| Pressemeldung | Nr. 008

Bischof Bätzing zum Holocaust-Gedenktag 2024

Würde und Rechte des Menschen: der normative Kern des Rechtsstaats

Am 27. Januar 2005 wurde der Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust von den Vereinten Nationen eingeführt. Aus Anlass des diesjährigen Gedenktages am kommenden Samstag (27. Januar 2024) erklärt der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Georg Bätzing:

„In diesem Jahr steht der Gedenktag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 im Zeichen der alle Generationen betreffenden Aufarbeitung des Holocaust. Die Erinnerungskultur, die sich in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland und Europa gebildet hat, ist nichts Statisches. Sie darf nicht zur Routine erstarren. Jede Generation muss sich immer wieder neu mit dem Holocaust, seiner Vorgeschichte und seinen Folgen auseinandersetzen. Geschichte wiederholt sich nicht. Aber die Erinnerung an die Vergangenheit kann unser Handeln in der Gegenwart orientieren.

Auschwitz steht für die industrielle Ermordung der europäischen Juden und anderer Gruppen von Menschen, die den Nationalsozialisten als minderwertig galten, wie Sinti und Roma, Homosexuelle, Menschen mit geistiger oder körperlicher Behinderung, politische oder religiöse Oppositionelle. Der Holocaust stellt den tödlichen Endpunkt einer Entwicklung dar, die mit der systematischen Ausgrenzung aus dem gesellschaftlichen und kulturellen Leben begann. Am Anfang standen die Aufkündigung des Rechts und die Verweigerung der Solidarität.

Wenn wir heute an den Holocaust erinnern, ist dies nicht nur ein Rückblick, sondern macht deutlich, dass die Würde und die Rechte eines jeden Menschen zu achten sind. Sie sind der normative Kern des demokratischen Rechtsstaats. Leider sind diese Grundlagen unseres Zusammenlebens in den vergangenen Jahren stark beschädigt worden. Die rechtspopulistische Propaganda hat wesentlich zur Vergiftung des sozialen Klimas beigetragen. Manche Beiträge zur Debatte um Migration und Integration sind von Fremdenfeindlichkeit, wenn nicht gar Rassismus geprägt. Seit dem Terroranschlag der Hamas am 7. Oktober 2023 hat auch in Deutschland die Zahl antisemitischer Angriffe auf besorgniserregende Weise zugenommen, sodass viele Juden sich unsicher und allein gelassen fühlen. Auch viele Muslime leiden im Alltag unter Vorurteilen und Anfeindungen.

Dass in den vergangenen Wochen Hunderttausende auf die Straße gegangen sind, um gegen die soziale Ausgrenzung von Menschen und für den demokratischen Rechtsstaat einzutreten, ist für mich eine ermutigende Erfahrung. Wir dürfen den öffentlichen Raum nicht den Verächtern der Demokratie und des Rechtsstaats überlassen. Gerade die Menschen, die angefeindet und angegriffen werden, brauchen unsere Solidarität. Sie brauchen unsere Solidarität im Alltag und auch bei der Stimmabgabe in den Wahlen dieses Jahres.“