| Pressemeldung | Nr. 041

Abschlusspressekonferenz der Frühjahrs-Vollversammlung 2023 der Deutschen Bischofskonferenz in Dresden

Pressebericht von Bischof Dr. Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz

Die Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz ist heute (2. März 2023) zu Ende gegangen. Seit Montag haben die (Erz-)Bischöfe über vielfältige Fragen und Aufgaben beraten.

Wir dokumentieren den Pressebericht zur Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz, den der Vorsitzende, Bischof Dr. Georg Bätzing, bei der Abschluss-Pressekonferenz am 2. März 2023 in Dresden vorgestellt hat sowie Anlage 1 „Bleiben Sie ausdauernd im Dienst an den Menschen!“ (Erklärung der deutschen Bischöfe zum Jahrestag des Angriffs auf die Ukraine). Der Pressebericht und die Erklärung sind untenstehend auch als PDF-Dateien verfügbar.

  1. Einleitung
  2. Eröffnungsgottesdienst
  3. Grußwort des Apostolischen Nuntius in Deutschland
  4. Ein Jahr nach Kriegsbeginn: zur aktuellen Lage in der Ukraine
  5. Ad-limina-Besuch der deutschen Bischöfe vom 14. bis 18. November 2022
  6. Bischofssynode in Rom und kontinentale Versammlung in Prag
  7. Synodaler Weg der katholischen Kirche in Deutschland
  8. Neustrukturierung des Themenfeldes „Sexueller Missbrauch und Gewalterfahrungen“
  9. Wissenschaftliches Projekt zur Aufarbeitung geistlichen Missbrauchs
  10. Missbrauch geistlicher Autorität – Arbeitshilfe
  11. Zur Debatte um § 218 StGB
  12. Suizidprävention und assistierter Suizid
  13. Zur aktuellen Klimadebatte
  14. XXXVIII. Weltjugendtag in Lissabon: 1. bis 6. August 2023
  15. Ökumenischer Bericht zur Religionsfreiheit von Christen weltweit
  16. Aktuelle Fragen von Flucht und Migration
  17. Madagaskar: soziale, politische und kirchliche Situation
  18. Internationales Bischofstreffen im Heiligen Land
  19. Interreligiöse Feierlichkeiten zum Jahrestag des Dokumentes über die Brüderlichkeit aller Menschen in Abu Dhabi
  20. Personalia


1.    Einleitung

2021 hatten die deutschen Bischöfe geplant, ihre Frühjahrs-Vollversammlung in Dresden durchzuführen. Die Corona-Pandemie machte uns einen Strich durch die Rechnung. Wir sind dankbar, dass wir jetzt – im zweiten Anlauf – hier sind und so auch ein wenig das Bistumsjubiläum „100 Jahre Errichtung des Bistums Dresden-Meißen“ nachfeiern konnten. Bei unserer Vollversammlung haben wir gespürt, dass es wichtig ist, auch in den Osten unseres Landes zu kommen. 2006 waren wir mit der Vollversammlung in Berlin und 1996 mit Schmochtitz zuletzt in Ostdeutschland.


2.    Eröffnungsgottesdienst

Beim Eröffnungsgottesdienst der Frühjahrs-Vollversammlung sind wir Bischöfe auf eindrucksvolle Weise von Vertreterinnen und Vertretern des Bistums Dresden-Meißen willkommen geheißen worden. Das hat uns sehr berührt – vor allem die sehr persönlichen Zeugnisse, die die Gastgeber uns zugesprochen haben. Sie konnten uns zeigen, was es für sie bedeutet, in der Diaspora katholisch zu sein.

In meiner Predigt habe ich diesen Gedanken des Katholisch-Seins aufgegriffen und von den Erfahrungen der kontinentalen Phase zur Vorbereitung der Weltsynode in Rom gesprochen. Dort konnten wir eine Vielfalt von Katholisch-Sein im europäischen Kontext kennenlernen. Dabei ist mir deutlich geworden: Katholisch sein ist immer auch katholisch werden. Denn es bedeutet, die Erfahrungen der Geschwister (nicht zuletzt auch der anderen christlichen Konfessionen) zu integrieren und als Ansporn zu nehmen, nach dem „Wir“ zu suchen, das wir als Glaubensgemeinschaft sind. Darin zeigt sich, das war mein weiterer Gedanke in der Predigt, Synodalität.

Mich ermutigt Synodalität, ich nehme es als wiederentdeckten Stil des Kirche-Seins wahr: Katholizität nicht als Standbild, sondern als gemeinsame Suchbewegung anzusehen. Zu dieser Suchbewegung – auch das war mir wichtig, deutlich zu machen – gehört der große Wunsch, dass Kirche für viele Menschen die Türen öffnet. In diesem Wunsch schwingt oft die bittere Erfahrung mit, wie sehr die Signale und Praxis der Exklusion Menschen zutiefst verletzt haben, die ihr Leben aus dem Glauben heraus und mit der Kirche zu gestalten gewillt sind, aber sich nicht willkommen wissen. Es war die demütige Einsicht zu spüren, dass dies nicht dem Willen Christi entspricht, und dass es der Bitte um Vergebung bedarf für die vielen Wunden, die eine hartherzige kirchliche Selbstbehauptung geschlagen hat.

 

3.    Grußwort des Apostolischen Nuntius in Deutschland

Der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Dr. Nikola Eterović, hat sich mit einem – bereits in der Öffentlichkeit vielbeachteten – Grußwort an die Vollversammlung gewendet. Wir sind dankbar für seine Wertschätzung, mit der die deutschen Bischöfe den Tod und das Begräbnis von Papst em. Benedikt XVI. begleitet haben. Auch der von ihm vorgenommene Rückblick auf den Ad-limina-Besuch der Bischöfe im November vergangenen Jahres war Thema. Ich versichere auch hier, dass wir die Worte des Apostolischen Nuntius zu Fragen der synodalen Struktur der Kirche wahr- und ernstgenommen haben. Gerade dazu gab es eine lebendige Aussprache. Wir begegnen diesen Worten des Apostolischen Nuntius mit Respekt, aber auch mit der Notwendigkeit, uns mit ihnen auseinanderzusetzen. Das bedeutet nicht ein einfaches Zu-den-Akten-Nehmen oder eine unmittelbare Umsetzung der Dinge, sondern wir brauchen das Gespräch. So verstehe ich das Wort des Apostolischen Nuntius und so verstehe ich auch meinen Brief an die Kardinäle Pietro Parolin, Marc Ouellet und Luis Ladaria als Antwort auf deren Schreiben vom 16. Januar 2023. Wir müssen und wir wollen im Gespräch mit Rom bleiben, das ist der ausdrückliche Wunsch der Deutschen Bischofskonferenz.


4.    Ein Jahr nach Kriegsbeginn: zur aktuellen Lage in der Ukraine

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und seine Folgen waren ein wichtiger Gegenstand der Beratungen der Vollversammlung. Ein Jahr nach Beginn des Großangriffs der Russischen Föderation auf die Ukraine haben die Bischöfe sich über die aktuelle Situation informiert und die friedensethische Orientierung der Kirche erneut bedacht.

Als Gast der Vollversammlung war Eva Maria Welskop-Deffaa, Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, anwesend. Sie hat einen Überblick über die katastrophale humanitäre Lage in den Kriegsgebieten gegeben und über die Hilfsmaßnahmen der Kirche berichtet. Caritas international, das Werk des Deutschen Caritasverbandes mit dem Mandat für Not- und Katastrophenhilfe, arbeitet in der Ukraine mit erfahrenen Partnerorganisationen zusammen, um dort die Lage der vom Krieg betroffenen Menschen zu verbessern. Wir sind dankbar, dass auch der deutsche Staat diese Programme unterstützt. Die Caritas ist eine führende Organisation auch bei der Begleitung der Flüchtlinge in Deutschland. Allen, die sich in diesem Feld engagieren, nicht zuletzt den Kirchengemeinden und den zehntausenden katholischen Freiwilligen, gilt ein tief empfundener Dank der deutschen Bischöfe. Die Helferinnen und Helfer zeigen unserer Gesellschaft das Bild einer Kirche, deren Leitbild die christliche Nächstenliebe ist.

An der Vollversammlung hat auch Prof. Dr. Myroslav Marynovych (Lviv/Lemberg, Ukraine) teilgenommen. Er erläuterte die Bedingungen für Frieden und Versöhnung in der Zukunft. Ein neues Miteinander der Völker setze voraus, dass Russland die eroberten Gebiete räume und die Verantwortlichen für Kriegsverbrechen zur Verantwortung gezogen werden. Darüber hinaus, so Professor Marynovych, könnten die Völker, die jetzt durch den Krieg getrennt sind, nur wieder zusammenfinden, wenn die russische Gesellschaft einen moralischen Neuanfang auf der Grundlage von Gewissensprüfung und Reue wage.

Vor einem Jahr, nur wenige Tage nach dem Überfall auf die Ukraine, hat die Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz eine öffentlich vielbeachtete Erklärung verabschiedet. Sie trägt den Titel Der Aggression widerstehen. Den Frieden gewinnen. Die Opfer unterstützen. An dieser Trias halten wir auch heute fest. Sie ist die Grundlage einer neuen Erklärung („Bleiben Sie ausdauernd im Dienst der Menschen!“), die wir Bischöfe zum Abschluss unserer Beratungen heute beschlossen haben, um auf die gesellschaftlichen und politischen Diskussionen der letzten Zeit im Sinne der katholischen Friedenslehre einzugehen.

  • Die Bischöfe erinnern daran, dass der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf der Basis der Charta der Vereinten Nationen das Recht der Ukraine auf Selbstverteidigung begründet. Auch die christliche Friedensethik bejaht dieses Recht. Wir bewundern die Entschlossenheit und Widerstandskraft der Ukrainer, die sie im Kampf für ihre Freiheit an den Tag legen. Wir stehen solidarisch an ihrer Seite.
  • Das Selbstverteidigungsrecht ist mit dem Recht anderer Staaten verbunden, dem Opfer der Aggression auch mit militärischen Maßnahmen zur Hilfe zu kommen. Auch wenn wir auf dieser Grundlage die Lieferung von Waffen an die Ukraine für legitim erachten, so steht für das internationale Recht und die Kirche doch außer Frage, dass auch Selbstverteidigung und Nothilfe bestimmten Bedingungen und Grenzen unterliegen. Das „Recht im Kriege“ muss Beachtung finden, was unter anderem bedeutet, dass die Zivilbevölkerung geschont wird und international geächtete Waffen nicht zum Einsatz kommen dürfen. Auch müssen die mit einer Lieferung von Rüstungsgütern einhergehenden Gefahren sorgfältig geprüft werden. Eskalationsszenarien sind soweit wie möglich auszuschließen; vor allem muss alles getan werden, damit ein regionaler Krieg nicht zum Weltkrieg und der Einsatz von Massenvernichtungswaffen nicht wahrscheinlich wird. Das Ringen der internationalen Staatengemeinschaft um geeignete militärische Unterstützung der Ukraine sollte deshalb nicht per se als falsche Zögerlichkeit denunziert werden, Sorgfalt und Bedachtsamkeit gehören zu einer verantwortlichen Entscheidungsfindung.
  • Als Kirche wissen wir, dass Krieg niemals aus sich heraus zum Frieden führt. Deshalb, so machen die Bischöfe in ihrer Erklärung deutlich, ist alles geboten, was einer totalen Verfeindung der Kriegsparteien entgegenwirkt. Dazu gehört auch und in besonderer Weise die Diplomatie. Es ist deshalb gut und richtig, dass die Gesprächskontakte zwischen Russland und der Ukraine und auch zwischen den westlichen Ländern und Russland in den zurückliegenden Monaten nie ganz zum Erliegen gekommen sind. Alle Spielräume für einen Dialog müssen genutzt werden. Aber: Die Ukraine darf nicht in Verhandlungen hineingedrängt werden, die angesichts der konkreten Umstände nicht auf einen gerechten Frieden, sondern auf Unterwerfung hinauslaufen würden.
  • Die Bischöfe wissen, dass die wirtschaftlichen Folgen der Sanktionen gegen Russland und der Hilfe für die Ukraine auch für viele Menschen in Deutschland – und gerade für die sozial schwächer Gestellten – eine starke Belastung darstellen. Auch die große Zahl der Flüchtlinge fällt hier ganz erheblich ins Gewicht. Umso dankbarer sind wir dem Großteil der Bevölkerung, der bereit ist, solidarisch mit den Menschen in der Ukraine diese Lasten mitzutragen.  


5.    Ad-limina-Besuch der deutschen Bischöfe vom 14. bis 18. November 2022

Wir haben während der Vollversammlung ausführlich den Ad-limina-Besuch vom 14. bis 18. November 2022 reflektiert. Dabei stand noch einmal der Rückblick auf die zahlreichen Begegnungen in den Dikasterien der Römischen Kurie auf der Tagesordnung, die Audienz bei Papst Franziskus und das interdikasterielle Treffen mit den Leitern der Kurienbehörden zu einigen Fragen des Synodalen Weges.

Die Gespräche mit den Dikasterien haben wir als gut, wenn auch unterschiedlich wahrgenommen. Es hat uns Bischöfe beeindruckt, wie intensiv die Kurienreform bereits Fuß gefasst hat, wie professionell sich einige Dikasterien vorbereitet haben und mit welchen inhaltlichen Perspektiven sie ihre Arbeit in den nächsten Jahren gestalten wollen. Dabei konnten wir erleben – auch das war einhellige Meinung in unserer Aussprache – wie intensiv über den Sinn von Synodalität in Rom diskutiert wurde. Besonders positiv haben wir wahrgenommen, dass in einigen Dikasterien eine gute und fruchtbare Zusammenarbeit von Bischöfen, Priestern und Laien – und zwar auf allen Ebenen – erkennbar ist.

Beim Ad-limina-Besuch sind alle Themen auf den Tisch gekommen. Vor allem war es die Frage, wie eine Evangelisierung in der Herausforderung eines säkularisierten Zeitalters gelingen kann. Es geht immer darum, im Hier und Jetzt die Botschaft zu entdecken und nicht nur auf das Gestern zu schauen. Dabei müssen wir stets mit dem Risiko einer – wie es Papst Franziskus sagt – „verbeulten Kirche“ rechnen. Dazu hat uns auch das Gespräch mit Papst Franziskus ermutigt. Auch da sind die unterschiedlichen Positionen in unserer Bischofskonferenz vorgebracht worden. Der Heilige Vater hat uns deutlich gemacht, dass Spannungen notwendig sind, unter welchen Spannungen er steht und dass zur Lösung Mut und Geduld notwendig sind. Wir haben in Rom hart in der Sache und verbindlich im Ton diskutiert und dabei erfahren, dass Dialog auf diese Weise gelingen kann.

Ein Wort noch zum interdikasteriellen Treffen, das auch für unsere weitere Arbeit beim Synodalen Weg von Bedeutung ist. Diese Begegnung war – wie es einer unserer Bischöfe ausdrückte – „der Ernstfall von Synodalität“: Hinhören, Abwägen und den anderen mit seiner Auffassung bestehen lassen. Es geht nicht um Deutungshoheit, sondern um die ehrliche Reflexion, wo wir als Kirche stehen und wie die Sichtweise des jeweils anderen ist. Ich bin dankbar, dass die Bedenken, die es in Rom gibt, offen vorgetragen wurden. Und ebenso dankbar bin ich, dass die Sorgen und Auffassungen aus unserer Bischofskonferenz – quer durch alle Themen – gehört wurden. Das interdikasterielle Treffen war für mich ein Zeichen, dass wir – trotz widersprechender Auffassungen – gemeinsam auf dem Weg bleiben. Deshalb hoffe ich, dass wir – bei allen Briefen, die in den zurückliegenden Wochen geschrieben wurden – diesen Weg im Gespräch weitergehen. Mir ist es ein großes Anliegen, möglichst bald mit den römischen Stellen den Dialog fortzusetzen – so wie wir es beim Ad-limina-Besuch vereinbart hatten.

Unsere Hinweise auf den Ad-limina-Besuch werden wir auf geeignete Weise nach Rom zurückmelden. Gerne verweise ich auch noch einmal auf das gemeinsame Kommuniqué zum Abschluss des Ad-limina-Besuchs, das der Heilige Stuhl und wir gemeinsam veröffentlicht haben.


6.    Bischofssynode in Rom und kontinentale Versammlung in Prag

Vom 5. bis 9. Februar 2023 hat in Prag die kontinentale Versammlung der Weltsynode stattgefunden, die im Oktober 2023 unter dem Leitwort „Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung“ stattfindet. Auf der Grundlage des vom römischen Synodensekretariats im Oktober 2022 veröffentlichten Dokuments „Mach den Raum deines Zeltes weit“ (Jes 54,2) – Arbeitsdokument für die kontinentale Etappe der Synode haben sich Delegierte von 39 Bischofskonferenzen aus Europa in Prag mit aktuellen Fragen auseinandergesetzt. Neben zehn online zugeschalteten Delegierten waren in Prag die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Dr. Irme Stetter-Karp, der Vizepräsident des ZdK, Prof. Dr. Thomas Söding, die Generalsekretärin der Deutschen Bischofskonferenz, Dr. Beate Gilles, und ich dabei.

Das Abschlussdokument, das im Plenum verlesen wurde, liegt leider noch nicht vor. In Prag haben wir den zweiseitigen Text „Kontinentalversammlung für Europa: Schlussbemerkungen“ veröffentlicht, in dem die Erfahrung des geistlichen Prozesses ins Wort gebracht wird, den die Teilnehmenden in den vier Tagen der Beratung erleben durften; deutlich werden auch die Vielfalt und die bestehenden Spannungen benannt. Am Ende werden acht zentrale Punkte formuliert, die in besonderer Weise in die weiteren Beratungen hineingetragen werden sollen. Neben diesen Punkten ist auch wichtig, welche Themen an dieser Stelle nicht genannt werden.

Wir haben die Konferenz in Prag als wichtigen und ermutigenden Schritt auf dem Weg zur Weltsynode in Rom (XVI. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode) erlebt. Dazu diente auch ein kurzer Austausch in der Vollversammlung, der vor allem von den Wahlen geprägt war, welche Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz an der Synode in Rom teilnehmen. Gewählt wurden (vorbehaltlich einer Bestätigung durch den Papst) der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Georg Bätzing, Bischof Dr. Bertram Meier (Augsburg) und Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck (Essen). Als Stellvertreter wurden Weihbischof Matthäus Karrer (Rottenburg-Stuttgart) und Weihbischof Dr. Stefan Zekorn (Münster) gewählt.


7.    Synodaler Weg der katholischen Kirche in Deutschland

Der Synodale Weg und die abschließende fünfte Synodalversammlung vom 9. bis 11. März 2023 in der kommenden Woche haben unsere Vollversammlung wesentlich mitgeprägt. Im Mittelpunkt stand ein Studientag am gestrigen Mittwoch, der ein intensives Gespräch über die weitere Entwicklung des Synodalen Weges war. Vor allem haben wir dabei eingehend über die Textvorlagen beraten, die bei der Synodalversammlung zur Beschlussfassung vorliegen werden. Den Hintergrund unserer Diskussionen bilden auch die kritischen Hinweise, die uns während unseres Ad-limina-Besuchs im vergangenen Herbst und in dem Brief der Kardinäle Pietro Parolin, Marc Ouellet und Luis Ladaria vom 16. Januar 2023 sowie den Hinweisen im Grußwort des Apostolischen Nuntius am Montag gegeben wurden.

Dabei steht für uns unsere Verantwortung im Vordergrund, den Synodalen Weg in guter Weise mit der fünften Synodalversammlung abschließen zu wollen. Die breite Mehrheit der Bischöfe steht hinter den Reformanliegen des Synodalen Weges und strebt nachhaltige Veränderungen an. Es geht dabei um eine Kirche, die den Menschen nahe ist, die Missbrauch, sexualisierte Gewalt und deren Vertuschung aufarbeitet, und die sich dafür einsetzt, Strukturen zu überwinden, die Missbrauch begünstigen. Zugleich werden wir auf dem weiteren Weg die Bedenken und Hinweise der vatikanischen Dikasterien ernst nehmen. Es geht uns ja um die eine Kirche, deren Teil wir sind. Es versteht sich eigentlich von selbst, dass das nicht immer ohne Spannungen, Meinungsverschiedenheiten und Kontroversen möglich ist. Und natürlich ist für uns klar, dass wir immer Teil der katholischen Weltkirche sind, weshalb ich Vorwürfe von außen an die Deutsche Bischofskonferenz, wir steuerten auf eine Nationalkirche zu oder würden Spaltung betreiben, erneut deutlich und entschieden zurückweise. In einigen Fragen, wie z. B. des Synodalen Rates, ist es auch ein Verständnisproblem, denn die Einordnung des Synodalen Rates kann noch gar nicht erfolgen, weil weder Struktur noch Aufgaben zum jetzigen Zeitpunkt genau und abschließend umrissen sind.

Wir haben im Gespräch dieses Studientages trotz der schwierigen Ausgangssituation zu einem ebenso offenen wie konstruktiven Miteinander gefunden. Intensiv haben wir dabei auf die Texte geschaut, für die besonders viele Bischöfe noch Gesprächs- und Abstimmungsbedarf angemeldet hatten. Ich hoffe sehr, dass wir durch das Ringen der vergangenen Tage Barrieren für die Zustimmungsfähigkeit der Texte abbauen konnten, gleichwohl sind dafür auch noch Änderungen notwendig, die wir als Anträge in die Beratungen in der nächsten Woche einbringen wollen. Für diese Synodalversammlung wird die Bischofskonferenz keine Nachnominierung jener vier Plätze vornehmen, die durch das Ausscheiden von vier Mitgliedern der Synodalversammlung vakant geworden sind.

Am Ende steht nicht die Frage, wer welchen Textpassus erfolgreich über die Hürden der Versammlung und ihrer Satzung gebracht hat. Entscheidend ist vielmehr, dass eine synodale Kirche ihre Strukturen und ihren Umgang mit Entscheidungsmacht partizipativ und transparent gestaltet. Das gilt auch für die Debatte um den Synodalen Rat und den Synodalen Ausschuss. Die Synodalversammlung hat im vergangenen Jahr diesbezüglich klar gezeigt, hier umsichtig vorzugehen. Der Synodale Ausschuss soll bis 2026 diesen Weg vorbereiten. Vor allem brauchen wir aber den Synodalen Ausschuss, um die Ergebnisse des Synodalen Weges mit seinen fünf Synodalversammlungen auszuwerten, an und mit diesen Ergebnissen weiterzuarbeiten und sie zu evaluieren.

Wichtig ist, dass wir als Kirche eine Beziehungs- und Sexualethik entwickeln, die Menschen hilfreiche Orientierung für ihr Leben anbieten kann. Wir konnten hier in Dresden durch ein eindrückliches Zeugnis eines jungen Menschen erleben, dass queere Menschen selbstverständlich Teil der Kirche sind – heute zum Glück ein sichtbarer Teil. Der Dienst des Priesters ist für unsere Kirche unverzichtbar und muss veränderte Rahmenbedingungen kirchlichen Lebens berücksichtigen. Nicht zuletzt ist es für die zukünftige Gestalt der Kirche unabdingbar, Frauen mehr Raum zu Mitgestaltung, Mitverantwortung und Entscheidung zu eröffnen. Diesen Anliegen waren und sind die vier Synodalforen verpflichtet.

Nach unserem Gespräch gehen wir zuversichtlich in die Synodalversammlung in der kommenden Woche, wo wir gemeinsam mit allen Synodalen hoffentlich gute Ergebnisse für die Kirche erzielen.


8.    Neustrukturierung des Themenfeldes „Sexueller Missbrauch und Gewalterfahrungen“

Bei der Herbst-Vollversammlung im vergangenen Jahr haben wir die Eckpunkte für eine Neustrukturierung des Themenfeldes „Sexueller Missbrauch und Gewalterfahrungen“ beschlossen. In Nachfolge von Bischof Dr. Stephan Ackermann sind damals Bischof Dr. Helmut Dieser (Aachen) und als Stellvertreter Erzbischof Stephan Burger (Freiburg) gewählt worden. Beide haben in den zurückliegenden Monaten viel an der Neustrukturierung gearbeitet, die jetzt von der Frühjahrs-Vollversammlung angenommen worden ist. Die beiden Bischöfe haben dazu gestern bereits auf einer eigenen Pressekonferenz informiert. Ich verweise auf die Statements der Pressekonferenz und das unter www.dbk.de verfügbare Konzept der Neustrukturierung, das die Dinge noch einmal zusammenfasst.

Mit diesem Konzept schaffen wir Leitplanken für die Vereinheitlichung, Bündelung und Weiterentwicklung unseres Handelns im Themenfeld „Sexueller Missbrauch und Gewalterfahrungen“. Das Konzept und die Verstetigung des Betroffenenbeirates bei der Deutschen Bischofskonferenz zeigen, dass für uns Bischöfe die konsequente Einbeziehung der Betroffenenperspektive und die Betroffenenbeteiligung unverzichtbar sind. Den Mitgliedern des Betroffenenbeirates bei der Deutschen Bischofskonferenz gilt unser besonderer Dank, dass sie von Anfang an in zahlreichen Gesprächen ihre Perspektive und Expertise eingebracht haben. Neben diesem engen Austausch gab es weitere Gespräche mit Akteuren auf diesem Feld.

Die Vollversammlung hat die weiteren Mitglieder der bischöflichen Fachgruppe gewählt, die Namen sind Ihnen gestern bekannt gemacht worden. Alle gewählten Bischöfe sind Mitglieder in Kommissionen unserer Bischofskonferenz, die für das Themenfeld relevant sind. Sie bringen ihre fachliche Expertise für das Thema Missbrauch mit in die Arbeit der bischöflichen Fachgruppe ein. Diese Besetzung zeigt die breite Verankerung und die Relevanz des Themas in unserer Bischofskonferenz.

Die bischöfliche Fachgruppe ist mit der zeitnahen Umsetzung der Neustrukturierung beauftragt. Bischof Dieser und Erzbischof Burger haben gestern bereits das Konzept näher erläutert. Ich wiederhole hier noch einmal die Grundzüge:

Ziel der Neustrukturierung ist es, den Schutz vor sexuellem Missbrauch und Gewalt effektiv und kontinuierlich zu verbessern. Dies bedeutet konkret:

  • eine Verstetigung, Bündelung und Weiterentwicklung der Regelwerke und Maßnahmen im Bereich sexueller Missbrauch und Gewalterfahrungen;
  • die Belange der Betroffenen und ihre Perspektive konsequent zu berücksichtigen und einzubeziehen;
  • die Einbindung externer Kompetenz und relevanter Akteure zu institutionalisieren;
  • mehr Qualität durch einheitliche und verbindliche Normen und Standards sowie eine kontinuierliche Qualitätssicherung und Weiterentwicklung zu ermöglichen.

Kernelement der beschlossenen Neustrukturierung ist ein Expertenrat, der durch eine Auswahlkommission ohne kirchliche Vertreter bestimmt werden soll. Zwei der bis zu zehn Mitglieder werden durch den Betroffenenbeirat bei der Deutschen Bischofskonferenz entsandt. Der Expertenrat etabliert ein zweiteiliges verbindliches Berichtswesen für die (Erz-)Diözesen. Auf Basis dieses Monitorings benennt der Expertenrat Entwicklungen sowie Verbesserungsbedarfe. Hierbei stehen die Qualitätssicherung, Standardisierung und Weiterentwicklung der bisherigen Maßnahmen und Prozesse im Mittelpunkt. Der Expertenrat erarbeitet Empfehlungen für die Deutsche Bischofskonferenz unter Einbeziehung der Expertise der diözesanen Praxis.

Der Betroffenenbeirat bei der Deutschen Bischofskonferenz bleibt als eigenständiges Gremium bestehen und vertritt seine Anliegen auch im Austausch mit der bischöflichen Fachgruppe. Zudem wird er künftig eine Jahrestagung zur Vernetzung der diözesanen Betroffenenbeiräte organisieren.

Die bischöfliche Fachgruppe ist die Vertretung der Deutschen Bischofskonferenz in den Themenbereichen von Kirche, Politik und Gesellschaft. Sie koordiniert Themen im Handlungsfeld Missbrauch und Gewalterfahrungen, nimmt die vom Expertenrat erarbeiteten Empfehlungen sowie die verschiedenen vorgesehenen Berichte entgegen, berät sie und legt die Empfehlungen den Gremien der Deutschen Bischofskonferenz vor.

Nach dieser Frühjahrs-Vollversammlung geht es jetzt an die Umsetzung. Ziel ist, ab dem 1. Januar 2024 in den neuen Strukturen zu arbeiten. Hierfür werden die Weichen gestellt. Damit kommen wir einen großen Schritt bei diesem anspruchsvollen Thema weiter. Diese Neustrukturierung macht deutlich: Wir arbeiten stetig und auf der Grundlage der bisherigen Erfahrungen weiter mit neuen überarbeiteten Strukturen.


9.    Wissenschaftliches Projekt zur Aufarbeitung geistlichen Missbrauchs

In diesem Frühjahr 2023 startet am Institut für katholische Theologie und ihre Didaktik der Universität Münster eine Grundsatzstudie zur Aufarbeitung geistlichen Missbrauchs im Kontext (neuer) Geistlicher Gemeinschaften. Ziel der Studie ist es, geistlichen Missbrauch, der zwar vielfach mit sexualisierter Gewalt einhergeht, aber unabhängig davon auch eigenständig ist, zu untersuchen. Dabei handelt es sich um ein umfangreiches empirisches und praktisch-theologisches Forschungsprojekt im deutschen Sprachraum. Die Studie wird einen Beitrag zur Begriffsklärung und zur Abgrenzung von anderen Formen des Missbrauchs leisten und sie wird Hinweise für Theologie und Seelsorge geben, um geistlichem Missbrauch vorzubeugen. In der Vollversammlung haben wir uns über das Projekt informieren lassen.

Konkreter Gegenstand der Untersuchung sind die deutschlandweit präsenten wie bistumsspezifischen Geistlichen Gemeinschaften im Bistum Münster und Osnabrück. Dabei handelt es sich um Gemeinschaften bzw. Betroffene aus Gemeinschaften, in denen geistlicher Missbrauch gesichert vorgekommen ist und in denen eine Begleitung Betroffener sichergestellt ist. Methodisch sind unter anderem Interviews mit Betroffenen sowie weitere Interviews mit ehemaligen und gegenwärtigen Verantwortlichen, mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen und sogenannten Wissensträgerinnen und Wissensträgern geplant.

Die Ausrichtung und Relevanz der Studie ist deutschlandweit. Aus forschungspraktischen Gründen wird die Studie an den Kontakten, Erfahrungen und bistumsübergreifenden Strukturen der beiden Bistümer Münster und Osnabrück anknüpfen. In beiden Bistümern wurden bereits Strukturen zur Aufarbeitung und Prävention von geistlichem Missbrauch aufgebaut, analog zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt. Die Projektleitung der Studie liegt bei Professorin Dr. Judith Könemann vom Institut für Religionspädagogik und Pastoraltheologie an der Universität Münster. Das Projekt wird von einem Beirat begleitet, in dem unterschiedliche Perspektiven aus der Wissenschaft und der christlichen Spiritualität vertreten sein sollen.

Die Studie wird finanziert von den Bistümern Münster und Osnabrück, der Kongregation der Franziskanerinnen vom hl. Märtyrer St. Georg und der Deutschen Bischofskonferenz.


10.    Missbrauch geistlicher Autorität – Arbeitshilfe

Wir haben eine Arbeitshilfe zum Umgang mit geistlichem Missbrauch unter dem Titel „Missbrauch geistlicher Autorität“ beraten und verabschiedet. Dabei geht es um ein Thema, mit dem vor allem die Pastoralkommission und die Kommission für Geistliche Berufe und Kirchliche Dienste seit einiger Zeit befasst sind. Im Erwachsenenbereich kam es in den vergangenen Jahren, zum Beispiel bei der Anlaufstelle „Gegen Gewalt an Frauen in Kirche“ der Arbeitsstelle für Frauenseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz, vermehrt zu Anzeigen von geistlichem Missbrauch, der im strengen Sinn ein Missbrauch geistlicher Autorität ist. Das ist dann der Fall, wenn Seelsorgerinnen und Seelsorger, geistliche Begleiterinnen und Begleiter, Ordensverantwortliche, Leiterinnen und Leiter von Geistlichen Gemeinschaften, Religionslehrerinnen und Religionslehrer die ihnen eigene oder ihnen zugeschriebene geistliche Autorität missbrauchen: Zum Beispiel in einem manipulativen Umgang mit der Bibel, der geistlichen Tradition der Kirche oder der Spiritualität einer Gemeinschaft, indem sie anderen die eigenen Werte oder Überzeugungen aufdrängen oder diese zu bestimmten Verhaltensweisen und Handlungen zwingen. Geschieht dies als massiver Übergriff auf das Gewissen und die spirituelle Mitte der betroffenen Personen und in einem oft Jahre andauernden Prozess der Manipulation, dann sind die psychischen und emotionalen Folgen, die bisweilen lebenslangen, tiefen Wunden eines solchen Missbrauchs – das machen Berichte von Betroffenen und wissenschaftliche Untersuchungen sehr deutlich – denen des sexuellen Missbrauchs durchaus vergleichbar. In einer Vielzahl von Fällen gehört der Missbrauch geistlicher Autorität zudem zum Kontext sexuellen Missbrauchs in der Kirche.

Dennoch ist die Aufarbeitung geistlichen Missbrauchs ein eigener, vom sexuellen Missbrauch zu unterscheidender Prozess. Anders als beim sexuellen Missbrauch hat es praktisch nie Eintragungen in die Personalakten Beschuldigter oder (mutmaßlicher) Täterinnen und Täter gegeben. Beim geistlichen Missbrauch waren die Betroffenen, die sich melden, in den (oft jahrlangen) Zeiträumen des Missbrauchs bereits erwachsen. Anders als beim Vorgehen gegen sexuellen Missbrauch gibt es beim geistlichen Missbrauch (wenn er nicht in Verbindung mit sexuellem Missbrauch oder anderen Straftaten geschah) keine Unterstützung durch Polizei und Staatsanwaltschaften, die mangels strafrechtlicher Grundlage nicht tätig werden können. Bisherige Erfahrungen in den Bistümern zeigen: Die Betroffenen möchten in erster Linie, dass ihre Erfahrungen als geistlicher Missbrauch mit den daraus folgenden Leiden benannt und anerkannt werden. In der Konsequenz geht es vor allem um Fragen der Pastoral und die Stärkung spiritueller Autonomie durch Seelsorge und geistliche Begleitung. Dazu Orientierungshilfen zu geben, wird die Aufgabe der beiden oben genannten Kommissionen sein, wenn diese die aktuelle Arbeitshilfen in drei Jahren evaluieren werden.

Bei der Erstellung der Arbeitshilfe hatten wir mit einer Spannung umzugehen, dass einerseits aus den Bistümern der dringende Bedarf nach Hilfen zur Klärung und zum Umgang mit geistlichem Missbrauch in der Seelsorge, in Orden und Geistlichen Gemeinschaften angemeldet wurde und dass andererseits im Bereich der Aufarbeitung des Missbrauchs geistlicher Autorität aktuell sehr viele Erfahrungen gesammelt werden und der Prozess der wissenschaftlichen Auswertung noch nicht abgeschlossen ist. In dieser Situation hat die Pastoralkommission vorgeschlagen, eine Arbeitshilfe zum aktuellen Wissensstand zu veröffentlichen, um den Bistümern die gewünschte Hilfestellung vor allem bei der Begriffsklärung und Feststellung von geistlichem Missbrauch zu geben. Zugleich soll diese Arbeitshilfe zum Missbrauch geistlicher Autorität nach drei Jahren, in der Frühjahrs-Vollversammlung 2026, überprüft und den aktuellen Entwicklungen in der Praxis und in der Wissenschaft angepasst werden. Die Arbeitshilfe wird in den nächsten Monaten erscheinen.


11.    Zur Debatte um § 218 StGB

Die Bundesregierung hat angekündigt, noch vor Ostern 2023 die im Koalitionsvertrag vereinbarte „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ einzusetzen. Diese soll unter anderem prüfen, ob § 218 StGB gestrichen und eine Regelung außerhalb des Strafrechts verfassungsrechtlich überhaupt möglich ist. Diese Kommission ist vor wenigen Tagen benannt worden.

Wir Bischöfe beobachten in der öffentlichen Diskussion um die Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch eine zunehmende Polarisierung und Zuspitzung auf beiden Seiten. Das dient weder dem Schutz des ungeborenen menschlichen Lebens noch hilft dies schwangeren Frauen. Es geht um einen differenzierten Blick auf alle, die von diesen existenziellen Fragen betroffen sind. Unser Dank gilt insbesondere den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den katholischen Schwangerschaftsberatungsstellen, die rund Hunderttausend Ratsuchende jedes Jahr unterstützen.

Die Gesellschaft und insbesondere die politischen Verantwortlichen stehen bei diesem sensiblen Thema in der Pflicht, sorgsam abzuwägen und die in § 218 StGB gefundene Regelung  nicht ohne triftigen Grund aufs Spiel zu setzen. Die von der Bundesregierung angekündigte Kommission ist daher gehalten, eine sehr sorgfältige Prüfung vorzunehmen. Sie sollte multidisziplinär zusammengesetzt sein und neben den rechtlichen und medizinischen auch die ethischen und psychosozialen Aspekte in ihre Prüfung einbeziehen. Auch wir werden uns weiter an der Debatte beteiligen.

Bei der Frage der gesetzlichen Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen treffen mehrere existenzielle Interessen aufeinander. Das Grundgesetz schützt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowohl Selbstbestimmung und Gesundheit der Frau als auch das ungeborene Kind als selbstständiges Rechtsgut. Dabei stellt das Bundesverfassungsgericht klar, dass zwischen ungeborenem und geborenem Leben kein Unterschied gemacht werden kann. Das ungeborene Leben „entwickelt sich nicht erst zum Menschen“, sondern es „entwickelt sich als Mensch“, so das Bundesverfassungsgericht.

Das ungeborene menschliche Leben kann nur mit der Mutter geschützt werden. Zugleich ist aber stets zu berücksichtigen: Ein Schwangerschaftsabbruch führt zum Tod des ungeborenen menschlichen Lebens. Bei der Diskussion um § 218 StGB dürfen wir schließlich nicht außer Acht lassen, dass bereits die aktuelle Regelung den Lebensschutz bei einer diagnostizierten Behinderung aus unserer Sicht nicht ausreichend erfüllt.

Mir ist es wichtig, an dieser Stelle hervorzuheben: Die Beratungspflicht schützt auch die Interessen der Frauen. Das gilt insbesondere für Frauen, die zum Beispiel von ihren Partnern oder dem familiären Umfeld unter Druck gesetzt werden, für Frauen in starken Ambivalenzen, für alle Frauen in vulnerablen Lebenslagen überhaupt. Die ergebnisoffene Pflichtberatung dient damit nicht nur dem legislativen Konzept zum Lebensschutz des Ungeborenen, sondern auch dem Schutz von Gesundheit und Sicherstellung einer selbstbestimmten Entscheidung der Frau.

Dass eine Streichung des § 218 StGB das verfassungsrechtlich garantierte Lebensrecht des ungeborenen Kindes in gleicher Weise oder besser schützen soll als die gegenwärtige Regelung, scheint mir nicht einsichtig zu sein. Der verfassungsrechtlich zu garantierende Lebensschutz macht es jedenfalls erforderlich, dass das Lebensrecht des ungeborenen Kindes im Bewusstsein der Menschen, der Gesellschaft und des Staates wachgehalten wird. Das Strafrecht dient dem Schutz der elementaren Rechtsgüter. Richtschnur für uns in der Debatte ist: Der verfassungsrechtlich gebotene Schutz des ungeborenen Lebens muss ebenso wie die Rechte der Frau sichergestellt sein.

Irritierend ist für mich, dass in der politischen Diskussion häufig der verkürzte Eindruck erweckt wird, bei einer ungewollten Schwangerschaft liege die Lösung einzig darin, einen Schwangerschaftsabbruch durchführen zu können. Mir erscheint es notwendig, in der Debatte auch nach den dahinterliegenden Gründen zu fragen, warum sich die einzelnen schwangeren Frauen ein Leben mit dem Kind nicht vorstellen können, und dann entsprechende Hilfen anzubieten und die Rahmenbedingungen zu verbessern. Wir stehen hier auch als Gesellschaft in der Verantwortung.


12.    Suizidprävention und assistierter Suizid

Die Positionierung der katholischen Kirche zur aktuell im Deutschen Bundestag laufenden Debatte zur Regulierung der Suizidassistenz und dem Antrag zur Stärkung und zum Ausbau der Suizidprävention ist in einer gemeinsamen Stellungnahme des Katholischen Büros in Berlin und des Deutschen Caritasverbandes öffentlich gemacht worden. Momentan warten wir darauf, welche Schlüsse die verschiedenen Abgeordnetengruppen bezüglich ihrer jeweiligen Entwürfe aus der Sachverständigenanhörung vom 28. November 2022 ziehen und wann die Gesetzesentwürfe in die abschließenden Verhandlungen in den Bundestag gehen werden. Bei der anstehenden Regulierung geht es nicht nur um Suizidassistenz für tod- und schwerkranke Menschen. Der Bundestag hat vielmehr ganz allgemein über den künftigen Umgang mit Suizidassistenz in Deutschland für Menschen in allen Altersgruppen und unabhängig davon, ob sie krank oder gesund sind, zu entscheiden.

Viele Abgeordnete sind noch unentschlossen. Wir brauchen eine gute und verantwortlich geführte Debatte. Eine gut austarierte Regulierung der Suizidassistenz schützt Leben und die Autonomie des Einzelnen. Ein prozedurales Schutzkonzept, das das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber zu regeln nahelegt, muss die Balance von Autonomie und Verantwortung, von Freiheit und Fürsorge, von Individualität und einem Leben in Beziehung so wahren, wie es für ein humanes Zusammenleben erforderlich ist. Es muss daher auch der Tendenz entgegenwirken, dass sich der assistierte Suizid als selbstverständliche Form der Lebensbeendigung durchsetzt. Vor dem Hintergrund der anstehenden Herausforderungen (Zunahme von Krisen, steigende Belastung öffentlicher Haushalte, Situation des Gesundheits- und Pflegesystems und einer alternden Gesellschaft) kommt es darauf an, welche Signale der Gesetzgeber mit der Neuregelung des assistierten Suizids und der Verabschiedung eines legislativen Schutzkonzeptes sendet. Es muss ein gemeinsames Anliegen einer solidarischen und humanen Gesellschaft sein, eine Kultur der Lebensbejahung und gegenseitigen Fürsorge zu erhalten. Wir sehen die Gefahr, dass der soziale Druck insbesondere auf ältere Menschen und andere pflegebedürftige vulnerable Personengruppen in der Gesellschaft steigt, den anderen nicht zur Last zu fallen. Umso wichtiger ist ein dem Leben zugewandtes Gesamtklima, hinwendende Fürsorge, eine gute Pflege und eine umsichtige Suizidprävention.

Vor diesem Hintergrund sollte eine gesetzliche Regelung der Suizidassistenz beachten: Die Umsetzung eines Suizidwillens ist eine irreversible Handlung. Die verbindliche Feststellung der Freiverantwortlichkeit ist fachlich gesehen eine anspruchsvolle Aufgabe, die keinesfalls ohne die erforderliche fachärztliche bzw. psychotherapeutische Fachkompetenz festgestellt werden sollte.

Die in allen Vorschlägen vorgesehene Einführung einer Beratungspflicht begrüßen wir ausdrücklich. Wichtig ist allerdings, dass sie im allgemeinen Regelsystem verortet bleibt – wie es der Entwurf Castellucci/Heveling vorsieht – und nicht eine spezielle Beratungsinfrastruktur aufgebaut wird. Ansonsten besteht die große Gefahr einer Engführung der Beratung auf einen vorgesehenen Verfahrensschritt auf dem Weg zur Durchführung der Suizidassistenz. Bleibt die Beratung hingegen im allgemeinen Regelsystem gewährleistet, ist sie schon dadurch strukturell offener gestaltet, niedrigschwellig zugänglich und weitet den Blick über das Beratungsanliegen „Suizid/Suizidassistenz“ hinaus auf mögliche Ursachen des Suizidwunsches und deren lebensweltliche Einbettung. Sie bietet bessere Rahmenbedingungen, um Vertrauen auch in andere Lösungswege oder Hilfestellungen zu entwickeln, vorhandene Vernetzungsstrukturen zu nutzen und diese auszubauen und einen multiprofessionellen Ansatz zu verfolgen. Diese Rahmenbedingungen sind nach unserer Erfahrung wichtig für eine Beratung von Menschen in Krisensituationen mit Suizidwunsch.

Im Gesundheits- und Sozialwesen müssen Orte geschaffen werden können, in denen Bewohnerinnen und Bewohner, die in einer Einrichtung Tür an Tür leben, nicht in Situationen gebracht werden, ungewollt mit Suizidassistenz konfrontiert zu werden oder sich auch nur näher damit befassen zu müssen. Hierzu bedarf es einer klarstellenden gesetzlichen Regelung, die es den Trägern und Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens ermöglicht, auch solche Orte rechtssicher anzubieten. Wir möchten die Vertreterinnen und Vertreter aller Entwürfe ausdrücklich ermutigen, eine solche Regelung aufzunehmen. Die Gewährleistung solcher Orte im Gesundheits- und Sozialwesen ist ein wichtiger Baustein, damit sich der assistierte Suizid in der Gesellschaft nicht als „normale“ und sozial verträgliche Form der Lebensbeendigung durchsetzt. Sie macht zudem deutlich, dass Menschen, die Suizidassistenz als Option für sich ausschließen, sich auch darauf verlassen können, dass ihr Wille respektiert wird und sie sich stationären Einrichtungen anvertrauen können, ohne in ihrem unmittelbaren Wohnumfeld mit Suizidassistenz und ihrer Durchführung konfrontiert zu werden. Sie trägt auch den Grundsätzen der Wahlfreiheit und des Trägerpluralismus Rechnung, die im Sozial- und Gesundheitsrecht der Bundesrepublik Deutschland verankert sind.

Ich danke an dieser Stelle allen Einrichtungen, haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unserer Einrichtungen, besonders der Caritas und der Telefonseelsorge, die sich mit diesem Thema befassen und Angebote machen, die wesentlich zur Suizidprävention in unserem Land beitragen.


13.    Zur aktuellen Klimadebatte

Die Deutsche Bischofskonferenz verfolgt die aktuelle Klimadebatte aufmerksam. Es ist gut, dass sich auch viele Katholikinnen und Katholiken am weltweiten Klimastreik der Fridays-for-Future-Bewegung am 3. März 2023 beteiligen und nachdrücklich für ambitionierten Klima- und Umweltschutz einstehen. Auch für uns Bischöfe steht außer Frage, dass die heutigen Wirtschafts- und Konsummuster nicht nachhaltig sind und zu sehr auf Kosten von Mensch und Umwelt gehen. Gottes gute Schöpfung ist bedroht – durch den Menschen. Es braucht einen konsequenten Wandel, der sich sowohl in den politischen und wirtschaftlichen Strukturen als auch in den individuellen Lebensstilen niederschlägt. Dabei sind auch ökonomische und soziale Aspekte zu berücksichtigen. Leiten sollte uns der Blick in die Zukunft. Wir müssen als Gesellschaft die Frage beantworten: Wie können Schöpfung und Mensch in Einklang miteinander leben, auch mit Blick auf künftige Generationen?

Dabei sollten Ideologien und Partikularismus in den Hintergrund treten. Die starke Polarisierung, die sich etwa bei der Räumung des Weilers Lützerath zu Jahresbeginn oder bei den Aktionen der sogenannten „Letzten Generation“ und genauso bei den Reaktionen darauf zeigt, besorgt uns. Der gesellschaftliche Zusammenhalt darf nicht aufs Spiel gesetzt werden. Wir mahnen zu einer gewaltfreien und sachlichen, an Gemeinwohl und globaler Gerechtigkeit orientierten Debatte und zu einer Perspektive, die mit Vertrauen und Zuversicht in die Zukunft blickt. Dazu gehört die Bereitschaft, anzupacken und das Nötige zu tun, um die Schöpfung zu bewahren. Das gilt für Institutionen – und vor allem auch für die katholische Kirche – ebenso wie für jede und jeden Einzelnen. Die Fastenzeit mag uns Anlass sein, uns auf das Wesentliche zu besinnen und wieder neu eine Haltung der Solidarität, der Demut und der Mäßigung einzunehmen.


14.    XXXVIII. Weltjugendtag in Lissabon: 1. bis 6. August 2023

In der Vollversammlung haben wir einen Sachstandsbericht zu den Vorbereitungen des XXXVIII. Weltjugendtags vom 1. bis 6. August 2023 in Lissabon durch den Vorsitzenden der Jugendkommission, Weihbischof Johannes Wübbe (Osnabrück), entgegengenommen. Der Weltjugendtag steht unter dem Leitwort „Maria stand auf und machte sich eilig auf den Weg“ (Lk 1,39). Eine Million junge Menschen aus aller Welt, darunter etwa 7.000 aus Deutschland, werden sich auf den Weg machen, um gemeinsam ihren Glauben zu feiern, Weltkirche zu erleben und ein Land voller Gastfreundschaft zu entdecken. Bereits jetzt haben sich 400.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer weltweit registriert.

Neben dem Leitwort wird das wichtige Thema der Nachhaltigkeit eine besondere Rolle spielen. So wird in der Vorbereitung darauf geachtet, den ökologischen Fußabdruck, der durch die Veranstaltungen des Weltjugendtags entsteht, möglichst klein zu halten und beispielsweise mithilfe der Global Tree Initiative (GTI) Bäume zur Kompensation zu pflanzen. Auch viele junge Menschen aus Deutschland sind sich ihrer Verantwortung bewusst und nehmen eine mehrtätige und beschwerliche Busfahrt auf sich, um nicht mit dem Flugzeug anreisen zu müssen. Einige haben lokale Saubermach-Aktionen gestartet, um zu einem nachhaltigen Konsumverhalten und Müllvermeidung anzuregen. Das International Youth Hearing des BDKJ (Bund der Deutschen Katholischen Jugend) während des Weltjugendtags (2. August 2023) wird sich entsprechend mit dem Thema der Klimagerechtigkeit auseinandersetzen. Außerdem setzt der Weltjugendtag darüber hinaus in dieser von Kriegen und Krisen gezeichneten und verzerrten Zeit ein gerade auch für die jungen Menschen wichtiges Zeichen des Friedens und der offenen Verständigung zwischen den Nationen.

Für deutsche Pilgerinnen und Pilger wird es von der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz (afj) und dem Zentrum für Berufungspastoral der Deutschen Bischofskonferenz (ZfB) neben dem umfangreichen Programm erstmalig „Dein Pilgerzentrum“ geben, eine Anlaufstelle, an der neben praktischen Informationen, Erholung, geistlichen Impulsen und Handy-Auflade-Stationen auch die Möglichkeit zum Gespräch zur persönlichen Weiterentwicklung geboten wird. Die Erfahrung zeigt, dass gerade auf Veranstaltungen wie dem Weltjugendtag viele existenzielle Fragen nach der eigenen Lebensgestaltung, der Berufung, aufkommen und hier eine konkrete Begleitung gern angenommen wird. Anmeldungen zum Weltjugendtag sind noch bis zum 25. Juni 2023 möglich. Weitere Informationen sind zu finden unter www.wjt.de und auf der internationalen Internetseite www.lisboa2023.org.


15.    Ökumenischer Bericht zur Religionsfreiheit von Christen weltweit

Die Deutsche Bischofskonferenz hatte im Jahr 2020 gemeinsam mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) eine Arbeitsgruppe beauftragt, einen dritten ökumenischen Bericht zur Lage der Religionsfreiheit von Christen weltweit zu erstellen. Die Arbeitsgruppe besteht aus Wissenschaftlern und Referenten unserer Hilfswerke sowie Mitarbeitern des Sekretariats der Deutschen Bischofskonferenz und des Kirchenamts der EKD. Nachdem bereits der Rat der EKD einen Entwurf des Berichts diskutieren konnte, hat der Vorsitzende der Kommission Weltkirche, Bischof Dr. Bertram Meier (Augsburg), nun unserer Vollversammlung den Bericht vorgestellt. Darin werden verschiedene Aspekte des Menschenrechts auf Religionsfreiheit anhand inhaltlicher Fragestellungen erörtert. In exemplarischer Weise wird außerdem die kritische Lage von Christinnen und Christen in einer Reihe von Ländern behandelt. Wir werden diesen Bericht gemeinsam mit der Evangelischen Kirche in Deutschland im Sommer 2023 der Öffentlichkeit bekannt machen.


16.    Aktuelle Fragen von Flucht und Migration

Auch bei dieser Vollversammlung haben uns Fragen von Flucht und Migration beschäftigt. In Vertretung des Vorsitzenden der Migrationskommission und Sonderbeauftragten für Flüchtlingsfragen, Erzbischof Dr. Stefan Heße (Hamburg), hat Weihbischof Dr. Dominicus Meier OSB (Paderborn) als stellvertretender Kommissionsvorsitzender einen Überblick über aktuelle Themen und Aktivitäten der kirchlichen Flüchtlingshilfe gegeben.

Der Angriffskrieg gegen die Ukraine, der in Europa die größte Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst hat, prägt dieses Arbeitsfeld derzeit in besonderer Weise. Wir dürfen aber nicht vergessen: Neben einer Million ukrainischer Flüchtlinge haben im vergangenen Jahr auch über 200.000 Menschen aus anderen Staaten in Deutschland Schutz gesucht, vor allem Geflüchtete aus Syrien, Afghanistan, der Türkei und dem Irak.

Genaue Zahlen zur kirchlichen Flüchtlingshilfe 2022 wird die Deutsche Bischofskonferenz beim nächsten Katholischen Flüchtlingsgipfel am 15. Juni veröffentlichen. Schon heute lässt sich sagen: Die Bistümer, katholischen Hilfswerke und weitere kirchliche Organisationen stellen sich der herausfordernden Situation mit großem Engagement. Sie können dabei auch auf die Erfahrungen und Netzwerke aus den Jahren 2015/2016 zurückgreifen. Zusätzlich zur Unterbringung und Versorgung setzt sich die Kirche dafür ein, dass Schutzsuchenden von Anfang an gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht wird und dass die Anliegen besonders vulnerabler Gruppen Berücksichtigung finden. Das Engagement von Zehntausenden Ehrenamtlichen ist dabei unverzichtbar. Wir Bischöfe sind dankbar, dass sich nach wie vor so viele Menschen im Raum der Kirche für Geflüchtete engagieren. Auch künftig wollen wir unserer Verantwortung gegenüber schutzsuchenden Menschen gerecht werden.

Das Leitbild, an dem wir uns dabei orientieren, haben die Kirchen in Deutschland 2021 in ihrem Gemeinsamen Wort Migration menschenwürdig gestalten beschrieben. Im November 2022 hatte Erzbischof Heße die Gelegenheit, das Migrationswort vor Vertretern der EU-Institutionen in Brüssel vorzustellen. Lassen Sie mich – auch angesichts des jüngsten Bootsunglücks und der generell schwierigen Lage von Schutzsuchenden an den EU-Außengrenzen – noch einmal betonen: Nicht Abschottung und Push-backs, sondern Solidarität und Menschenrechte müssen die Grundlage eines gemeinsamen europäischen Handelns sein. Es geht dabei um eine faire Verantwortungsteilung zwischen den EU-Staaten, hohe Aufnahme- und Verfahrensstandards, eine wirksame Seenotrettung und sichere Zugangswege. Keine Grenze rechtfertigt die Missachtung der Menschenwürde.

Die Kirchen wollen – zusammen mit Staat und Zivilgesellschaft – auch ganz konkret einen Beitrag dazu leisten, dass Flüchtlinge gefahrlos nach Deutschland gelangen können. Die Vollversammlung hat daher erneut ihre Aufmerksamkeit auf das humanitäre Aufnahmeprogramm „Neustart im Team“ (NesT) gerichtet. Dank der tatkräftigen Unterstützung durch ehrenamtliche Mentoring-Gruppen werden mit diesem Programm zusätzliche Resettlement-Plätze für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge geschaffen. Es handelt sich um ein vergleichsweise kleines Programm, das aber eine wichtige Signalwirkung entfalten kann: Wenn Schutzsuchende auf sicherem Wege einreisen und vom ersten Tag an persönliche Wertschätzung erfahren, gelingt auch die Integration besser. Bereits in der Pilotphase (2019 – 2022) haben einige Bistümer NesT unterstützt: sei es durch die Finanzierung der Miete, Hilfe bei der Wohnraumsuche, Begleitung von Mentoren oder Vernetzung mit örtlichen Flüchtlingsinitiativen. Aufgrund der Corona-Pandemie waren es keine einfachen Startbedingungen. Nun, da das Programm mit verbesserten Konditionen verstetigt wurde, ist es Zeit für einen „Neustart des Neustarts“. Wir möchten die Gemeinden und kirchlichen Gruppen dazu ermutigen, sich an diesem zukunftsweisenden Aufnahmeprogramm zu beteiligen.


17.    Madagaskar: soziale, politische und kirchliche Situation

Wie bei unseren Frühjahrs-Vollversammlungen üblich, konnten wir Gäste aus der Weltkirche begrüßen, die zur Eröffnung der Fastenaktion von Misereor in Deutschland angereist sind. Diese Begegnungen sind wichtig, damit wir den Blick für unser Handeln – auch international – stets weiten. Aus Madagaskar konnten wir Kardinal Désiré Tsarahazana (Vorsitzender der madagassischen Bischofskonferenz, Toamasina) und Bischof Gabriel Randrianantenaina (Tsiroanomandidy) begrüßen.
Von den 27 Millionen Einwohnern Madagaskars sind ca. 4,7 Millionen Katholiken. 18 Prozent der Bevölkerung sind Protestanten, sieben Prozent Muslime und 52 Prozent gehören zum indigenen Glauben (Animismus und Ahnenkult). Die überproportionale Bedeutung der Kirche zeigt sich im Bildungssektor: Sie trägt Alphabetisierungsprogramme, ein Netz von Grundschulen und weiterführenden Schulen und ist in der beruflichen Bildung und im Hochschulbereich (Katholisches Institut) aktiv. Daneben leistet sie im Gesundheitswesen wertvolle Dienste. Neben dem praktischen Engagement scheut die Kirche auch nicht das politische Wort. Regelmäßig äußert sich die Bischofskonferenz zu gesellschaftlichen Fragen. Vor allem seit 2007 begleitet sie die Entwicklung des Landes mit kritischen Verlautbarungen und ermutigt Gläubige und Bevölkerung, Verantwortung für Veränderungen wahrzunehmen. Mit Einrichtungen wie „Foi et Justice“ (Glaube und Gerechtigkeit) und durch Veröffentlichungen trägt die Kirche zur Bewusstseinsbildung bei und vermittelt Informationen in die Öffentlichkeit.

Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist in Madagaskar seit Erlangung der Unabhängigkeit nahezu konstant rückläufig und liegt heute bis zu 50 Prozent niedriger als 1960. Madagaskar hat ohne Krieg, Bürgerkrieg oder Intervention von außen einen sozialen und ökonomischen Niedergang erlebt, der sonst nur aus gescheiterten Staaten bekannt ist. Eine dominante Rentenökonomie, das heißt die Ausbeutung der Bodenschätze und ihr Export, perpetuiert die Unterentwicklung des Landes. Diejenigen Kräfte, die über politische und wirtschaftliche Macht verfügen, haben kein Interesse an einer ökonomischen Transformation. Heiratsgebote oder -verbote sowie der erschwerte Zugang zu Land für die Ärmsten tragen zur sozialen Reproduktion von Armut bei. Als Ausdruck einer patriarchalischen Tradition stellt die madagassische Kultur den Mann an die Spitze des Haushalts und macht männliche Kinder zu den alleinigen Verwahrern des von den Vorfahren geerbten Landes, das traditionell nicht geteilt und noch weniger an einen Dritten abgetreten werden kann.

Auch Naturkatastrophen und Hungerkrisen vor allem in den südlichen Regionen des Inselstaates behindern den Aufbau. 2021 wurde der Süden Madagaskars von einer extremen Dürre heimgesucht. In der Folge standen mehr als eine Million Menschen am Rand einer Hungersnot. Familien wanderten in andere Regionen ab, um dem Hunger zu entfliehen. Im Bereich der Gesundheitsarbeit ist Madagaskar ein Sonderfall, weil es besonders in ländlichen Gebieten immer wieder zu Ausbrüchen der Pest kommt. Hier kümmern sich vor allem die kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um die Betroffenen. Unser Respekt gilt allen, die sich hier in der Kirche vor Ort, aber auch durch unsere Hilfswerke in Madagaskar für die Ärmsten der Armen einsetzen.


18.    Internationales Bischofstreffen im Heiligen Land

Vom 14. bis 19. Januar 2023 fand das 23. Internationale Bischofstreffen zur Solidarität mit den Christen im Heiligen Land statt. 15 Bischofskonferenzen, darunter 13 katholische (Erz-)Bischöfe aus Nordamerika und Europa, waren dazu in Jordanien zusammengekommen. Für die Deutsche Bischofskonferenz nahm der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Naher und Mittlerer Osten der Kommission Weltkirche, Weihbischof Dr. Udo Bentz (Mainz), teil, der uns über die Begegnungen informiert hat.

In diesem Jahr standen die Christen und heiligen Stätten im Königreich Jordanien im Mittelpunkt der Reise. Es gehört gemeinsam mit Zypern zum Territorium der Diözese des Lateinischen Patriarchen von Jerusalem und ist Teil des Heiligen Landes. In den Begegnungen haben die Gesprächspartner die große Bedeutung von biblischen Orten für ihre christliche Identität hervorgehoben. Zudem wurde von den Vertretern der Regierung betont, dass diese Orte von großen Teilen der gesamten (mehrheitlich muslimischen) Bevölkerung als gemeinsamer Schatz anerkannt werden.

Die Christen in Jordanien umfassen etwa drei Prozent der Bevölkerung. Ihr Status ist trotz der kleinen Anzahl nicht prekär, sie können weitgehend ihr Leben als anerkannte Staatsbürger gestalten. Die politische Stabilität des Landes wird von der großen Mehrheit auf das kluge Agieren des Königshauses zurückgeführt. Angesichts der Krisen und Bürgerkriege in den Nachbarländern wird dies als eine herausragende Leistung verstanden. Besonders für die Christen ist die politische und gesellschaftliche Stabilität von höchster Bedeutung. Darüber hinaus haben Staat und Kirche das gemeinsame Interesse, christliche Pilger für ihr Land zu interessieren.

Im sozialen Bereich engagiert sich die Kirche vor allem in der Flüchtlingsarbeit. Dazu hat die Delegation zahlreiche Projekte besucht. Aus den Nachbarländern Irak und Syrien ist der Zustrom in den vergangenen Jahren, vor allem seit 2012, sehr stark gewesen. Die jordanische Regierung schätzt, dass sich ca. 1,4 Millionen syrische Flüchtlinge im Land aufhalten. Außerdem geht man von 200.000 bis 300.000 Irakern im Land aus, deren Zahl vor allem mit dem Vordringen der Terrororganisation „Islamischer Staat“ seit 2014 angestiegen ist. Am stärksten sind die ohne Rechtsstatus im Land lebenden Iraker auf Unterstützung angewiesen. Im Gespräch mit dem UNHCR wurde betont, wie wichtig der Beitrag der katholischen Ortskirche und ihrer Organisationen für die Versorgung und Begleitung der Geflüchteten ist.


19.    Interreligiöse Feierlichkeiten zum Jahrestag des Dokumentes über die Brüderlichkeit aller Menschen in Abu Dhabi

Der Vorsitzende der Kommission Weltkirche und der Unterkommission für den Interreligiösen Dialog der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Bertram Meier (Augsburg), hat uns einen Bericht seiner Reise vom 3. bis 7. Februar 2023 in die Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Abu Dhabi, gegeben. Den Anlass bildeten interreligiöse Feierlichkeiten rund um den Internationalen Tag der Geschwisterlichkeit (4. Februar), der an das historische Treffen zwischen Papst Franziskus und Großimam Ahmad al-Tayyib (Scheich der ägyptischen Azhar) erinnert. Bei ihrer Begegnung am 4. Februar 2019 in Abu Dhabi haben der Papst und der Großimam das Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt unterzeichnet („Abu-Dhabi-Dokument“). Der Text enthält eine theologische Grundlegung der Geschwisterlichkeit aller Menschen, wendet sich gegen Gewalt im Namen Gottes und ruft die Religionen dazu auf, sich für Frieden, Freiheit, Bürgerrechte, die Bewahrung der Schöpfung sowie den Schutz der Rechte von Frauen, Kindern und besonders vulnerablen Gruppen einzusetzen. Religiöser und kultureller Pluralismus werden dabei als Ausdruck des göttlichen Willens aufgefasst.

Zur Umsetzung der im Abu-Dhabi-Dokument genannten Ziele wurde ein „Hohes Komitee für menschliche Geschwisterlichkeit“ gegründet, dem namhafte christliche, jüdische und muslimische Vertreter angehören. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat am 21. Dezember 2020 beschlossen, dass der 4. Februar künftig jedes Jahr als Internationaler Tag der Geschwisterlichkeit aller Menschen begangen werden soll.

Einer der Höhepunkte der Reise war der internationale „Tolerance and Human Fraternity Summit“. Unter dem Leitthema „Lasst uns Brücken bauen“ hielt Bischof Meier eine von drei Eröffnungsreden. Darin erinnerte er an existenzielle Herausforderungen der Menschheit, zu deren Bewältigung multilaterale und dialogorientierte Strategien gebraucht werden. Die Entwicklung der katholischen Kirche und des christlichen Lebens auf der arabischen Halbinsel war Gegenstand von Gesprächen unter anderem mit dem Apostolischen Vikar des Apostolischen Vikariats Südliches Arabien, Bischof Paolo Martinelli OFMCap. Insgesamt wird die Zahl der Katholiken auf der Arabischen Halbinsel auf rund 3,5 Millionen geschätzt. Die Lage der Religionsfreiheit unterscheidet sich von Land zu Land sehr deutlich. Allerdings lassen sich – mit Ausnahme des bürgerkriegsgeplagten Jemens – überall Tendenzen der Verbesserung feststellen, selbst im bislang überaus restriktiven Saudi-Arabien. Der Anteil der Christen an der Gesamtbevölkerung der VAE wird (je nach Quelle) mit neun bis zwölf Prozent angegeben; der katholischen Kirche gehören etwa 800.000 Gläubige an, wobei es sich zum überwiegenden Teil um Arbeitsmigranten aus Asien (vor allem aus Indien und von den Philippinen) handelt. In den VAE genießen die Christen eine weitgehende Kultusfreiheit, die allerdings nicht mit Religionsfreiheit im westlichen Sinne gleichgesetzt werden kann. Während in den vergangenen Jahren neue Kirchen sowie weitere kirchliche Einrichtungen eröffnet wurden und sich insgesamt ein reges katholisches Leben entwickelt hat, bleibt etwa die Gründung eines Caritasverbandes untersagt. Im Hintergrund steht auch die generelle Skepsis des Staates gegenüber nicht staatlichen Hilfsorganisationen.


20.    Personalia

  • Bischof Heinrich Timmerevers (Dresden-Meißen) wird Vorsitzender der Kommission für Erziehung und Schule.
  • Weihbischof Thomas Maria Renz (Rottenburg-Stuttgart) wird stellvertretender Vorsitzender der Kommission für Erziehung und Schule.
  • Weihbischof Dr. Dominikus Schwaderlapp (Köln) wird Mitglied der Unterkommission für Entwicklungsfragen (insbesondere Misereor).
  • Weihbischof Josef Holzkotte (Paderborn) wird als weiteres Mitglied der Deutschen Bischofskonferenz in die Gemeinsame Konferenz mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken entsandt.
  • Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck (Essen) wird als Delegierter zur Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Union (ComECE) entsandt.
  • Bischof Dr. Michael Gerber (Fulda), Bischof Dr. Franz Jung (Würzburg), Bischof Dr. Peter Kohlgraf (Mainz), Bischof Dr. Stefan Oster SDB (Passau) und Bischof Heinrich Timmerevers (Dresden-Meißen) werden Mitglieder der bischöflichen Fachgruppe für Fragen des sexuellen Missbrauchs und von Gewalterfahrungen. Bereits im Herbst vergangenen Jahres wurden Bischof Dr. Helmut Dieser (Aachen, Vorsitzender) und Erzbischof Stephan Burger (Freiburg, stellvertretender Vorsitzender) gewählt.

 

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