| Pressemeldung | Nr. 169

Bischof Bätzing spricht auf dem St. Michael-Jahresempfang in Berlin

„Demütig anerkennen, wo die Krise uns stoppt!“

Zu einer mutigen Veränderung in Kirche und Gesellschaft, insbesondere angesichts der Erfahrungen in der Corona-Pandemie, hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Georg Bätzing, aufgerufen. „Vielfach wurde seit Beginn der Pandemie die Vermutung geäußert, dass durch die Corona-Krise gesellschaftliche Entwicklungen und Veränderungsprozesse beschleunigt werden und sich wie in einem Brennglas verdichten. Es gehört zu den großen Aufgaben der Politik, über die Analyse solcher Problemverdichtung hinaus zu einer gründlichen Vergewisserung zu finden und Handlungsoptionen zu entwickeln, mit denen die nötigen Veränderungen gestaltet werden können“, so Bischof Bätzing. „Gerade heute, einen Tag nach der Bundestagswahl, ermutige ich Sie alle, diese Herausforderungen gemeinsam anzugehen und dabei vielleicht auch Kraft und Hoffnung aus dem Glauben zu schöpfen. Die wahrnehmbare Beschleunigung von Umbruch- und Abbruchszenarien lässt sich ohne Weiteres auf die kirchliche Situation und die Seelsorge übertragen, wenn sie uns nicht sogar stärker trifft“, sagte Bischof Bätzing heute Abend (27. September 2021) beim St. Michael-Jahresempfang des Katholischen Büros in Berlin.

Er legte in seiner Ansprache vor rund 200 Gästen aus Kirche, Politik und Gesellschaft, darunter Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble und Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Analyse des Zustandes der katholischen Kirche vor. „Die Kirche wird sich künftig stärker entscheiden müssen, wofür sie ihre Ressourcen einsetzen kann und will. Das alles sind Anzeichen einer sich beschleunigenden äußeren Disruption kirchlich gebundener Religionsausübung und ihrer gesellschaftlichen Wahrnehmung. Und wir können nicht so tun, als sei alles normal.“ Diesen soziologisch greifbaren Phänomenen eines massiven Umbruchs entspreche eine fundamentale Störung des Vertrauens gegenüber der Kirche und kirchlichem Handeln, „die nicht anders denn als innere Disruption beschrieben werden kann. Die Erkenntnisse zum Ausmaß des sexuellen und geistlichen Missbrauchs in der katholischen Kirche haben zu einem tiefgreifenden Vertrauensverlust in weiten Teilen der Bevölkerung geführt. Zurückgehaltene Gutachten und bisweilen zögerliche Aufarbeitung verstärken diese Entwicklung und führen zu langen Wartezeiten für Austrittswillige“, so Bischof Bätzing.

„Mit dieser wenig schmeichelhaften Analyse“ gelte es jedoch, konstruktiv und kreativ umzugehen, wozu der Synodale Weg nach Auffassung von Bischof Bätzing eine große Chance biete. In dem gemeinsam mit dem ZdK initiierten Prozess gehe es darum, „Menschen in ihren konkreten Lebensbedingungen wieder mit dem Evangelium von Jesus Christus in Verbindung zu bringen. Denn die Störung des gelebten Brückenschlags zwischen beiden Wirklichkeiten stellt heute die eigentliche Krise dar. Viele Menschen wissen nicht, warum der Glaube sinnvoll ist und was er mit ihrem Leben zu tun hat.“

Im kirchlichen Handeln gehe man in der Regel davon aus, dass alle Menschen auf der Suche nach Sinn in ihrem Leben seien: „Diesen Sinn des Lebens ‚übersetzen‘ wir Christinnen und Christen mit Gott und nehmen daher an, dass die Gottesfrage jedem Menschen aufgrund seines Menschseins innewohnt“, sagte Bischof Bätzing. Neuere Studien zeigten jedoch, dass viele Zeitgenossen erst gar nicht die Sinn- und erst recht nicht die Gottesfrage stellten. „Wenn dies auf Menschen in unserem Kulturkreis zutrifft, müssen wir von einer fundamentalen Disruption sprechen, denn dann ist nicht nur von einem radikalen Abbruch der Kirchlichkeit, sondern des Gottesglaubens auszugehen. Angesichts dieser Tragweite erscheinen Strategieprozesse und notwendige Strukturanpassungen ebenso unzureichend wie einfach aufgelegte missionarische Initiativen. Die geforderte Transformation wird tiefer ansetzen müssen. Sie erfordert Umkehr im wahrsten Sinn und im religiösen Verständnis des Wortes“, betonte Bischof Bätzing.

Christlicher Glaube könne von seinem Wesen her nie bloß privat, sondern immer auch öffentlich und politisch wirksam werden, fügte er hinzu. „Mittlerweile haben Christinnen und Christen der verschiedenen Konfessionen verstanden, dass nur ein starkes gemeinsames Glaubenszeugnis mit guten Argumenten auch gesellschaftlich Wirkung entfalten kann.“ Mit Blick auf die konkrete Situation der Kirche unterstrich Bischof Bätzing, dass eine Umkehr der Kirche als Ganze in den Dienst der Menschen die Bekehrung der Einzelnen hin zu einer persönlichen Glaubensentscheidung voraussetze: „Wenn es uns gelingt, uns ehrlich zu machen und nicht alle Energie darauf zu verwenden, wie wir die Krise stoppen, sondern demütig anzuerkennen, worin die Krise uns stoppt, dann ist eine Trendumkehr zwar noch lange nicht geschafft – aber der Ausgangspunkt ist richtig gewählt. Denn – so sagt es Papst Franziskus – die Wahrheit öffnet sich für die, die sich ihr öffnen.“
 

Hinweise:

Die Rede von Bischof Dr. Georg Bätzing sowie die Begrüßungsansprache beim St. Michael-Jahresempfang des Leiters des Katholischen Büros Berlin, Prälat Dr. Karl Jüsten, finden Sie untestehend als pdf-Dateien zum Herunterladen.

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