| Pressemeldung | Nr. 210

Deutsche Bischofskonferenz veröffentlicht Arbeitshilfe zur Situation der Christen in Vietnam

„Verfolgte und bedrängte Christen“

Die Deutsche Bischofskonferenz hat heute (1. Dezember 2021) eine Arbeitshilfe zur Situation der Christen in Vietnam vorgestellt. Die Veröffentlichung ist Teil der jährlichen Initiative Solidarität mit verfolgten und bedrängten Christen in unserer Zeit, in deren Mittelpunkt ein bundesweiter Gebetstag am 26. Dezember steht.

Bischof Dr. Bertram Meier (Augsburg), Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, erklärte zur Situation in Vietnam: „In der vietnamesischen Verfassung sind zwar Grundrechte wie Presse- und Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und Religions- und Glaubensfreiheit festgeschrieben. Diese Grundrechte sind jedoch durch staatliche Restriktionen und Sonderbefugnisse der Behörden deutlich eingeschränkt.“ Grundsätzlich müsse man zur Lage der Christen in Vietnam deshalb feststellen: „Während Glaubensgemeinschaften in Städten wie Ho-Chi-Minh-Stadt oder Hanoi weniger unter staatlichen Repressionen zu leiden haben, erfahren sie insbesondere in entlegeneren Gegenden im Süden und Norden Vietnams erhebliche Diskriminierung durch die ansässigen Behörden. Dazu gehören auch Auseinandersetzungen um kirchliches Eigentum an Grund und Boden. Die schlagartige Zerstörung und der Abriss von Kirchen und Klöstern sind immer wieder Teil der staatlichen Unterdrückung.“ Darüber hinaus werde die Arbeit katholischer Priester und Katechisten unter den von der vietnamesischen Regierung als separatistisch angesehenen indigenen Völkern behindert. So solle die in den letzten Jahrzehnten fortgeschrittene Konversion von Indigenen zum Christentum aufgehalten werden. Auch Priester und Gläubige, die gegen die zunehmende Umweltverschmutzung protestierten oder sich gegen die stark verbreitete Korruption im Land zur Wehr setzten, würden von der Polizei belangt. Den Grund all dieser Einschränkungen führte Bischof Meier auf das Festhalten der kommunistischen Führung an einem Prinzip zurück: „Religiöse Aktivitäten sind nur unter der Kontrolle des Staates erlaubt. Der Machtanspruch der Kommunistischen Partei Vietnams wird konsequent durchgesetzt.“

Ungeachtet der staatlichen Kontrolle leiste die Kirche in Vietnam jedoch schon seit Jahrzehnten einen wertvollen Beitrag im Gesundheits- und Bildungswesen des Landes. Dazu gehöre auch der beispielhafte Dienst der Kirche an der Seite der Menschen während der aktuellen vierten Welle der Corona-Pandemie in Vietnam: „Viele katholische Ordensfrauen und Priester betreuen freiwillig in Krankenhäusern Corona-Patienten und riskieren dabei oft selbst eine Ansteckung mit dem Virus. Zudem mobilisiert die Ortskirche ihre Gemeinden, um Bedürftige in Quarantäne mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Priester und Laien sammeln Geld, um denjenigen zu helfen, die ihren Unterhalt aufgrund des Lockdowns nicht mehr bezahlen können“, erläuterte der Vorsitzende der Kommission Weltkirche. Auch die kommunistische Regierung respektiere das Vertrauen, das von der Bevölkerung der Kirche und den vielen Freiwilligen entgegengebracht wird. So stelle die Kirche in Vietnam einmal mehr ihre lebendige Kraft unter Beweis.

Dr. Gerhard Will (Berlin), Gastwissenschaftler der Forschungsgruppe Asien der Stiftung Wissenschaft und Politik, unterstrich in seinem Beitrag zur vietnamesischen Zivilgesellschaft, dass die Sozialistische Republik Vietnam in der Tradition eines von Lenin propagierten Staats- und Gesellschaftsverständnisses stehe, das alle staatlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aktivitäten dem Führungs- und Gestaltungsanspruch der Kommunistischen Partei unterwerfe. Dies bedeute, so Dr. Will, dass Journalisten, Blogger und Internet-Gruppierungen, die dieses Prinzip offen infrage stellten und auf ihrem – von der Verfassung formell garantierten – Recht auf freie Meinungsäußerung und Organisationfreiheit bestünden, mit willkürlichen Verhaftungen und mehrjährigen Gefängnisstrafen rechnen müssten. Dementsprechend alarmierend schilderte Dr. Will die damit verbundenen Herausforderungen zivilgesellschaftlicher Akteure in Vietnam: „Zivilgesellschaftliche Gruppierungen sind ständig gefordert, ihre Handlungsspielräume zu verstetigen und wann immer möglich, zu erweitern. Sie müssen darüber hinaus auch stets alle weitergehenden politischen Implikationen ihres Handelns berücksichtigen und dem teils sehr hohen Erwartungsdruck ihrer Anhänger gerecht werden.“ Da das politische und gesellschaftliche System Vietnams, das Stabilität und Geschlossenheit absoluten Vorrang einräumt, jedoch über wenig Erfahrung, Mittel und Wege verfüge, um mit solchen Konflikten konstruktiv umzugehen, sei dieser Zustand für die Zukunft der vietnamesischen Zivilgesellschaft besorgniserregend: „Konflikte, die bereits über einen längeren Zeitraum schwelen, können auf einmal eskalieren und eine Beendigung der Konflikte erfolgt meist nicht durch eine friedliche Beilegung bzw. einen für beide Seiten annehmbaren Kompromiss, sondern durch ein massives Eingreifen des staatlichen Repressionsapparates“, so der Asien-Experte.

Der Präsident des Internationalen Katholischen Missionswerks Missio in Aachen, Pfarrer Dirk Bingener, skizzierte in seinem Statement unter anderem die von Missio unterstützte Projektarbeit in Vietnam, die Menschen in den ärmsten Gebieten des Landes hilft: „Eines dieser Projekte ist ein Zentrum für die Ausbildung von Ordensleuten – insbesondere Schwestern – in der Diözese Vinh im nördlichen Zentralvietnam. Für ihre pastorale Arbeit in den abgelegenen und benachteiligten Gebieten des Landes benötigen sie dringend theologisches und psychologisches Grundwissen, das letztlich den besonders vulnerablen Bevölkerungsgruppen zugutekommt.“ Missio sei davon überzeugt, dass das Engagement dieser Ordensschwestern letztlich zu mehr Freiheiten sowohl für Männer als auch für Frauen führe: „Eine umfassende Bildung kann die Menschen dazu befähigen, ihre Rechte zu erkennen und mutig für sie einzutreten.“ Schließlich sollten, so Pfarrer Bingener, alle Menschen – vollkommen unabhängig von Religion, ethnischer Zugehörigkeit oder Geschlecht – in den verschiedenen Ländern dieser Welt eine geeignete und würdevolle Heimat finden, in der sie ihren Glauben in Freiheit bekennen können – ohne Angst vor Unterdrückung oder gar Verfolgung.

Hintergrund
Die Arbeitshilfe Solidarität mit verfolgten und bedrängten Christen in unserer Zeit – Vietnam gibt einen Überblick über die Situation der Christen in dem südostasiatischen Küstenstaat. Die Arbeitshilfe erläutert aktuelle Konfliktlinien innerhalb der Gesellschaft, analysiert die Hintergründe und lässt Mitglieder der Ortskirche zu Wort kommen.

Die Initiative Solidarität mit verfolgten und bedrängten Christen in unserer Zeit wurde von den deutschen Bischöfen 2003 ins Leben gerufen, um für die Lage bedrohter Glaubensgeschwister zu sensibilisieren. Mit Publikationen, liturgischen Handreichungen und öffentlichen Veranstaltungen wird auf die teilweise dramatischen Verhältnisse christlichen Lebens in verschiedenen Teilen der Welt aufmerksam gemacht. Zusätzlich pflegen die Bischöfe mit Solidaritätsreisen den Kontakt zu den unter Druck stehenden Ortskirchen. In Deutschland sucht die Bischofskonferenz auch immer wieder das Gespräch mit Politikern und gesellschaftlichen Akteuren, um auf bedrohliche Entwicklungen hinzuweisen. Jährlicher Höhepunkt der Initiative ist der Gebetstag für verfolgte und bedrängte Christen am 26. Dezember (Stephanustag), der in allen deutschen Diözesen begangen wird.
 

Hinweis:

Die Arbeitshilfe Solidarität mit verfolgten und bedrängten Christen in unserer Zeit – Vietnam ist als pdf-Datei zum Herunterladen in der Rubrik Publikationen verfügbar. Dort kann das Dokument auch als Broschüre (Arbeitshilfen Nr. 328) bestellt werden.

Die Statements von Bischof Dr. Bertram Meier, Pfarrer Dirk Bingener und Dr. Gerhard Will sind untenstehend als pdf-Dateien verfügbar.

Weitere Information zur Initiative finden Sie auf der Themenseite Solidarität mit verfolgten und bedrängten Christen.

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