| Pressemeldung | Nr. 155

Abschlusspressekonferenz der Herbst-Vollversammlung 2023 der Deutschen Bischofskonferenz in Wiesbaden-Naurod

Pressebericht von Bischof Dr. Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz

Die Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz ist heute (28. September 2023) zu Ende gegangen. Seit Montag haben die (Erz-)Bischöfe über vielfältige Fragen und Aufgaben beraten.

Wir dokumentieren den Pressebericht zur Herst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz, den der Vorsitzende, Bischof Dr. Georg Bätzing, bei der Abschluss-Pressekonferenz am 28. September 2023 in Wiesbaden-Naurod vorgestellt hat. Der Pressebericht ist untenstehend auch als PDF-Datei verfügbar.
 

  1. Einleitung
  2. Eröffnungsgottesdienst
  3. Grußwort des Apostolischen Nuntius in Deutschland
  4. Synodaler Weg: Reflexion und Weiterarbeit
  5. Weltsynode Rom – Instrumentum laboris und Vorbereitungen
  6. Aufklärung und Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche
  7. Heiliges Jahr 2025: „Pilger der Hoffnung“
  8. 37. Weltjugendtag vom 1.–6. August 2023 in Lissabon
  9. Hochgebet der Messfeier in Leichter Sprache
  10. Rahmenordnung für die Priesterausbildung
  11. Assistierter Suizid
  12. Umgang mit extremistischen Positionen
  13. Aktuelle Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik
  14. Internationale Konfliktherde
    Zur Bedrohung der Christen in Berg-Karabach
    Zur Lage in der Ukraine
    Zur Lage in Nicaragua
  15. Aktuelle Fragen zu Flucht und Migration
  16. 50 Jahre Maximilian-Kolbe-Werk
  17. Personalia
     

1.    Einleitung

Nach 1988 ist die Deutsche Bischofskonferenz zum zweiten Mal in Wiesbaden-Naurod zu ihrer Vollversammlung zusammengekommen. Das ist etwas unüblich im Herbst, wo wir sonst immer in Fulda am Grab des hl. Bonifatius sind. Aufgrund von Renovierungsarbeiten im Priesterseminar mussten wir diesmal hierher ins Bistum Limburg ausweichen. Ich freue mich, dass ich auf diese Weise auch Gastgeber sein konnte. Wir sind dankbar für die Gäste aus dem europäischen Ausland. Für uns war es wichtig, dass wir für Bischof Didier Berthet, Bischof von Saint-Dié, in Frankreich gebetet haben, der – wie schon in den Jahren zuvor – zu uns hätte kommen sollen, aber am 8. September 2023 verstorben ist.


2.    Eröffnungsgottesdienst

In meiner Predigt beim Eröffnungsgottesdienst der Vollversammlung am vergangenen Montag (25. September 2023) habe ich von Baustellen gesprochen, die wir allerorten – auch in der Kirche – sehen. In einem weiteren Gedanken war es mir wichtig zu betonen, dass jeder Mensch Gottes Heiligtum in dieser Welt ist. Dabei konnte ich einige Themen andeuten, mit denen wir uns auch bei unseren Beratungen auseinandergesetzt haben und die ich nachher noch ausführen werde.

Weil der Mensch Gottes Heiligtum ist, melden wir uns in den Debatten um eine staatliche Gesetzgebung zum assistierten Suizid und um eine geplante Änderung der gesetzlichen Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch. Deshalb fordern wir in beiden Fällen eine ausgeglichene Balance zwischen der Selbstbestimmung und dem Lebensschutz, die durch unsere Verfassung der gesellschaftlichen Sorge überantwortet sind. Menschen am Ende des Lebens dürfen nicht aus wirtschaftlichen, gesellschaftlichen oder ideologischen Gründen unter Druck geraten, ihrem Leben ein Ende zu setzen; stattdessen muss die nötige Gesetzgebung Schutzräume des Lebens ermöglichen und Palliativmedizin, Hospizarbeit und Suizidprävention deutlicher fördern. Jeder Mensch ist vom ersten bis zum letzten Augenblick in seiner Würde unantastbar, keine „Verfügungsmasse“ von irgendwem oder irgendwas – jeder Mensch ist Gottes Heiligtum. Das gilt ebenso für die Menschen, die aus Not und Angst um ihr Leben an den Grenzen der Europäischen Union stranden – wenn sie es überhaupt auf all den gefährlichen Wegen bis dahin schaffen – und um Asyl bitten. Die Tatsache, dass jeder Mensch Gottes Heiligtum ist, muss – das habe ich versucht zu verdeutlichen – auch in der Kirche selbst stärkere Resonanz finden. Die Verpflichtung zu Betroffenenorientierung und Missbrauchsaufarbeitung gründet unmittelbar darin sowie der stärker werdende Ruf nach echter Geschlechtergerechtigkeit und Beteiligung auf allen Ebenen und in allen Entscheidungsprozessen. Wir können nicht nach außen fordern und fördern, was innerhalb der Kirche selbst so wenig konkret gelebt wird; das schwächt die kritische Kraft des Evangeliums und macht uns unglaubwürdig. An diesen, unseren Baustellen werden wir auch weiterhin arbeiten müssen.


3.    Grußwort des Apostolischen Nuntius in Deutschland

Der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Dr. Nikola Eterović, hat wie üblich ein Grußwort an die Vollversammlung gerichtet. Seine Ausführungen befassten sich mit Gender-Fragen und den Rechten von Eltern in der Erziehung. Er geht dabei von der Schöpfungsgeschichte, wie sie im Buch Genesis aufgerufen wird, aus. Die dort grundgelegte anthropologische Konzeption der Bipolarität des Menschen finde ihre vielfache Bekräftigung in den lehramtlichen Verlautbarungen. Dagegen würden durch eine „ideologische Kolonisierung“ andere Menschen- und Beziehungsbilder vermittelt und die Natur des Menschen werde nicht mehr als Gabe Gottes gesehen, sondern als manipulierbar. In der Gender-Ideologie werde die menschliche Identität von Mann und Frau als frei gestaltbar und veränderbar angesehen. Sowohl die „ideologische Kolonisierung“ als auch die Gender-Ideologie seien abzulehnen. Insbesondere Kinder und Jugendliche müsse man davor schützen, so der Apostolische Nuntius. Diese Überzeugungen auch an die eigenen Kinder weiterzugeben, sei ein Aspekt der Religions- und Glaubensfreiheit, die das Recht auf Erziehung der Kinder bei den Eltern verorte, einschließlich der Vermittlung religiös inspirierter Menschenbilder. Dies dürfe nicht eingeschränkt oder einem Zwang unterworfen werden.

In einer Aussprache haben wir darauf hingewiesen, dass sowohl neue Erkenntnisse der Biowissenschaften als auch soziale Erkenntnisse in die bisher dominierenden klassischen Perspektiven zu integrieren seien, um Menschen heute erreichen zu können. Außerdem haben wir zurückgemeldet, dass die harten Sprachbilder nicht geeignet seien, um in einer sich verändernden Mitwelt gesprächsfähig zu bleiben. In diesem Sinn hatten sich die Bischöfe in der Synodalversammlung erklärt.


4.    Synodaler Weg: Reflexion und Weiterarbeit

In einem eigenen ausführlichen Studientag hat sich die Vollversammlung mit einer Reflexion über den Prozess des Synodalen Weges befasst. Der Wunsch, den Verlauf und die Methode eingehender zu betrachten, wurde mehrfach in den zurückliegenden Monaten geäußert. Unsere Vollversammlung war die erste Zusammenkunft nach der fünften Synodalversammlung vom 9. bis 11. März 2023. Wir haben den Schweizer Jesuiten, P. Dr. Christian Rutishauser, gebeten, diesen Tag zu gestalten. In diesem – auch geistlichen – Reflexionsprozess ging es noch einmal um das Gesamt des Synodalen Weges. Dabei fanden folgende Aspekte eine vertiefte Betrachtung: Inhalte und methodisches Vorgehen beim Synodalen Weg; Synodaler Weg und synodaler Prozess der Weltkirche; als Bischof Mitglied des Synodalen Weges; die Bischofskonferenz und der Synodale Weg; Gesamtdeutung des Synodalen Weges. Mit unserem Studientag ging es uns also um eine Klärung der Verantwortung und Erfahrung als Bischöfe auf dem Synodalen Weg, um die Wahrnehmung der Verantwortung als Bischofskonferenz, das Mitwirken in der Synodalversammlung und in den Synodalforen.

In der Reflexion haben wir versucht, ein vertieftes Verständnis darüber zu gewinnen, wie die Deutsche Bischofskonferenz gemeinsam Verantwortung für die weitere Gestaltung des Synodalen Weges übernehmen kann. Außerdem haben wir uns darüber ausgetauscht, welche Aspekte und Themen des Synodalen Weges bis zur Synodalversammlung 2026 weitere Bearbeitung erfordern. Wir hatten eine sehr ehrliche und inhaltsreiche Debatte, auch in einer Form der geistlichen Reflexion. Dabei konnten viele Aspekte dieses gemeinsamen Lernwegs angesprochen werden. Sie werden Verständnis haben, dass ich hier keine weiteren Details nennen kann.

Lassen Sie mich noch einmal insgesamt festhalten: Mit der fünften Synodalversammlung wurde eine erste Etappe des Synodalen Weges beendet. In der öffentlichen Wahrnehmung wurden sowohl die gemeinsamen Beratungen und Entscheidungen in den spannungsreichen Debatten als auch die intensiven Diskussionen zu zentralen Themen und strittigen Fragen sowie die Bereitschaft zu Reformen im Respekt vor Tradition und Lehre überwiegend positiv bewertet. Der gemeinsame Abschluss der fünften Synodalversammlung wurde als große Leistung anerkannt und das Zusammenbleiben aller Synodalen als Erfolg gewürdigt. Gemäß Art. 13 der Satzung des Synodalen Weges wird die Synodalversammlung unter Leitung des Synodalpräsidiums in drei Jahren zur Evaluation der Umsetzung der Beschlüsse des Synodalen Weges erneut zusammentreten. Die Präsidentin und der Präsident des Synodalen Weges haben den Heiligen Vater über die erreichte Wegmarke in einem Brief informiert, der unter www.synodalerweg.de verfügbar ist. Alle Beschlüsse sowie die Texte, die zur Endabstimmung vorgelegt wurden, sind auf der Internetseite des Synodalen Weges verfügbar. Eine Gesamtausgabe der Texte liegt vor, ebenso die Übersetzungen aller Texte in mehrere Sprachen.

Die Beschlüsse des Synodalen Weges werden in der jetzt beginnenden Phase weiter bearbeitet und sollen, wie in der Satzung des Synodalen Weges grundgelegt, soweit möglich implementiert werden. In der Gemeinsamen Konferenz der Deutschen Bischofskonferenz und des Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) am 30. Juni 2023 wurde vereinbart, dass gemeinsame Arbeitsgruppen durch die Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken einzurichten sind, insoweit es die beschlossenen Handlungstexte vorsehen: Der Zölibat der Priester – Bestärkung und Öffnung, Segensfeiern für Paare, die sich lieben, Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt, Frauen in sakramentalen Ämtern – Perspektiven für das weltkirchliche Gespräch und Einbeziehung der Gläubigen in die Bestellung des Diözesanbischofs. Für alle übrigen beschlossenen Themen, die konkret in den Handlungstexten und allgemeiner formuliert in den Grundtexten zu finden sind, ist eine Umsetzung auf den unterschiedlichen Ebenen der katholischen Kirche in Deutschland gefordert. Hier sind neben der Bischofskonferenz mit ihren Kommissionen und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken mit seinen Sachbereichen vor allem auch die Diözesanbischöfe, die Diözesanräte, die Verbände, die Pfarrgemeinden und alle weiteren Handelnden in der katholischen Kirche aufgerufen, die jeweils sie betreffenden Beschlüsse wahrzunehmen und auf ihre konkrete Situation hin zu adaptieren. Die in den Beschlüssen angesprochenen Kommissionen der Deutschen Bischofskonferenz haben die Arbeit dazu bereits aufgenommen. Die Erfahrungen und Ergebnisse der Weiterarbeit sollen in die Beratungen der Weltsynode von Oktober 2023 bis Oktober 2024 eingebracht werden, wie es während der kontinentalen Phase der Weltsynode schon erfolgt ist.

Mit dem Handlungstext Synodalität nachhaltig stärken wurde die Einrichtung eines Synodalen Ausschusses beschlossen. Dieser Synodale Ausschuss, der sich eine Satzung gibt, soll bis spätestens 2026 die Einrichtung eines Synodalen Rates vorbereiten. Er soll außerdem die Evaluation der Beschlüsse der Synodalversammlung vorbereiten und die Initiativen weiterentwickeln, die bisher auf dem Synodalen Weg zwar beraten worden sind, zu denen aber keine Beschlüsse mehr gefasst wurden. Schließlich soll er eine Verständigung über den Begriff der Synodalität als Grundvollzug der Kirche suchen. Durch die Römische Kurie wurde die Einrichtung des Ausschusses nicht infrage gestellt.

Die Fragestellungen, die hinsichtlich der Einordnung eines Synodalen Rates in das Gesamtgefüge unter Berücksichtigung der sakramentalen Struktur der Kirche zu bedenken sind, müssen von den Bischöfen in die Beratung im Synodalen Ausschuss eingebracht werden. Der Synodale Ausschuss, der wie der Synodale Weg insgesamt gemeinsam von der Deutschen Bischofskonferenz und dem ZdK getragen wird, kommt – wie angekündigt – vom 10. bis 11. November 2023 in Essen zu seiner ersten Sitzung zusammen.

In der Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands am 20. Juni 2023 konnte kein einstimmiger Beschluss gefasst werden über die Freigabe der erforderlichen Mittel für die Weiterarbeit des Synodalen Ausschusses. Daher beraten mehrere (Erz-)Bistümer derzeit über die Gründung eines Rechtsträgers, über den die 23 Bistümer, die dies im Ständigen Rat im Juni 2023 zugesagt haben, die Finanzmittel zur Arbeit des Synodalen Ausschusses bis 2026 abwickeln können.


5.    Weltsynode Rom – Instrumentum laboris und Vorbereitungen

Wir haben Sie über die Planungen zur Weltsynode (XVI. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode zum Thema „Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung“) vom 4. bis 29. Oktober 2023 am gestrigen Mittwoch (27. September 2023) in einem eigenen Pressegespräch informiert. In unserer Reflexion im Kreis der Bischöfe war noch einmal eine genauere Auseinandersetzung mit den wesentlichen Inhalten des Vorbereitungstextes Instrumentum laboris notwendig, weil dieses erst im Frühsommer 2023 veröffentlicht worden ist.

In das Instrumentum laboris sind die Berichte aus den Bischofskonferenzen weltweit sowie die Abschlussdokumente der sieben Kontinentalversammlungen eingegangen, die zu Beginn dieses Jahres stattgefunden haben. Dabei betont das Generalsekretariat ausdrücklich, dass dieses Instrumentum laboris nicht in der bisher üblichen Weise als Textvorlage für die Synode dienen soll, die dann lediglich noch diskutiert und gegebenenfalls überarbeitet wird. Es soll ein offenes Klima des miteinander Beratens sein.

Im Text wird zunächst ein positives Resümee des bisherigen Prozesses gezogen. Die weltweiten Beratungen haben zu einer großen Dynamik geführt, die ihrerseits das zentrale Anliegen des Synodalen Weges unterstreichen und befördern: die Stärkung der Synodalität in der katholischen Kirche. Diese Idee einer synodaleren Kirche hat weltweit großen Anklang gefunden. Dabei wurde deutlich: Es gibt in der Kirche einen Reichtum an verschiedenen Verstehens- und Herangehensweisen, es gibt unterschiedliche Diskussionsstände und unterschiedliche ortskirchliche Spezifika, aber es gibt auch eine Vielzahl von Fragestellungen, Anliegen und Problemen, die in nahezu allen Ortskirchen auf je eigene Weise geteilt werden. Dabei steht für die Weltsynode zunächst einmal die Frage im Zentrum, wie es gelingen kann, einen fruchtbaren Austausch und eine förderliche Kommunikation über diese Fragen, Anliegen und Sichtweisen zu entfalten: Wie kann Synodalität gelingen? Allerdings wird es dann sicher auch um die Themen gehen müssen, die den Menschen in der Kirche auf den Nägeln brennen, etwa die Fragen nach der stärkeren Beteiligung der Frauen, der Zukunft des Priesterberufs, des an die Gemeinschaft rückgebundenen Umgangs mit Autorität oder der Weiterentwicklung der Sexuallehre.

In beiden Hinsichten – gelingende Synodalität und konkrete Fragestellungen – haben wir die große Hoffnung, dass wir sowohl unsere Erfahrungen in das universalkirchliche Gespräch einbringen als auch von den Erfahrungen anderer Teile der Kirche lernen können.

Die Teilnehmer aus Deutschland sind: Bischof Dr. Georg Bätzing, Bischof Dr. Felix Genn, Bischof Dr. Bertram Meier, Bischof Dr. Stefan Oster und Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck. Außerdem ist der Hauptgeschäftsführer des Osteuropa-Hilfswerkes Renovabis, Prof. Dr. Thomas Schwartz, zur Teilnahme eingeladen. Die theologische Expertise wird durch Prof. Dr. Thomas Söding (Bochum) und die seit vielen Jahrzehnten in Deutschland lehrende Prof. Dr. Myrjam Wijlens (Erfurt) ergänzt.


6.    Aufklärung und Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche

Anerkennungsverfahren

Das Landgericht Köln hat mit seinem Urteil (vom 13. Juni 2023, bestätigt am 26. Juli 2023) und der zugesprochenen Summe in Höhe von 300.000 Euro eine Wegmarke gesetzt. Als Reaktion hierauf hat der Betroffenenbeirat bei der Deutschen Bischofskonferenz den Bischöfen einen Vorschlag auf sehr grundlegende Änderungen des Anerkennungsverfahrens vorgelegt.

Die wichtigsten Anliegen des Betroffenenbeirates sind: erstens der Wunsch, dass an die Stelle der bisherigen individuellen Anerkennungsprüfung künftig die Einordnung in drei tatorientierte Grundpauschalen durch die Unabhängige Kommission zur Anerkennung des Leids (UKA) erfolgt. Zweitens – so der Betroffenenbeirat – soll Betroffenen ein individuelles Prüfverfahren nach Zugang des Grundpauschalenbescheids offenstehen. Drittens schlägt der Beirat vor, das im Frühjahr 2023 nach längeren Gesprächen mit der UKA und dem Betroffenenbeirat eingeführte Widerspruchsverfahren zu verändern und einen Rechtsbeistand für das Anerkennungsverfahren zu finanzieren.

Die Herbst-Vollversammlung hat diese sehr kurzfristig vorgelegten Vorschläge diskutiert. Die Verfahrensordnung der UKA sieht bereits vor, dass sich die individuellen Leistungsentscheidungen an der in vergleichbaren Fällen erfolgten Rechtsprechung orientieren. Daher findet auch das Urteil des Landgerichts Köln seit seiner Rechtskraft in vergleichbaren Fällen Berücksichtigung im Anerkennungsverfahren. Dies gilt sowohl für neue laufende als auch für bereits beschiedene Anträge, wenn Betroffene einen Antrag auf erneute Prüfung stellen. Die Bischöfe erwarten daher, im Hinblick auf das Urteil des Landgerichts Köln und wenn Zivilgerichte künftig deutlich höhere Schmerzensgelder bei Klagen aufgrund sexuellen Missbrauchs zusprechen sollten als bisher, auch eine deutliche Dynamisierung der Bescheidhöhen durch die UKA. Deshalb ist die Vollversammlung den Vorschlägen des Betroffenenbeirates und dem damit verbundenen Systemwechsel nicht gefolgt. Im Ergebnis hat sie die bischöfliche Fachgruppe für Fragen des sexuellen Missbrauchs und von Gewalterfahrungen gebeten, das Gespräch mit dem Betroffenenbeirat und den weiteren Verfahrensbeteiligten zu führen.

Zivilrechtsklagen wie im Kölner Fall und das kircheneigene Verfahren der Anerkennungsleistungen (UKA-Verfahren genannt) schließen sich nicht aus, sondern stehen nebeneinander und folgen jeweils eigenen Regeln. Betroffene werden durch das UKA-Verfahren nicht daran gehindert, eine Klage vor den staatlichen Zivilgerichten einzureichen. Wenn sie dies tun, unterliegen sie den zivilrechtlichen Vorgaben und Anforderungen. Das gilt selbstverständlich auch für die Beklagtenseite.

Das UKA-Verfahren wurde von Anfang an als freiwilliges Verfahren und als Ergänzung zu zivilprozessualen Klagen vor den ordentlichen Gerichten eingeführt. Beide Verfahren weisen grundlegende Unterschiede auf: Betroffene können im Anerkennungsverfahren Leistungen erhalten, auch wenn die Taten sich nicht mehr genau ermitteln lassen oder verjährt sind. Das UKA-Verfahren setzt nicht voraus, dass der sexuelle Missbrauch voll bewiesen ist. Es genügt, dass der Vortrag des Betroffenen plausibel ist. Die Betroffenen müssen also – anders als in Zivilprozessen – keinen Beweis antreten. Das Verfahren zur Anerkennung des Leids ist schneller und niederschwelliger. Bis zum 31. August 2023 sind insgesamt 2.419 Anträge eingegangen, von denen 2.198 beschieden wurden. Das Verfahren zur Anerkennung des Leides kennt weder Anwaltszwang noch Ermittlungs- noch Gerichtskosten, Betroffene tragen damit – anders als in einem Zivilprozess – kein Kostenrisiko. Daher wird das Anerkennungsverfahren beibehalten.

Neustrukturierung

Wir führen seit der Frühjahrs-Vollversammlung dieses Jahres eine Reihe von intensiven Gesprächen und Abstimmungen zur Neustrukturierung mit dem Betroffenenbeirat bei der Deutschen Bischofskonferenz, diözesanen Betroffenenvertretern und mit unseren diözesanen Expertinnen und Experten für Prävention und Intervention; zudem stehen wir im Austausch mit Kerstin Claus, der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM). Themen dieser Abstimmungen waren insbesondere die Aufgaben und Befugnisse des Rates von Expertinnen und Experten. Dieses Gremium wird als „Sachverständigenrat zum Schutz vor sexuellem Missbrauch und Gewalterfahrungen“ mit den Aufgaben Monitoring, Qualitätssicherung und Weiterentwicklung in den Bereichen Prävention und Intervention berufen.

Gegenstand der Gespräche war auch das Verfahren zur Berufung des Gremiums. Vorgesehen sind eine Auswahlkommission ohne kirchliche Beteiligung sowie ein Aufruf zur Abgabe von Bewerbungen zur Mitarbeit im Sachverständigenrat. Zur Benennung von Mitgliedern für die Auswahlkommission sind wir mit verschiedenen Gremien und Institutionen in Kontakt. Mit gleicher Systematik soll auch eine Neubesetzung des Betroffenenbeirats bei der Deutschen Bischofskonferenz erfolgen.

Das Statut des Sachverständigenrats wurde in der Herbst-Vollversammlung diskutiert und soll nach Rückkopplung mit den beteiligten Akteuren im Ständigen Rat im November 2023 beschlossen werden. Mit der Beteiligung des Betroffenenbeirats über zwei seiner Mitglieder im künftigen Sachverständigenrat werden Betroffene künftig ihre Perspektive von Anfang an einbringen können und über Maßnahmen der Qualitätssicherung, des Monitorings und der Weiterentwicklung unmittelbar mitentscheiden.

Mit dem Sachverständigenrat, dem Betroffenenbeirat bei der Deutschen Bischofskonferenz und der bischöflichen Fachgruppe haben wir sehr gute Voraussetzungen, um alle Fragen im Themenfeld Prävention und Intervention mit vielfältigen Expertisen und Verantwortlichkeiten zu bearbeiten, Monitoring umzusetzen und Weiterentwicklung zu gestalten. Dies ist Bestandteil unserer Verantwortungsübernahme, um heute und in Zukunft sexuellen Missbrauch und Gewalterfahrungen bestmöglich zu verhindern.

Wir haben bei der Neustrukturierung bewusst entschieden, dass die Unabhängigen Aufarbeitungskommissionen ihre Arbeit auf Basis der Gemeinsamen Erklärung über verbindliche Kriterien und Standards für eine unabhängige Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche in Deutschland unverändert fortsetzen. Gleiches gilt für die Arbeit der Unabhängigen Kommission zur Anerkennung des Leids. Die Aufarbeitungskommissionen stehen für eine unabhängige, transparente und sorgfältige Aufarbeitung – wir Bischöfe vertrauen dieser unabhängigen Arbeit und Expertise. Die Zusammenarbeit mit Frau Claus zur Gemeinsamen Erklärung vom Juni 2020 zeigt, wie wichtig diese Arbeit ist. Wir unterstützen ausdrücklich ihr Anliegen, Aufarbeitung auch gesetzlich zu stärken. Eine solche gesetzliche Regelung wäre auch ein wichtiger Ausdruck staatlicher Verantwortungsübernahme.

Vernetzung der Betroffenenarbeit

Vernetzung ist ein zentrales Thema in der Betroffenenarbeit. Die Bedeutung der Vernetzung hat die Vollversammlung nochmals explizit unterstrichen. Damit greifen die Bischöfe ein Anliegen auf, mit dem auch der Betroffenenbeirat bei der Deutschen Bischofskonferenz an uns herangetreten ist. Als Bischöfe legen wir Wert darauf, dass möglichst viele Perspektiven der Betroffenen auch auf der Ebene des Betroffenenbeirats bei der Deutschen Bischofskonferenz eingebunden und vertreten sind. Die Vernetzung der Betroffenenarbeit im kirchlichen Bereich wird daher bei unserer Neustrukturierung eine wichtige Aufgabe des neu zu berufenden Betroffenenbeirats bei der Deutschen Bischofskonferenz sein. Das Erfahrungswissen der diözesanen Betroffenenbeiräte aus ihrer Mitarbeit bei der Aufarbeitung ist ein wesentlicher Beitrag, um die Betroffenenrechte zu gestalten und zu stärken. Um hier eine gute Lösung herbeizuführen, sind wir mit der UBSKM in enger Abstimmung.

Ausdrücklich möchte ich hervorheben, dass wir Bischöfe die vielfältige Arbeit auf diesem Themenfeld würdigen und dafür dankbar sind. Das gilt für die UKA ebenso wie für die Aufarbeitungskommissionen in den Bistümern und weiteren Gremien.

Vorgänge im Bistum Essen

Lassen Sie mich an dieser Stelle auch auf die Vorgänge im Bistum Essen eingehen. Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck hat uns einen Bericht über die Vorwürfe gegen den Gründerbischof des Bistums, Kardinal Franz Hengsbach, und dessen Bruder gegeben. Ich kann hier nicht auf Details eingehen, möchte aber betonen, dass die Erschütterung in der Bischofskonferenz groß ist. Den Betroffenen muss – das ist keine Frage – Gerechtigkeit widerfahren. Die Verunsicherung vieler Menschen im Ruhrbistum aufgrund dieser Vorgänge ist mehr als verständlich. Es ist gut, dass das Bistum aufgrund der neuen Beschuldigung den Weg auf diese Weise geht, aufklärt und weitere Betroffene bittet, sich zu melden. Daher wiederhole ich noch einmal, was ich zu Beginn der Vollversammlung gesagt habe: Alles muss auf den Tisch; auch wenn Denkmäler fallen.


7.    Heiliges Jahr 2025: „Pilger der Hoffnung“

Während sich die Kirche in Deutschland in vielen Prozessen befindet, ist es uns ein Anliegen, auch die großen seelsorglichen Fragen nicht aus dem Auge zu verlieren. So wie der Weltjugendtag in diesem Jahr in Lissabon, wird es die internationale Ministrantenwallfahrt im Sommer nächsten Jahres nach Rom sein.

Dazu zählt auch das Heilige Jahr – das nach dem großen Jubiläum 2000 und dem außerordentlichen Heiligen Jahr 2015/2016 von Papst Franziskus traditionell im Turnus von 25 Jahren für das Jahr 2025 angekündigt ist. Der Papst erinnert in diesem Zusammenhang an die Corona-Pandemie, die die Menschen mit einsamem Sterben, Ungewissheit und Vergänglichkeit konfrontierte und zudem mit der Einschränkung von Freiheiten verbunden war. Gerade vor diesem Hintergrund (der russische Angriff auf die Ukraine folgte erst wenige Wochen später) gelte es aber, ein Klima der Hoffnung und des Vertrauens wiederherzustellen. Deshalb soll das Heilige Jahr 2025 unter dem Leitwort Pilger der Hoffnung stehen. Der Pilgerweg zum Jubiläum soll den Blick der Kirche auf ihre Berufung lenken, „Zeichen und Werkzeug der Einheit in der Harmonie der Vielfalt“ zu sein. Die vier Konstitutionen des Zweiten Vatikanischen Konzils bieten dabei Orientierung. Als Grundstruktur gibt der Papst vor: 2023 steht unter dem Zeichen der Wiederentdeckung der Lehre des Konzils mit seinen zentralen Konstitutionen; 2024 soll zu einer Schule des Gebets werden.

Während des Heiligen Jahres 2025 liegt der Schwerpunkt auf Veranstaltungen entlang verschiedener Wallfahrtswege in der Stadt Rom und im Petersdom selbst. Mittlerweile füllt sich der römische Veranstaltungskalender. Durch das Heilige Jahr hindurch sind Veranstaltungen für bestimmte und mit bestimmten Zielgruppen geplant, die eingeladen werden, das Heilige Jahr in Rom zu begehen. Die Informationen sind auf der vatikanischen Internetseite www.iubilaeum2025.va/de.html zusammengestellt.

Noch befinden wir uns in den Anfängen der Planung und warten auf die Vorgaben aus Rom. Für uns ist wichtig, dass das Heilige Jahr – wie schon 2015/2016 – nicht nur in Rom, sondern auch in unseren Ortskirchen stattfindet. Besondere Pilger- und Wallfahrtswege können dabei ebenso eine Rolle spielen wie die Angebote in Rom selbst. Zu Jahresbeginn 2024 planen wir mit einer übersichtlichen und informativen Internetpräsenz kontinuierlich das Heilige Jahr vorzubereiten und zwar für Einzelpilger ebenso wie für Pilgergruppen. Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für das Heilige Jahr ist der in der Herbst-Vollversammlung 2022 gewählte Weihbischof Rolf Lohmann (Münster).


8.    37. Weltjugendtag vom 1.–6. August 2023 in Lissabon

Vom 1. bis 6. August 2023 fand in Lissabon der 37. Weltjugendtag statt. Zuvor wurden vom 26. bis 31. Juli 2023 in ganz Portugal die „Tage der Begegnung“ ausgerichtet. Papst Franziskus stellte den Weltjugendtag unter das Leitthema: „Maria stand auf und machte sich eilig auf den Weg“ (Lk 1,39). Mit über 1,5 Millionen jungen Menschen aus aller Welt konnte Papst Franziskus den Weltjugendtag in Lissabon feiern. Aus Deutschland nahmen über 8.500 Pilgerinnen und Pilger am Weltjugendtag teil. Bei der Abschlussmesse lud der Papst die Jugend der Welt zum nächsten Weltjugendtag im Jahr 2027 nach Seoul (Südkorea) ein. In den liturgischen Feiern rief Papst Franziskus in besonderer Weise zur Solidarität miteinander auf: „Wir dürfen nur dann auf Menschen herabschauen, wenn wir ihnen helfen, wieder aufzustehen.“

In der Vollversammlung hat der Vorsitzende der Jugendkommission der Deutschen Bischofskonferenz, Weihbischof Johannes Wübbe (Osnabrück), einen ausführlichen Bericht vorgelegt. Vom Weltjugendtag haben die Medien ausführlich berichtet und wir sind Ihnen dankbar, dass Sie das Ereignis so intensiv begleitet haben. Weihbischof Wübbe hat noch einmal darauf aufmerksam gemacht, welch große Gastfreundschaft die Jugendlichen in Portugal erleben konnten. Erstmals gab es das Angebot eines Deutschen Pilgerzentrums während eines Weltjugendtags. Große Resonanz fanden das Youth Hearing des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und die neue Form der Katechesen. Vom Weltjugendtag sind – trotz aller Krisen, auch in der Kirche – eine ermutigende Stärkung des Glaubens der Jugendlichen vor Ort, aber auch viele Anregungen zum Friedensdienst in der Welt und zu Fragen der Berufung für die Jugendpastoral in Deutschland ausgegangen. Es war gut, dass 17 Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz in Lissabon waren und mit der Durchführung der Katechesen wesentlich zum Gelingen beigetragen haben. Die Verantwortlichen in der Jugendpastoral, insbesondere die Arbeitsstelle für Jugendseelsorge (afj), das Zentrum für Berufungspastoral (ZfB), der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), die Verantwortlichen der Diözesan- und Bundesfahrten aus Bistümern, Orden, Verbänden und geistlichen Gemeinschaften haben in der Vorbereitung und Durchführung des 37. Weltjugendtages außerordentliche Kooperationsbereitschaft gezeigt. Ihnen allen dankt die Vollversammlung für dieses Engagement.


9.    Hochgebet der Messfeier in Leichter Sprache

Bei der Herbst-Vollversammlung haben wir zwei Vorschläge für ein Hochgebet in Leichter Sprache beraten, die der Beauftragte für inklusive Pastoral, Weihbischof Dr. Reinhard Hauke (Erfurt), vorgestellt hat.

Das Hochgebet in Leichter Sprache soll einen sinnerschließenden Vollzug der Zeichen und Handlungen sowie die Anknüpfung an die aktuelle Lebenswelt der Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen schaffen. Es soll zudem dazu dienen, gemeinsam das Geheimnis der Zuwendung Gottes zum Menschen und zur „communio“ inklusiv erfahrbar zu machen und die volle, wirksame Teilhabe für alle am Gottesdienst Teilnehmenden eröffnen.

Die erste Textvariante stellt eine Übersetzung des Hochgebets II in annährend Leichte Sprache dar, bei der wesentliche Elemente der Originalfassung des Hochgebets vorhanden bleiben, und ist vor allem für die gemeinsame Feier einer inklusiven Messe gedacht. Die zweite Textvariante ist das frei formulierte Hochgebet „Gott liebt mich“, das für Personen mit stärkeren kognitiven Beeinträchtigungen vorgesehen ist, die Rahmenbedingungen für die Mitfeier eines Gottesdienstes in Form von Zielgruppengottesdiensten in Einrichtungen benötigen, und die den Anschluss an Gemeinde und Kirche nicht verlieren wollen.

Mit dem Hochgebet in Leichter Sprache verbinden wir die Hoffnung, Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen ein Miterleben des kirchlichen Lebens zu ermöglichen, also auch an die Gemeindemessen heranzuführen. Personen mit einer kognitiven Beeinträchtigung/Lernschwierigkeiten sind auf Sprachformen mit präsentischen Handlungsabläufen und auf verbale Mitteilungen, die zumeist zwei bis drei oder sechs bis acht Wörter umfassen, angewiesen.

Die beiden Textvorschläge wurden von einer Arbeitsgruppe, bestehend aus Expertinnen und Experten aus dem Bereich der Seelsorge für Menschen mit Behinderung, in Zusammenarbeit mit Beraterinnen und Beratern der Liturgiekommission der Deutschen Bischofskonferenz und weiteren Fachleuten aus Liturgiewissenschaft und Dogmatik erarbeitet. Besonderer Dank gilt hier dem im August 2023 verstorbenen Msgr. Prof. Dr. Winfried Haunerland. Wir danken auch ausdrücklich der Arbeitsgruppe unter der Leitung von Weihbischof Hauke für ihre langjährige und intensive Arbeit an den vorgelegten Dokumenten. Die finale Fassung des Hochgebetes in Leichter Sprache wird bis zur nächsten Frühjahrs-Vollversammlung in vorgelegt.


10.    Rahmenordnung für die Priesterausbildung

Die Vollversammlung hat einen ersten Textentwurf zur neuen Rahmenordnung für die Priesterausbildung (Ratio Nationalis) beraten und einen Bericht des Vorsitzenden der Kommission für Geistliche Berufe und Kirchliche Dienste, Bischof Dr. Michael Gerber (Fulda), zur Erstellung und zu den wesentlichen Inhalten des Textes entgegengenommen. Diese neue Rahmenordnung, die verbindliche Standards, Normen und Abläufe der Priesterausbildung regelt, stellt die nationale Übertragung des weltweit geltenden römischen Grundtextes Ratio Fundamentalis Institutionis Sacerdotalis dar, welche die Kongregation für den Klerus am 8. Dezember 2016 unter dem Titel Das Geschenk der Berufung zum Priestertum veröffentlicht hat. Ausgangspunkt aller Konzepte für die Priesterausbildung ist das Konzilsdekret Optatam totius.

Die Kommission für Geistliche Berufe und Kirchliche Dienste hatte im Jahr 2017 eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die zunächst von Kardinal Rainer Maria Woelki (Köln) und seit 2021 von Bischof Dr. Michael Gerber (Fulda) geleitet wurde. Diese Arbeitsgruppe überarbeitete die Rahmenordnung für die Priesterbildung von 2003 und stand dabei im Dialog mit vielfältigen Gruppen in der Kirche, etwa mit Vertreterinnen und Vertretern der Regentenkonferenz, der Ausbildungsleiterinnen und -leiter der pastoralen Berufe, des Allgemeinen Fakultätentags, des Betroffenenbeirats bei der Deutschen Bischofskonferenz und der Seminaristen.

Die Vollversammlung hat die Aktualisierung der Priesterausbildung begrüßt, die vor allem persönlichkeitsbildend und prozessorientiert erfolgen und wesentliche Herausforderungen des kulturellen und kirchlichen Kontextes in Deutschland im Blick behalten muss. Grundlegend bleiben die bisher leitenden vier Dimensionen der Ausbildung, die menschliche, geistliche, intellektuelle und pastorale Dimension. Frühere Vereinbarungen der Deutschen Bischofskonferenz zur Organisation der Seminarstandorte wurden aufgenommen.


11.    Assistierter Suizid

Der assistierte Suizid und die Frage nach einer gesetzlichen Regelung ist eines der Themen, die nach wie vor von aktueller Bedeutung sind. Wir haben uns in mehreren Vollversammlungen und auch hier in Wiesbaden mit der Thematik auseinandergesetzt. Aus unserer christlichen Sicht ist der assistierte Suizid nicht der richtige Weg, um mit schweren, belastenden Lebenssituationen und mit dem Sterben umzugehen. Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2020 das in § 217 StGB geregelte Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe für nichtig erklärt. Im Bundestag hat bisher kein Vorschlag einer Neuregelung eine Mehrheit gefunden.

Suizidassistenz ist drei Jahre nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Realität in Deutschland. Wir sehen daher die Notwendigkeit, dieser Entwicklung mit einem qualitativ anspruchsvollen und umfassenden gesetzlichen Schutzkonzept entgegenzuwirken. Ein solches Schutzkonzept muss den vom Bundesverfassungsgericht benannten Gefahren, die von einem Angebot von Suizidassistenz für die Autonomie des Einzelnen ausgehen, Rechnung tragen und der Tendenz entgegenwirken, dass sich der assistierte Suizid als selbstverständliche Form der Lebensbeendigung durchsetzt. In diesem Sinne treten wir für eine gesetzliche Regelung der Suizidassistenz ein. Dabei benötigen auch diejenigen Schutz, die in schwierigen Situationen nicht mit dem Thema Suizid konfrontiert werden wollen. Es sollte daher auch klargestellt werden, dass Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens sich prinzipiell gegen eine Praxis verwehren können, Suizidassistenz in ihren Räumen ermöglichen oder dulden zu müssen.

Begrüßenswert ist, dass der Bundestag die besondere Bedeutung der Suizidprävention betont und den flächendeckenden Ausbau der Palliativmedizin und häuslichen Begleitung in einem Entschließungsantrag gefordert hat. Nach dem vom Bundestag vorgegebenen Zeitplan soll noch in dieser Legislaturperiode ein Suizidpräventionsgesetz verabschiedet werden. Die Kirche und ihre Caritas bringen hier gerne ihre Expertise ein. Einer humanen Gesellschaft muss es ein Anliegen sein, eine Kultur der Lebensbejahung und gegenseitigen Fürsorge zu erhalten. Es darf auch keine Situation entstehen, in der ein älterer oder kranker Mensch oder ein Mensch in einer existenziellen Krise eher eine gute Infrastruktur der Suizidassistenz vorfindet als ausreichende und angemessene Rahmenbedingungen, um sich vertrauensvoll in Pflege zu begeben, Hilfe zu erhalten und Hilfe anzunehmen. Der Dank der Bischöfe gilt allen Menschen, die sich im Bereich der Pflege engagieren.


12.    Umgang mit extremistischen Positionen

Die Vollversammlung hat sich mit zunehmenden extremistischen Positionen befasst, mit denen sich Einzelpersonen, aber auch ein kleiner Teil des politischen Parteienspektrums in Deutschland profilieren. Als Bischofskonferenz lehnen wir extremistische Äußerungen grundsätzlich ab, weil sie sowohl christlichen Überzeugungen widersprechen als auch schlichtweg inakzeptabel und intolerabel sind. Die Kirche darf extremistische Äußerungen, zum Beispiel menschenverachtende und demokratiefeindliche Positionen, niemals tolerieren und muss bei Verstößen innerhalb der Kirche konsequent handeln. Wenn derartige Positionen innerhalb der Kirche geäußert werden, muss in jedem Fall reagiert werden.

Wir nehmen das Erstarken der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD), die zunehmend (rechts-)extreme und demokratiefeindliche Positionen vertritt, mit großer Sorge wahr. Wir haben den Eindruck, dass extremistische Positionen immer unverhohlener öffentlich geäußert werden. Diese Positionen sind quer durch die Gesellschaft zu beobachten, unabhängig von Parteipräferenz oder Parteizugehörigkeit. Der AfD wird vonseiten des Verfassungsschutzes eine Radikalisierung attestiert. Wir Bischöfe werben dafür, dass unser Land kein alternatives Deutschland wird, das fremdenfeindlich, antieuropäisch und nationalistisch wird. Setzen wir gemeinsam ein Zeichen für ein demokratisches, europäisches und weltoffenes Deutschland.

Ich möchte das noch einmal in konkrete Zahlen fassen. Vor wenigen Tagen hat die Friedrich-Ebert-Stiftung ihre „Mitte-Studie“ vorgestellt, mit der sie alle zwei Jahre rechtsextreme und demokratiegefährdende Haltungen in der Bevölkerung untersucht. Es muss uns nicht nur nachdenklich machen, sondern es fordert von uns allen – über Parteigrenzen und Kirchen hinweg – einen Aufschrei, wenn 6,6 Prozent der Befragten eine Diktatur in Deutschland befürworten (2020: 2,2 Prozent), 5,7 Prozent Antisemitismus positiv bewerten (2020: 1,7 Prozent), 16,2 Prozent Fremdenfeindlichkeit gutheißen (2020: 4,5 Prozent) und 8,3 Prozent ein manifest rechtsextremes Weltbild vertreten (2020: 1,7 Prozent).

Gestatten Sie mir noch einen Hinweis: Bereits im Juni 2019 haben wir die Arbeitshilfe „Dem Populismus widerstehen. Arbeitshilfe zum kirchlichen Umgang mit rechtspopulistischen Tendenzen“ veröffentlicht, die im Zusammenwirken der Migrationskommission und der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz sowie der Deutschen Kommission Justitia et Pax als Expertentext entstanden ist. In der Arbeitshilfe schreiben die zuständigen Bischöfe: „Der Populismus, der uns herausfordert, zeigt tagtäglich sein bedrohliches Gesicht, weil er zu Schwarz-Weiß-Malerei und neuer Kleingeistigkeit verführt – in der Gesellschaft wie in der Kirche. Tatsächlich wird die Welt immer komplexer, und es ist unbestreitbar, dass diese Komplexität manchen überfordert. Der Populismus aber verspricht zu einfache Antworten.“ Mit Entschiedenheit weisen wir jeglichen Versuch zurück, das Christentum für populistische Zwecke zu vereinnahmen: „Wir sind überzeugt, dass unser Glaube und unsere katholische Tradition als Weltkirche im Widerspruch stehen zu entscheidenden Merkmalen des Populismus. Wir denken an die (...) absolute Gleichheit aller Menschen als Geschöpfe Gottes. Wir denken an das fundamentale Gebot der Nächstenliebe, die gerade auch den erreicht, der uns vielleicht am fernsten steht, der aber in seiner Hilfsbedürftigkeit uns zum Nächsten wird.“ Nach Einschätzung des Dokumentes gehen populistische Bewegungen in aller Regel mit der Angst vor gesellschaftlichem Niedergang einher. Demgegenüber sei für die Kirche die Dimension der Hoffnung prägend: „Unser Glaube steht für das Vertrauen in einen Gott, der nicht Angst und Schrecken verbreitet, sondern Zuversicht: die Zuversicht, dass bei der Lösung der Probleme unserer Zeit keine ängstliche Verbissenheit um sich greifen muss.“ Aufgabe der Seelsorge sei es, auch auf jene Menschen zuzugehen, die mit populistischen Tendenzen sympathisieren: „Unser Auftrag besteht darin, mit allen ins Gespräch zu kommen – auch mit denen, die ganz anderer Auffassung sind.“ Diese Aussagen haben an ihrer Aktualität bis heute nichts eingebüßt.


13.    Aktuelle Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik

Wir leben in einer Zeit, in der sich verschiedene Krisen mit ihren Ursachen und Auswirkungen gegenseitig überlagern. Das führt zu Unübersichtlichkeit und Verunsicherung, die einen Nährboden bieten für entweder überzogene Forderungen an die Politik oder politischen Aktionismus. Damit verbundene Reden von der Bedrohung des Wohlstandes, der Überlastung des Sozialstaates und dem Ende der Verteilungspolitik verstärken Ängste der Menschen und schwächen das Vertrauen in die Politik und deren Lösungsversuche.

Dabei handelt es sich gerade bei der Wirtschafts- und Sozialpolitik nicht um widerstreitende Pole, die gegeneinander ausgespielt werden sollten. Im Gegenteil: Wirtschafts- und Sozialpolitik sind aus guten Gründen aufeinander verwiesene Interessen, die mit Recht vor 75 Jahren im Begriff der „Sozialen Marktwirtschaft“ zusammengeführt wurden. Denn es gibt sowohl gute ökonomische Gründe, für sozialen Frieden und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sorgen, als auch gute soziale Gründe, ökonomischem Denken in der Sozialpolitik Raum zu geben. Schließlich stützt sich das System der sozialen Sicherheit auf ökonomische Ressourcen. Gleichzeitig gehen vom System der sozialen Sicherung ökonomische Anreize und Anreizbegrenzungen aus, die nicht zu vernachlässigen sind.

Die Rettungsschirme und Hilfspakete der vergangenen Jahre belasten die Staatshaushalte langfristig, doch darf dadurch die Handlungsfähigkeit des Staates nicht auf Dauer untergraben werden. Die Generationengerechtigkeit verpflichtet uns, im Sinne der Nachhaltigkeit neben einer intakten Umwelt auch einen Staat zu hinterlassen, der in guter Verfassung ist. Angesichts des notwendigen ökologischen Umbaus unseres Wirtschaftens, der demographischen Entwicklung und des digitalen Wandels werden wirtschaftlicher Fortschritt und eine wachstumsfreundliche Politik umso wichtiger. Ökologischer Umbau und ökonomischer Fortschritt schließen sich aber nicht aus. Die damit einhergehenden sozialen Belastungen sowie eine wirksame Politik gegen soziale Ausgrenzung und für gesellschaftliche Teilhabe sollten dabei immer mitbedacht werden.


14.    Internationale Konfliktherde

•    Zur Bedrohung der Christen in Berg-Karabach

Wir alle haben in der vergangenen Woche erleben müssen, wie im Kaukasus die befürchtete Eskalation eingetreten ist. Aserbaidschan hat in einem 24-stündigen Krieg die vollständige Kontrolle in der Region Berg-Karabach übernommen. Aktuell wissen wir noch wenig darüber, was mit den Einwohnerinnen und Einwohnern Berg-Karabachs, mehrheitlich armenische Christen, passiert. Viele nutzen offenbar die Chancen zur Flucht, die sich während des fragilen Waffenstillstands bietet. Bei der Versorgung der Vertriebenen und Geflüchteten, man rechnet mit bis zu 100.000 Menschen, benötigt Armenien Hilfe. Die internationale, besonders die europäische Staatengemeinschaft muss sich hier engagieren. Wir sind dankbar, dass vor allem die Caritas Armenien hier konkret vor Ort präsent ist. Zugleich müssen wir aber auch sehr entschieden fordern: Es darf nicht zu einer Auslöschung der Armenier und der über 1.000 Jahre alten christlichen Kultur in der Region kommen.

Ich habe vor einigen Tagen gemeinsam mit den Vertretern der anderen christlichen Kirchen in Deutschland an die Politik appelliert, sich für eine friedliche Lösung des Konflikts einzusetzen. Internationale Verhandlungen, wohl auch der Einsatz von Beobachtern und Friedenstruppen sind unseres Erachtens unerlässlich. Die Menschen in Berg-Karabach brauchen jetzt endlich Stabilität und Sicherheit, aus denen in der Zukunft hoffentlich auch Gerechtigkeit und ein versöhntes Miteinander im Kaukasus erwachsen können.

•    Zur Lage in der Ukraine

Der Krieg gegen die Ukraine hat auch in dieser Vollversammlung die Beratungen der Bischöfe geprägt. Nachdem der Krieg im ersten Jahr ein dominierendes Thema der politischen und gesellschaftlichen Debatte war, treten hierzulande, aber auch in vielen anderen Ländern, inzwischen gewisse Ermüdungserscheinungen auf und die Belastungen, die die Bevölkerung zu tragen hat, schieben sich in den Vordergrund. Eine solche Entwicklung war vorhersehbar, sie ist auch menschlich nachvollziehbar. Allerdings ist es gerade deshalb wichtig, daran zu erinnern, dass dieser Krieg, den Russland seinem Nachbarland aufgezwungen hat, unabhängig von unseren Befindlichkeiten, unvermindert weitergeht. Täglich fordert er neue Opfer. Und es bleibt dabei, dass es sich um einen fundamentalen Einschnitt in der Geschichte Europas nach dem Zweiten Weltkrieg handelt. Die Zukunft unseres Kontinents, aber auch der internationalen Ordnung hängt nicht unwesentlich davon ab, ob es den Ukrainern auch mithilfe der Unterstützerstaaten gelingt, der Aggression erfolgreich entgegenzutreten und die Souveränität des Landes zu sichern. Die Bischöfe erneuern deshalb ihre im zurückliegenden Jahr formulierte Position, dass militärische Unterstützung der angegriffenen Seite legitim ist, eine Eskalation, die den ganzen Kontinent in den Abgrund reißen könnte, jedoch unbedingt vermieden werden muss.

Ehrlich sollten wir eingestehen, dass ein Gefühl der Hilfslosigkeit zurückbleibt, wenn wir derzeit erleben müssen, wie die Initiativen für Frieden in der Ukraine, etwa durch Papst Franziskus und dessen Gesandten Kardinal Matteo Zuppi, aber auch durch viele einzelne Staaten und internationale Staatengruppen, bislang nicht auf fruchtbaren Boden fallen. Die Bemühungen brauchen einen langen Atem und wir beten weiterhin für deren Gelingen und einen wachsenden Friedenswillen der Verantwortlichen, besonders in Russland.

Darüber hinaus muss der Ukraine humanitär und wirtschaftlich geholfen werden. Eine gute medizinische, psychologische, aber auch seelsorgliche Betreuung der Opfer des Krieges muss sichergestellt werden. Eine besondere Herausforderung liegt auch im solidarischen Umgang mit den vielen Flüchtlingen, von denen eine große Zahl nach Deutschland gekommen ist. Wir Bischöfe danken allen in unserem Land, die ihr Herz gegenüber dem Leid dieser Menschen öffnen. Das gilt auch und besonders für die professionellen Dienste der Caritas und die Initiativen in unseren Kirchengemeinden. Ohne dieses haupt- und ehrenamtliche Engagement könnte die Kirche gar nicht überzeugend wirksam sein, wie dies tatsächlich der Fall ist.

In der Vollversammlung wurden wiederholt auch die weltweiten Folgen des Krieges zur Sprache gebracht, vor allem die verminderten Ernteerträge in der Ukraine sowie die russischen Anstrengungen, ukrainische Exporte zu erschweren. Dies hat Auswirkungen auf die Ernährung der Menschen in vielen Teilen der Welt. Die Gefahr von sich ausweitenden Hungerkrisen wächst.

•    Zur Lage in Nicaragua

Besondere Aufmerksamkeit hat die Vollversammlung der sich zuletzt ständig verschlechternden Lage in Nicaragua zugewandt. Pater Dr. Martin Maier SJ, der Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerkes Adveniat, hat den Bischöfen einen eindringlichen Bericht über die Entwicklungen in diesem lateinamerikanischen Land vorgetragen. Seit den landesweiten Protesten und deren gewaltsamer Niederschlagung im Jahr 2018 ist Nicaragua immer weiter in Richtung einer totalitären Diktatur abgedriftet, die alle freien und kritischen Stimmen ersticken will. 4.000 Nichtregierungsorganisationen wurden im Laufe der zurückliegenden Jahre aufgelöst. Insbesondere seit 2022 leidet auch die katholische Kirche massiv unter der Repression der Regierung des Präsidenten Daniel Ortega. So wurden der Apostolische Nuntius Waldemar Sommertag ausgewiesen, der unbeugsame Bischof Rolando Alvarez wegen Landesverrats zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt und die Mutter Teresa-Schwestern des Landes verwiesen. Im August 2023 ist die zentralamerikanische Universität der Jesuiten geschlossen und deren Eigentum konfisziert worden. Kurz danach wurde der Jesuitenorden in Nicaragua für illegal erklärt. Auch ausländische Hilfsorganisationen werden in ihren Handlungsmöglichkeiten radikal eingeschränkt: Inzwischen ist es kaum noch möglich, Hilfsgelder an die Partner zu transferieren.

In den Beratungen hier in Wiesbaden-Naurod ist deutlich geworden, dass der internationale Druck auf die nicaraguanische Regierung aufrechterhalten und erhöht werden muss. Das ist zunächst einmal die Verpflichtung einer kritischen Öffentlichkeit in Europa, zu der auch wir als Kirche beitragen. Es ist aber auch die Aufgabe der deutschen Regierung und der EU, den katastrophalen Entwicklungen in Nicaragua noch größere Aufmerksamkeit zuzuwenden und wirksame Maßnahmen im Interesse der Bevölkerung zu ergreifen.


15.    Aktuelle Fragen zu Flucht und Migration

Bei der Besprechung der Berichte aus den bischöflichen Kommissionen stand in diesem Jahr die Arbeit der Migrationskommission im Fokus. Erzbischof Dr. Stefan Heße (Hamburg), Vorsitzender der Kommission, hat uns einen Überblick über die Handlungsfelder gegeben. Neben politischen und gesellschaftlichen Fragen von Flucht, Migration und Integration ist die Kommission auch für zwei bedeutende seelsorgliche Aufgabenbereiche zuständig: die interkulturelle Pastoral für katholische Gläubige unterschiedlicher Sprachen und Riten in Deutschland sowie die deutschsprachige Seelsorge im Ausland. In diesem breiten Themenspektrum spiegelt sich wider, dass Migration alle Ebenen des kirchlichen Lebens betrifft. Vor zwei Jahren haben wir dies im ökumenischen Migrationswort auf die Formel gebracht: „Jeder der Grundvollzüge von Kirche lässt sich auch als Migrationsgeschichte erzählen. In der Verkündigung der Frohen Botschaft, in Gottesdiensten und im Dienst am Nächsten stiftet Gott eine Gemeinschaft in Vielfalt“ (Migration menschenwürdig gestalten, Gemeinsame Texte Nr. 27, S. 194).

Erzbischof Heße hat uns auch von der Solidaritätsreise berichtet, die er Anfang des Monats zu Geflüchteten in Griechenland und in der Türkei unternommen hat. Schutzsuchende aus Afghanistan und anderen Krisenländern der Welt haben ihm dort ihre leidvollen Erfahrungen geschildert. Die Caritas und weitere Hilfsorganisationen tun viel, um die Not zu lindern. Gleichzeitig führt uns die schwierige Lage an den EU-Außengrenzen klar vor Augen: Europa braucht einen Neuanfang in der Flüchtlingspolitik. Gefordert sind eine faire Verantwortungsteilung und hohe menschenrechtliche Standards.

Daher unterstützen wir die Bemühungen, eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) zu erreichen, allerdings nicht zu jedem Preis. Wichtig ist, dass der Schwerpunkt auf einer Stärkung des Flüchtlingsschutzes liegt. Statt überfüllten Camps mit teils haftähnlichen Bedingungen in den Erstaufnahmestaaten ist eine rasche Registrierung und Weiterverteilung auf andere EU-Mitgliedstaaten erforderlich. Die völkerrechtswidrigen Pushbacks an den gemeinsamen europäischen Außengrenzen müssen aufhören. Das berechtigte Anliegen, Grenzen zu kontrollieren und Schleuserkriminalität zu bekämpfen, darf nicht dazu führen, dass die Rechte von Schutzsuchenden ausgehebelt werden. Zudem brauchen wir mehr sichere und legale Zugangswege – vor allem für vulnerable Schutzsuchende – und Abkommen zur Erleichterung von Arbeitsmigration.

Ohne Zweifel ist die Aufnahme einer großen Zahl von geflüchteten Menschen mit großen Herausforderungen verbunden. Diese müssen ehrlich und lösungsorientiert thematisiert werden. Die Kommunen und Wohlfahrtsverbände sind auf eine angemessene Unterstützung angewiesen, damit sie die anstehenden Aufgaben bewältigen können. Die Pläne, ausgerechnet im Bereich der Migrationsberatung und bei anderen wichtigen Diensten Einsparungen vorzunehmen, sollten dringend überdacht werden. Dies alles erfordert eine ernsthafte politische Debatte. Fatal wäre es jedoch, den Parolen der Populisten in irgendeiner Weise zu folgen. Der Flüchtlingsschutz stellt eine ethisch und völkerrechtlich gebotene Aufgabe dar – diesen demokratischen Konsens gilt es zu verteidigen. Und ich möchte hinzufügen: In der aufgeregten Debatte, die zurzeit in Deutschland geführt wird, fehlt es nicht selten an Empathie gegenüber den schutzsuchenden Menschen. Als Kirche sehen wir deshalb unsere Aufgabe darin, die Schutzbedürftigkeit von Flüchtlingen ins Zentrum zu rücken und durch konkretes Engagement zu einer menschenwürdigen Flüchtlingspolitik beizutragen.


16.    50 Jahre Maximilian-Kolbe-Werk

Im Oktober 2023 jährt sich zum 50. Mal die Gründung des Maximilian-Kolbe-Werks. Für die Deutsche Bischofskonferenz war dies der Anlass, sich bei der Vollversammlung intensiv und würdigend mit dem Werk zu befassen. Gegründet wurde das Kolbe-Werk durch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und 13 katholische Verbände, um den Überlebenden der nationalsozialistischen Konzentrationslager und Ghettos in Polen materiell zur Seite zu stehen. In späteren Jahren wurde ihnen dann auch die Möglichkeit gegeben, in Zeitzeugengesprächen (vor allem in Schulen) nachfolgenden Generationen ihre Lebensgeschichten zu erzählen. Diese Arbeit – unterstützt von Spendern und auch von deutschen Bistümern – hat viel dazu beigetragen, dass die Opfer des nationalsozialistischen Terrors Anerkennung erfahren haben und ihr oft schweres Los gelindert werden konnte. Ebenso hat diese Arbeit Brücken geschlagen zwischen Deutschen und ihren Nachbarn im Osten, vor allem in Polen.

Diese großartige Geschichte verdient es, auch künftig weitererzählt zu werden. Dennoch: Mit dem nahenden Ende der Erlebnisgeneration werden die wesentlichen unmittelbaren Zwecke des Maximilian-Kolbe-Werkes erfüllt sein. Das Werk hat sich deshalb schon 2007 mit Unterstützung der Deutschen und der Polnischen Bischofskonferenz entschieden, die Maximilian-Kolbe-Stiftung zu gründen. Die Erfahrungen und Inspirationen des Werkes werden in den Projekten der Stiftung wachgehalten und für heutige europäische Konflikt- und Versöhnungsprozesse fruchtbar gemacht. So arbeitet die Stiftung unter anderem mit Partnern in Polen, in der Ukraine und Russland, in Bosnien-Herzegowina und Albanien zusammen. So soll der Geist christlicher Versöhnung in neuen konkreten Formen greifbar werden. Der jährliche Workshop in der Gedenkstätte von Auschwitz ist ein eindrückliches Beispiel für diese Arbeit. Er führt Menschen aus allen Teilen Europas zusammen, um aktuelle Gewalterfahrungen im Licht der Unrechtsgeschichte des Nationalsozialismus zu reflektieren.


17.    Personalia

  • Bischof Dr. Michael Gerber (Fulda) ist zum stellvertretenden Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz gewählt worden.
  • Weihbischof Matthäus Karrer (Rottenburg-Stuttgart) ist zum stellvertretenden Vorsitzenden der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz gewählt worden.
  • Weihbischof Horst Eberlein (Hamburg) ist zum Mitglied der Unterkommission für den Interreligiösen Dialog der Deutschen Bischofskonferenz gewählt worden.
  • Bischof Dr. Michael Gerber (Fulda) ist zum Mitglied der Gemeinsamen Konferenz der Deutschen Bischofskonferenz und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken gewählt worden.
  • Erzbischof Dr. Heiner Koch (Berlin) ist zum Geistlichen Assistenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken bestellt worden.
  • Prälat Dr. Karl Jüsten (Berlin) ist als Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe/Katholisches Büro Berlin bestätigt worden.
  • Dr. Dagmar Nelleßen-Strauch (Bonn) ist als Vertreterin der katholischen Kirche im Hörfunkrat des Deutschlandradios wiederberufen worden.

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