| Pressemeldung | Nr. 158

Erklärung von Bischof Dr. Heiner Wilmer SCJ zur Veröffentlichung des Apostolischen Schreibens „Laudate Deum“

Vorsitzender der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz und der Deutschen Kommission Justitia et Pax

Acht Jahre nach seiner damals aufsehenerregenden Enzyklika Laudato siʼ hat Papst Franziskus nun das Apostolische Schreiben Laudate Deum – An alle Menschen guten Willens über die Klimakrise veröffentlicht. Laudato siʼ wird oft als erste Umweltenzyklika in der Geschichte der katholischen Kirche bezeichnet; sie reflektiert die Zusammenhänge zwischen der ökologischen Krise und der sozialen Krise der heutigen Menschheit. Das neue Dokument knüpft ausdrücklich an diese Enzyklika an, richtet den Fokus jedoch entschlossen auf die „Klimakrise“, wie es schon im Titel heißt. „Klimakrise“, nicht Klimawandel. Der drängende Ton, der hier angeschlagen wird, bestimmt das gesamte Schreiben. Papst Franziskus will aufrütteln. Er schreibt differenziert, lässt aber an keiner Stelle zu, dass die Differenzierungen den schonungslosen Blick auf die Wirklichkeit entspannen. Er wagt eine zugespitzte Zeitdiagnose, die auf Entscheidung drängt.

In den Jahren seit Laudato siʼ ist (nicht nur nach Einschätzung des Papstes) viel zu wenig unternommen worden, um der von Menschen verursachten Erderwärmung entgegenzutreten. Zwar anerkennt Papst Franziskus bestimmte Fortschritte, sieht aber nirgendwo die Bereitschaft, das Notwendige entschlossen zu tun – eine mangelnde Lernbereitschaft, die schon nach der Finanzkrise 2008 und der Covid-Pandemie zu beobachten gewesen sei. Eine im Klein-Klein politischen Handelns, in der Relativierung der Probleme und teilweise sogar in offenkundiger Ignoranz verfangene Weltgemeinschaft erinnert der Papst deshalb an den Stand der Klimawissenschaften. Diese hält schwerwiegende und möglicherweise unkontrollierbare Folgen für das Leben auf der Erde für wahrscheinlich, wenn es nicht gelingt, die Erwärmung seit dem vorindustriellen Zeitalter im Korridor von 1,5 bis 2 Grad zu halten. Bei 3 Grad wäre mit gänzlich katastrophalen Entwicklungen zu rechnen.


Das Apostolische Schreiben scheut die „politische“ Rede nicht. Ein ganzes Kapitel ist der bevorstehenden Klimakonferenz in Dubai (COP28) gewidmet. Papst Franziskus legt die Messlatte für deren Erfolg hoch: Es gehe um „verbindliche Formen der Energiewende“: Diese müssen effizient, verpflichtend und leicht überwacht werden können. Ausdrücklich werden Sanktionen im Falle der Nichteinhaltung bestimmter Standards angesprochen.

Aber bei aller Bereitschaft, der Tagesaktualität nicht auszuweichen, redet der Papst doch nicht als Politiker. Ausführlich spürt er den tieferen Gründen für das Versagen von Politik und Gesellschaft im Kampf gegen die Klimakrise nach.

Dazu zählt die Schwergängigkeit von verbindlicher Entscheidungsfindung in der internationalen Gemeinschaft. Diese neige – wie nicht nur die Klimakonferenzen zeigten – zur Selbstblockade, weil die Eigeninteressen der Staaten immer wieder in den Vordergrund drängten. Papst Franziskus plädiert deshalb für eine „politische Weltautorität“, die er aber nicht im Sinne einer Weltregierung verstanden wissen will. Stattdessen sollten die Weltorganisationen – hier ist wohl an die Vereinten Nationen und deren Unterorganisationen zu denken – mit größerer Autorität ausgestattet werden, um ihre Wirksamkeit zu erhöhen. Im Rahmen einer Neugestaltung des „Multilateralismus“ misst der Papst auch der globalen Zivilgesellschaft eine große Rolle zu und spricht von einem „Multilateralismus ‚von unten‘“.

Aber die Analyse von Papst Franziskus über die zentralen Gründe für das Versagen angesichts der Klimakrise greift über solche Überlegungen zur politischen Ordnung hinaus – oder besser gesagt: Sie greift tiefer. Sie berührt die Haltungen und Mentalitäten, die in der Welt von heute – besonders in den mächtigen Staaten – bestimmend sind. Sie fragt nach dem Selbst-Verständnis des modernen Menschen und seinem Welt-Verhältnis. Der Papst wählt dafür den Begriff des „wachsenden technokratischen Paradigmas“, den er bereits in Laudato siʼ entfaltet hat. Den Kern dieser Grundhaltung zur Welt sieht er dabei in der Vorstellung, „die Wirklichkeit, das Gute und die Wahrheit“ gingen „spontan aus der technologischen und wirtschaftlichen Macht selbst hervor“ – eine Auffassung, die mit der „Idee eines unendlichen und grenzenlosen Wachstums“ eng verbunden sei. Der Mensch verstehe sich daher nicht mehr als Teil der Schöpfung. Alles sei ihm nur noch Umwelt, Material und Ressource. Papst Franziskus äußert nachdrückliche Zweifel an der hier wirksamen „Vorstellung eines Menschen ohne jegliche Grenzen“ und der damit einhergehenden Erwartung, dass alle Probleme, die gerade so geschaffen werden, auch durch menschliche Machtentfaltung gelöst werden können. Stattdessen fordert Laudate Deum einen neuen „Umgang mit der Macht“. Sie dürfe nicht länger in den Händen nur eines kleinen Teils der Menschheit liegen und müsse sich eingestehen, dass sie auf Ethik, Kultur und Spiritualität angewiesen sei, um Grenzen zu erkennen und Selbstbeschränkung wieder zu ermöglichen.

Das neue Schreiben von Papst Franziskus ist Ausdruck der katholischen Soziallehre, die immer schon sowohl über gesellschaftliche und politische Strukturen als auch über die Verantwortung der Einzelnen nachgedacht hat. So sehr der Schwerpunkt von Laudate Deum auf den strukturellen Fragen liegt, die von den Individuen und Gruppen nur indirekt beeinflusst werden können, so sehr mahnt der Text doch auch die kleinen Beiträge an, die Menschen überall auf der Welt leisten können, um der Klimakrise etwas entgegenzusetzen. Zum einen, weil jedes individuelle Verhalten für die ökologische Gesamtbilanz der Menschheit seine Bedeutung habe. Zum anderen, weil solches Verhalten – wenn viele sich dazu entschließen – einen kulturellen Wandel, die Überwindung des „technokratischen Paradigmas“, anbahnen könne und damit auch durchgreifende politische Entscheidungen neuer Art ermögliche.

Fürs Erste bleibt der dringende Wunsch, dass die jetzt anstehenden Entscheidungen, etwa auf der COP28, trotz aller Widerstände und Widrigkeiten, trotz aller egoistisch verfolgten Eigeninteressen und trotz aller Neigung zur Wirklichkeitsverdrängung getroffen werden. Mit seinem flammenden Plädoyer hat Papst Franziskus dazu einen Anstoß gegeben. Man kann nur hoffen, dass seine Worte bei den Verantwortlichen Eindruck hinterlassen. Denn die Zeit drängt.

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