| Pressemeldung | Nr. 105
Enzyklika „Lumen fidei“
Anlässlich der heute im Vatikan vorgestellten Enzyklika „Lumen fidei“ von Papst Franziskus würdigt der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, das Dokument in einer ersten Stellungnahme. Wir dokumentieren den Wortlaut von Erzbischof Zollitsch.
Seit Wochen wurde die erste Enzyklika von Papst Franziskus erwartet. Vor allem aber ist in den letzten Monaten der Amtszeit von Papst Benedikt XVI. immer wieder auch offiziell angekündigt worden, der Papst beende bald eine Enzyklika über den Glauben. In der knappen Zeit vor dem Wirksamwerden seines Rücktritts am 28. Februar 2013 ist es dann nicht mehr möglich gewesen, die Enzyklika unmittelbar aus der Hand von Papst Benedikt XVI. zu veröffentlichen. In dem nun von Papst Franziskus am 29. Juni 2013, dem Fest Peter und Paul, unterschriebenen Text weist er darauf hin, dass er den Text seines Vorgängers weitgehend übernommen hat. Es heißt in der Enzyklika wörtlich (Nr. 7): „Diese Gedanken über den Glauben möchten – in Kontinuität mit all dem, was das Lehramt der Kirche über diese theologale Tugend ausgesagt hat – eine Ergänzung zu dem sein, was Benedikt XVI. in den Enzykliken über die Liebe und die Hoffnung geschrieben hat. Er hatte eine erste Fassung einer Enzyklika über den Glauben schon nahezu fertig gestellt. Dafür bin ich ihm zutiefst dankbar. In der Brüderlichkeit in Christus übernehme ich seine wertvolle Arbeit und ergänze den Text durch einige weitere Beiträge.“
Es ist ein bemerkenswertes Zeichen, dass Papst Franziskus bei aller Verschiedenheit der beteiligten Personen und Charismen großzügig von seinem Vorgänger die Ausarbeitung in der Substanz übernommen hat, was auch für die Kontinuität der Lehre in der Kirche und über die enge Zusammengehörigkeit beider viel aussagt. So fügen sich beide Pontifikate gut zusammen. Außerdem wird ein Zyklus abgeschlossen, der noch eng mit Papst Benedikt XVI. verbunden ist. Er hat ja in einer wohlbedachten Entscheidung seine erste Enzyklika vom 25. Dezember 2005 dem grundlegenden Thema „Gott ist die Liebe“ (Deus caritas est), seine zweite vom 30. November 2007 mit dem Titel „Auf Hoffnung hin gerettet“ (Spe salvi) dem Ausblick des Menschen auf die Zukunft und ihre Vollendung jenseits der Geschichte und eine dritte vom 29. Juni 2009 „Die Liebe in der Wahrheit“ (Caritas in veritate) dem sozialen Auftrag der Kirche gewidmet. Es ist leicht zu erkennen, dass das neue Weltrundschreiben, nun aber unter der Verantwortung von Papst Franziskus, mit dem Thema des Glaubens (Lumen Fidei) den Reigen der drei theologischen Grundkräfte Glaube, Hoffnung, Liebe vollendet. Von Anfang an war auffällig, dass Benedikt XVI. mit den sehr positiv aufgenommenen Ausführungen über die Liebe begann und diese noch verstärkte und konkretisierte durch die Sozialenzyklika „Caritas in veritate“. Alle diese Aussagen sollten dann wohl zu einer in gewisser Weise zusammenfassenden Betrachtung über den Glauben hinführen.
Die Enzyklika mit den Anfangsworten „Lumen fidei“, also „Licht des Glaubens“, ist unzertrennlich verbunden mit dem von Papst Benedikt XVI. am 16. Oktober 2011 ausgerufenen „Jahr des Glauben“. Papst Franziskus erinnert daran (Nr. 6): „Das Jahr des Glaubens begann am 50. Jahrestag der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils. Dieses Zusammentreffen verhilft uns zu der Einsicht, dass das Zweite Vatikanum ein Konzil über den Glauben war, insofern es uns aufgefordert hat, den Vorrang Gottes in Christus wieder zum Zentrum unseres kirchlichen und persönlichen Lebens zu machen. Die Kirche setzt den Glauben nämlich niemals als etwas Selbstverständliches voraus, sondern weiß, dass dieses Geschenk Gottes genährt und gestärkt werden muss, damit es weiterhin ihren Weg lenkt. Das Zweite Vatikanische Konzil hat den Glauben innerhalb der menschlichen Erfahrung erstrahlen lassen und ist so die Wege des heutigen Menschen gegangen. Auf diese Weise ist sichtbar geworden, wie der Glaube das menschliche Leben in allen seinen Dimensionen bereichert.“
Das erste Weltrundschreiben aus der tiefen Gemeinschaft des Dienstes beider Päpste kann also vor diesem Hintergrund als Mitte und eine Art Grundschrift sowohl zum „Jahr des Glaubens“ als auch zum Gedenken des Zweiten Vatikanischen Konzils verstanden werden.
„Das Licht des Glaubens“ besteht, abgesehen von der Einleitung (Nr. 1 bis 7) und einem kurzen Schluss (Nr. 58 bis 60), aus insgesamt vier Kapiteln mit 60 Abschnitten. 50 Anmerkungen aus der Tradition vor allem der Kirchenväter und der Konzilien, aber auch aus Zeugnissen der Gegenwart belegen die Aussagen. Nun zu den Inhalten, soweit eine Zusammenfassung möglich ist.
- Die Einleitung (Nr. 1 bis 7) macht schon darauf aufmerksam, dass die in der Bibel und der Tradition klassische Aussage vom „Licht des Glaubens“ auch gerade im Horizont der heutigen säkularen Welt sorgfältig erläutert werden muss. Es gibt viele Einwände, der Glaube sei trügerisch und Sache von Dunkelmännern. Umso mehr muss er in seiner ganzen Tiefe und Weite wiederentdeckt werden. Er hat eine Strahlkraft auch für heute.
- Das erste Kapitel (Nr. 8 bis 22) zeigt auf, dass wir im Glauben die Liebe Gottes zu uns Menschen annehmen. Wir erfinden ihn nicht. Er ist eine Gabe. Abraham ist auch für den Christen das Urbild des Glaubens. Diesen haben wir zunächst von den Eltern und Erziehern auf unserem Lebensweg überliefert bekommen. Immer wieder stoßen wir auf die Einsicht: „Wer glaubt, ist nie allein.“ Deswegen ist die gemeinschaftliche und kirchliche Gestalt des Glaubens von Anfang an wichtig.
- Das zweite Kapitel (Nr. 23 bis 36) zielt auf das Verhältnis von Glauben und Verstehen. Ausgangspunkt ist, dass der Mensch die Erkenntnis der Wahrheit braucht und dass es einen grundlegenden Zusammenhang gibt zwischen Glaube und Wahrheit. Dabei ist Gott selbst Anfang und Grund: Weil Gott verlässlich ist, ist es vernünftig, an ihn zu glauben. Durch die innere Verbindung mit der Wahrheit ist der Glaube fähig, ein neues Licht zu bieten. Dies geht aber weiter als zu bloßer Erkenntnis. Auch die Liebe bedarf der Wahrheit. Ohne Wahrheit kann die Liebe keine feste Bindung geben und kann auch nicht über sich hinausgehen. Liebe und Wahrheit kann man nicht trennen. In der Tiefe ist Glauben zugleich Hören und Sehen. Beides darf man nicht gegeneinander ausspielen. Letztlich kann man dies aber nur von der konkreten Person Jesu her verstehen, den man sieht und hört. Die Enzyklika setzt sich hier mit der üblichen Kennzeichnung der biblischen und griechischen Denkweise auseinander. Glaube und Vernunft stärken sich gegenseitig und brauchen stets einen lebendigen Dialog. In diesem Sinne ruft der Glaube auch das wahre Suchen nach einem letzten Grund, der allen Fragen standhält, und das kritische Bewusstsein wach. Dadurch weitet der Glaube auch die Horizonte der Vernunft. Das Staunen ist z.B. eine Antwort darauf. Daraus entsteht auch die Theologie, die ohne Glauben unmöglich ist. Sie kann man nur authentisch betreiben, wenn man die Demut hat, sich von Gott anrühren zu lassen und die Disziplin kennt, die der Ordnung der Vernunft zugehört.
- Das dritte Kapitel (Nr. 37 bis 49) geht davon aus, dass derjenige, der Licht von Gott empfangen hat, diese Gabe nicht für sich behalten kann. Deshalb gehört die Weitergabe des Glaubens zu seinem Wesen. Diese Weitergabe kann nur im Raum der Kirche geschehen, die uns lehrt, die Sprache des Glaubens zu sprechen. In diesem Zusammenhang sind die Katechese und das Glaubensbekenntnis der Kirche, aber auch der Dekalog (zehn Gebote) und die Evangelisierung von großer Bedeutung. Die Taufe (mit der Firmung) und die Eucharistie werden hier als die „großen“ Sakramente ausführlicher dargestellt. Das Vaterunser gehört nicht weniger zu den zentralen Schätzen des Glaubens der Kirche, womit auch das Gebet als eine weitere Säule erscheint. Es muss dabei immer auch um den ganzen Glauben gehen, der unversehrt erhalten werden muss und nur so weitergegeben werden kann. Dieser Aufgabe dient der Dienst des Amtes. Dafür wird der Kirche auch die Gabe der apostolischen Sukzession geschenkt.
- Das vierte Kapitel (Nr. 50 bis 57) geht über die innere Festigkeit des Glaubens hinaus und zeigt, dass auch die zwischenmenschlichen Beziehungen von dieser Beständigkeit befruchtet werden. Der verlässliche Gott schenkt durch Glauben und Liebe den Menschen auch eine verlässliche Stadt. Dies zeigt sich besonders im Dienst der Gerechtigkeit, des Rechtes und des Friedens. Dadurch wird die menschliche Gemeinschaft grundlegend bereichert. Der Glaube entfernt nicht von der Welt. Der Glaube macht die Strukturen der menschlichen Beziehungen einsichtig. Dadurch wird er zu einem Dienst am Gemeinwohl. Er hilft uns, unsere Gesellschaften so aufzubauen, dass sie einer Zukunft voll Hoffnung entgegengehen. Dies wird besonders für die Familie und darin für die Ehe sowie die Kinder aufgezeigt. So kann der Glaube die menschlichen Beziehungen erleuchten. Aber auch die Würde eines jeden Menschen wird durch den Glauben gestützt. Schließlich bietet der Glaube auch die Möglichkeit zur Vergebung, die nicht zuletzt Zeit, Bemühen, Geduld und Einsatz verlangt. Dazu gehört auch die Bereitschaft, Konflikte auf sich zu nehmen und durchzutragen. Endlich hilft der Glaube auch als tröstende Kraft im Leiden. „Der Glaube ist nicht ein Licht, das all unsere Finsternis vertreibt, sondern eine Leuchte, die unsere Schritte in der Nacht leitet, und dies genügt für den Weg.“ (Nr. 57) Diese Hoffnung dürfen wir uns nicht stehlen lassen.
- Im Schluss (Nr. 58 bis 60) werden diese Einsichten besonders in ihrer Fruchtbarkeit an Maria aufgezeigt. Die Mutter des Herrn ist eine vollkommene Ikone des Glaubens. In ihr zeigt sich der Glaube reich an Frucht. Sie empfängt durch ihr Ja Glaube und Freude. Sie ist uns nahe. „Maria ist durch ihre Beziehung zu Jesus eng mit dem verbunden, was wir glauben.“ (Nr. 59) Der Text mündet in ein Gebet an Maria, die Mutter der Kirche und die Mutter unseres Glaubens.
Der Text der Enzyklika liest sich gut. Er ist in jeder Hinsicht verständlich. Er hat ein gutes biblisches Fundament und ist darum auch ökumenisch offen. Das Johannesevangelium, Paulus und der Hebräerbrief haben eine leitende Funktion. Der Text verlangt freilich die Bereitschaft, sich auf einen meditativen Stil einzulassen. Er ist abwechslungsreich im Blick auf Bilder, Personen als Vorbilder und Reflexionen. Er ist unaufgeregt und schenkt Ruhe. Er will überzeugen, nicht indoktrinieren.
Die Zitate und Hinweise entstammen der ganzen Breite der Überlieferung des Glaubens der Kirche. Im Vordergrund stehen vor allem Augustinus, aber auch Irenäus sowie das Zweite Vatikanische Konzil, und hier die Dogmatischen Konstitutionen über die Kirche und über die Offenbarung. Aber auch sonst wird der Reichtum von Kultur und Kunst genützt. So gibt es Zeugnisse von Martin Buber, Fjodor Michailowitsch Dostojewski, Romano Guardini, John Henry Newman und auch Heinrich Schlier. Franziskus von Assisi und Mutter Teresa erscheinen als konkrete Zeugen des Glaubens.
Mit der Enzyklika „Lumen fidei“ schenkt uns Papst Franziskus eine Wegmarke der Theologie. Mit dem Text erfährt die Kirche Ermutigung, Wegweisung und Erinnerung. Ich bin Papst Franziskus für dieses Zeugnis des Glaubens dankbar. „Da der Glaube Hören und Sehen ist, wird er auch als Wort und Licht weitergegeben.“ (Nr. 37) In diesem Sinne ermutigt Papst Franziskus die Gläubigen zu einem lebendigen Engagement in der Kirche. Denn die „Kirche ist eine Mutter, die uns lehrt, die Sprache des Glaubens zu sprechen“ (Nr. 38). Diese Sprache des Glaubens greift Papst Franziskus in einem Wort seines Vorgängers auf, wenn er sagt: „Es ist unmöglich, allein zu glauben“ (Nr. 39), der Glaube lebt vom „wir“ und nicht nur vom „ich“. Hier sehe ich die Erinnerung, die uns der Heilige Vater gibt: Glaube ist immer auch gemeinschaftliches Glauben als ganze Kirche, als Einheit der Kirche. Deshalb gibt uns Papst Franziskus den Auftrag mit, Glauben als lebendige Beziehung in der Gemeinschaft mit Gott zu leben. Gott ist, so der Heilige Vater, Gemeinschaft: „Wer den Glauben bekennt, sieht sich in die Wahrheit, die er bekennt, einbezogen.“ (Nr. 45) So wird der Glaube zum dialogischen Geschehen.
Unverkennbar ist gerade im deutschen Text der Ton von Papst Benedikt XVI. Aber man wird auch viel erinnert an Sprache und Spiritualität von Papst Franziskus. Dass Franziskus in hohem Maß sich den Entwurf seines Vorgängers zu Eigen machte, bedeutet ein schönes Zeugnis für die Einheit und Kontinuität der Kirche und ihrer Verantwortlichen. So kann uns diese Enzyklika in ihrer intellektuellen und spirituellen Kraft, zu der auch ihre Besinnlichkeit und Stille gehören, in den oft schrillen Aufgeregtheiten und bitteren Krisen unserer Tage zur Wachheit und Gelassenheit des Glaubens zugleich führen. Wir danken Papst Franziskus für diese erste Enzyklika, die uns die Gelegenheit gibt, auch nochmals Papst Benedikt XVI. ein herzliches „Vergelt´s Gott“ zuzurufen.
Hinweise:
Die Enzyklika in deutscher Sprache finden Sie als pdf-Datei zum Herunterladen sowie im Wortlaut auf der Internetseite des Vatikan.
In Kürze wird die Enzyklika auch in der Broschürenreihe des Sekretariats der Deutschen Bischofskonferenz als „Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 193“ erscheinen.