gebot des Dekalogs lautet: „Du sollst nicht töten“ (Ex 20,13). Gott ist der Gott des Lebens; er will das Leben immer fördern und beschützen und wir, die wir nach seinem Bild geschaffen sind, sind verpflichtet, dasselbe zu tun. Jeder Mensch ist ein Geschöpf Gottes und deshalb unser Bruder, unabhängig von seiner Herkunft und seiner religiösen Zugehörigkeit. Man muss wohlwollend auf alle Menschen blicken; wie Gott es tut, der seine barmherzige Hand allen reicht, gleich welchen Glaubens und welcher Herkunft sie sind, und sich derer annimmt, die ihn am meisten brauchen: der Armen, Kranken, Ausgegrenzten, Hilflosen. Wo das Leben bedroht ist, sind wir ganz besonders dazu berufen, es zu schützen. Weder Gewalt noch Tod werden jemals vor Gott das letzte Wort haben, denn er ist der Gott der Liebe und des Lebens. Wir müssen inständig zu ihm beten, dass er uns helfe, in Europa, im Heiligen Land, im Nahen Osten, in Afrika und überall auf der Welt die Logik des Friedens, der Versöhnung, der Vergebung und des Lebens anzuwenden.
Das jüdische Volk hat im Laufe seiner Geschichte Gewalt und Verfolgung erleben müssen, bis hin zum Völkermord an den europäischen Juden in der Schoah. Sechs Millionen Menschen sind allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum jüdischen Volk der unmenschlichsten Gewalt zum Opfer gefallen; im Namen einer Ideologie, die Gott durch den Menschen ersetzen wollte. Am 16. Oktober 1943 wurden mehr als tausend Männer, Frauen und Kinder der jüdischen Gemeinde von Rom nach Auschwitz deportiert. Heute will ich mit ganzem Herzen an sie erinnern; besonders ihr Leid, ihre Verzweiflung, ihre Tränen dürfen nie vergessen werden. Aus der Vergangenheit müssen wir für die Gegenwart und die Zukunft lernen. Die Schoah lehrt uns, dass man immer wachsam bleiben muss, um rechtzeitig zum Schutz der Menschenwürde und des Friedens eingreifen zu können. Ich möchte jedem noch lebenden Zeugen der Schoah meine Nähe ausdrücken; ganz besonders will ich euch grüßen, die ihr heute hier anwesend seid.
Liebe ältere Brüder, wir müssen wirklich dankbar sein für alles, was im Laufe der letzten fünfzig Jahre verwirklicht werden konnte. Zwischen uns sind gegenseitiges Verständnis, wechselseitiges Vertrauen und Freundschaft entstanden und gewachsen. Lasst uns gemeinsam zum Herrn beten, dass er unseren Weg zu einer besseren Zukunft begleiten möge. Gott hat für uns Pläne des Heils, wie der Prophet Jeremia sagt: „Denn ich, ich kenne meine Pläne, die ich für euch habe – Spruch des Herrn -, Pläne des Heils und nicht des Unheils; denn ich will euch eine Zukunft und eine Hoffnung geben“ (Jer 29,11). Möge der Herr uns segnen und beschützen. Möge er sein Angesicht über uns leuchten lassen und uns seine Gnade schenken. Möge er sein Angesicht uns zuwenden und uns den Frieden schenken (vgl. Num 6,24-26). Schalom alechem!
Papst Franziskus: Vad Vashem
Ansprache beim Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem am 26. Mai 2014
„Adam, wo bist du?“ (vgl. Gen 3,9).
Wo bist du, o Mensch? Wohin bist du gekommen? An diesem Ort, der Gedenkstätte an die Shoah, hören wir diese Frage Gottes wieder erschallen: „Adam, wo bist du?“
In dieser Frage liegt der ganze Schmerz des Vaters, der seinen Sohn verloren hat. Der Vater kannte das Risiko der Freiheit; er wusste, dass der Sohn verlorengehen könnte … doch vielleicht konnte nicht einmal der Vater sich einen solchen Fall, einen solchen Abgrund vorstellen!
Jener Ruf „Wo bist du?“ tönt hier, angesichts der unermesslichen Tragödie des Holocaust wie eine Stimme, die sich in einem bodenlosen Abgrund verliert …
Mensch, wer bist du? Ich erkenne dich nicht mehr. Wer bist du, o Mensch? Wer bist du geworden? Zu welchem Gräuel bist du fähig gewesen? Was hat dich so tief fallen lassen? Es ist nicht die Erde vom Ackerboden, aus der du gemacht bist. Die Erde vom Ackerboden ist gut, ein Werk meiner Hände.
Es ist nicht der Lebensatem, den ich in deine Nase geblasen habe. Jener Atem kommt von mir, er ist sehr gut (vgl. Gen 2,7).
Nein, dieser Abgrund kann nicht allein dein Werk sein, ein Werk deiner Hände, deines Herzens …
Wer hat dich verdorben? Wer hat dich verunstaltet?
Wer hat dich angesteckt mit der Anmaßung, dich zum Herrn über Gut und Böse zu machen? Wer hat dich überzeugt, dass du Gott bist? Nicht nur gefoltert und getötet hast du deine Brüder, sondern du hast sie als Opfer dir selber dargebracht, denn du hast dich zum Gott erhoben.
Heute hören wir hier wieder die Stimme Gottes:
„Adam, wo bist du?“
Vom Boden erhebt sich ein leises Stöhnen: Erbarme dich unser, o Herr! Du Herr, unser Gott, bist im Recht; uns aber treibt es die Schamröte ins Gesicht, die Schande (vgl. Bar 1,15).
Ein Übel ist über uns gekommen, wie es unter dem ganzen Himmel noch nie geschehen ist (vgl. Bar 2,2).
Jetzt aber, o Herr, höre unser Gebet, erhöre unser Flehen, rette uns um deiner Barmherzigkeit willen. Errette uns aus dieser Ungeheuerlichkeit. Allmächtiger Herr, eine Seele in Ängsten schreit zu dir. Höre, Herr, erbarme dich! Wir haben gegen dich gesündigt. Du thronst in Ewigkeit (vgl. Bar 3,1–3).
Denk an uns in deiner Barmherzigkeit. Gib uns die Gnade, uns zu schämen für das, was zu tun wir als Menschen fähig gewesen sind, uns zu schämen für diesen äußersten Götzendienst, unser Fleisch, das du aus Lehm geformt und das du mit deinem Lebensatem belebt hast, verachtet und zerstört zu haben.
Niemals mehr, o Herr, niemals mehr!
„Adam, wo bist du?“
Da sind wir, Herr, mit der Scham über das, was der als dein Ab-bild und dir ähnlich erschaffene Mensch zu tun fähig gewesen ist. Denk an uns in deiner Barmherzigkeit.
(Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls, Nr. 197, S. 54f.)
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Papst Franziskus: Oberrabbinat von Jerusalem
Ansprache beim Höflichkeitsbesuch im Oberrabbinat von Jerusalem (Hechal-Shlomo-Center) in Jerusalem am 26. Mai 2014
Verehrte Großrabbiner von Israel, liebe Brüder und Schwestern,
es freut mich besonders, heute bei Ihnen sein zu können: Ich danke Ihnen für den herzlichen Empfang und für die freundlichen Worte, mit denen Sie mich willkommen geheißen haben.
Wie Sie wissen, habe ich seit der Zeit, in der ich Erzbischof von Buenos Aires war, auf die Freundschaft vieler jüdischer Brüder zählen können. Heute sind hier zwei Rabbiner, die meine Freunde sind. Gemeinsam mit ihnen haben wir fruchtbare Initiativen der Begegnung und des Dialogs organisiert, und mit ihnen habe ich auch bedeutsame Momente des Miteinanders auf geistlicher Ebene erlebt. In den ersten Monaten des Pontifikats habe ich verschiedene Organisationen und Vertreter der weltweiten jüdischen Gemeinschaft empfangen können. Wie bereits für meine Vorgänger, sind diese Bitten um eine Begegnung zahlreich. Sie kommen zu den vielen Initiativen hinzu, die auf nationaler oder lokaler Ebene stattfinden, und all das beweist den beiderseitigen Wunsch, einander besser kennenzulernen, anzuhören und Verbindungen echter Brüderlichkeit aufzubauen.
Dieser Weg der Freundschaft ist eine der Früchte des Zweiten Vatikanischen Konzils, besonders der Erklärung Nostra aetate, die von großer Bedeutung war und deren fünfzigsten Jahrestags
wir im kommenden Jahr gedenken. Tatsächlich bin ich überzeugt, dass alles, was in den letzten Jahrzehnten in den Beziehungen zwischen Juden und Katholiken geschehen ist, ein echtes Geschenk Gottes war, eines der von ihm vollbrachten Wunder; und wir sind berufen, dafür seinen Namen zu loben: „Dankt dem Herrn aller Herren, denn seine Huld währt ewig! Der allein große Wunder tut, denn seine Huld währt ewig“ (Ps 136,3–4).
Ein Geschenk Gottes, das aber nicht hätte offenbar werden können ohne den Einsatz sehr vieler mutiger und großherziger Menschen, Juden wie Christen. Ich möchte hier besonders die Bedeutung erwähnen, die der Dialog zwischen dem Großrabbinat von Israel und der Kommission des Heiligen Stuhls für die religiösen Beziehungen mit dem Judentum angenommen hat. Ein Dialog, der, angeregt durch den Besuch des heiligen Papstes Johannes Paul II. im Heiligen Land, im Jahr 2002 aufgenommen wurde und bereits sein zwölfjähriges Bestehen begeht. In Bezugnahme auf die Bar Mizwa der jüdischen Tradition gefällt mir der Gedanke, dass dieser Dialog dem Erwachsenenalter bereits sehr nahe ist: Ich bin zuversichtlich, dass er weitergehen kann und eine glänzende Zukunft vor sich hat.
Es geht nicht nur darum, auf einer menschlichen Ebene Beziehungen gegenseitiger Achtung zu pflegen: Als Christen und als Juden sind wir berufen, uns eingehend nach der geistlichen Bedeutung des Bandes zu fragen, das uns miteinander verknüpft. Es handelt sich um eine Verbindung, die von oben kommt, die über unseren Willen hinausgeht und die unversehrt bleibt, trotz aller Beziehungsschwierigkeiten, die es in der Geschichte leider gegeben hat.
Auf katholischer Seite besteht natürlich die Absicht, den Sinn der jüdischen Wurzeln des eigenen Glaubens voll in Betracht zu ziehen. Ich vertraue darauf, dass mit Ihrer Hilfe auch auf jüdischer Seite das Interesse für die Kenntnis des Christentums erhalten bleibt und wenn möglich zunimmt – speziell bei den jungen Generationen –, gerade in diesem gesegneten Land, in dem dieser Glaube seinen Ursprung erkennt.
Die gegenseitige Kenntnis unseres geistlichen Erbes, die Wertschätzung dessen, was wir gemeinsam haben, und die Achtung dessen, was uns trennt, können den Weg weisen für die zukünftige Weiterentwicklung unserer Beziehungen, die wir in Gottes Hand legen. Gemeinsam können wir einen wichtigen Beitrag für die Sache des Friedens leisten; gemeinsam können wir in einer in raschem Wandel begriffenen Welt die ewige Bedeutung des göttlichen Schöpfungsplans bezeugen; gemeinsam können wir entschieden jeder Form von Antisemitismus und den verschiedenen anderen Formen von Diskriminierung entgegentreten. Der Herr helfe uns, mit Zuversicht und Seelenstärke auf seinen Wegen zu gehen. Shalom!
(Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls, Nr. 197, S. 56-58.)
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Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium
24. November 2013
Nr. 247 – 249
247. Ein ganz besonderer Blick ist auf das jüdische Volk gerichtet, dessen Bund mit Gott niemals aufgehoben wurde, denn „unwiderruflich sind Gnade und Berufung, die Gott gewährt“ (Röm 11,29). Die Kirche, die mit dem Judentum einen wichtigen Teil der Heiligen Schrift gemeinsam hat, betrachtet das Volk des Bundes und seinen Glauben als eine heilige Wurzel der eigenen christlichen Identität (vgl. Röm 11,16–18). Als Christen können wir das Judentum nicht als eine fremde Religion ansehen, noch rechnen wir die Juden zu denen, die berufen sind, sich von den Götzen abzuwenden und sich zum wahren Gott zu bekehren (vgl. 1 Thess 1,9). Wir glauben gemeinsam mit ihnen an den einen Gott, der in der Geschichte handelt, und nehmen mit ihnen das gemeinsame offenbarte Wort an.
248. Der Dialog und die Freundschaft mit den Kindern Israels gehören zum Leben der Jünger Jesu. Die Zuneigung, die sich entwickelt hat, lässt uns die schrecklichen Verfolgungen, denen die Juden ausgesetzt waren und sind, aufrichtig und bitter bedauern, besonders, wenn Christen darin verwickelt waren und sind.
249. Gott wirkt weiterhin im Volk des Alten Bundes und lässt einen Weisheitsschatz entstehen, der aus der Begegnung mit dem göttlichen Wort entspringt. Darum ist es auch für die Kirche ei-ne Bereicherung, wenn sie die Werte des Judentums aufnimmt. Obwohl einige christliche Überzeugungen für das Judentum unannehmbar sind und die Kirche nicht darauf verzichten kann, Jesus als den Herrn und Messias zu verkünden, besteht eine reiche Komplementarität, die uns erlaubt, die Texte der hebräischen Bibel gemeinsam zu lesen und uns gegenseitig zu helfen, die Reichtümer des Wortes Gottes zu ergründen sowie viele ethische Überzeugungen und die gemeinsame Sorge um die Gerechtigkeit und die Entwicklung der Völker miteinander zu teilen.
(Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls, Nr. 194, S. 167f.)
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Lange WegeDokumente zur Versöhnungsarbeit der Katholischen Kirche in Deutschland. Arbeitshilfe Nr. 227. (Bonn 2009)
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Papst Benedikt XVI. in Yad VashemAnsprache von Papst Benedikt XVI. beim Besuch in Yad Vashem (Israel), 11. Mai 2009 (in: Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 185)
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Papst Benedikt XVI. in Auschwitz-BirkenauAnsprache von Papst Benedikt XVI. bei seinem Besuch der Gedenkstätte Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau, 28. Mai 2006.
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Vergebungsbitte Papst Johannes Paul II.Vergebungsbitte von Papst Johannes Paul II. am 12. März 2000.
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Internationale TheologenkommissionInternationale Theologenkommission, Erinnern und Versöhnen. Die Kirche und ihre Verfehlungen in der Vergangenheit, Kap. 5.4 (22. Februar 2000)
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Päpstliche KommissionPäpstliche Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum. Wir erinnern: eine Reflexion über die Shoah (16. März 1998)