| Pressemeldung | Nr. 022

Frühjahrs-Vollversammlung in Augsburg: Predigt von Erzbischof Dr. Stefan Heße in der Eucharistiefeier am 22. Februar 2024

Gebet um den Frieden in der Ukraine und im Heiligen Land

Lesung:    1 Petr 5, 1–4
Evangelium:    Mt 16, 13– 9

Das heutige Fest der Kathedra Petri führt uns direkt in den Petersdom nach Rom. Wahrscheinlich tritt vielen von uns die Rückseite des Chores der Peterskirche vor Augen. Dort sehen wir das Behältnis der Kathedrale Petri, das Bernini zwischen 1658 und 1666 erschaffen hat. Nach einer Legende soll sich in diesem erhabenen Behältnis der bischöfliche Ehrensitz des Heiligen Petrus befinden. (In Wirklichkeit befindet sich darin ein mit feingeschnitzten Elfenbeinplättchen verzierter Holzthron, den Kaiser Karl der Kahle dem Papst anlässlich seiner 875 in Rom erfolgten Krönung zum Geschenk gemacht hat.)

Bleiben wir einen Augenblick in unseren Gedanken bei diesem Bischofssitz, dieser Kathedra Petri, die gerade im Petersdom in unmittelbarer Nähe zum Grab des hl. Petrus so hervorgehoben wird. Sie schwebt von oben herab und steht in Verbindung zum ovalen Fenster, das die Gegenwart des Hl. Geistes sichtbar zum Ausdruck bringen will. Für mich ist diese Kathedra in der Peterskirche in ihrer Größe und in ihrem Schweben zwischen Himmel und Erde eine direkte Interpretation dessen, was Christus im Evangelium heute zu Petrus gesagt hat: „nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel“ (Mt 16,17 b). Das unterscheidet die Kathedra vom Katheder. Letzteres bringt Menschenweisheit zur Sprache; die Kathedra ist der Ort, an dem Gottes Stimme, Gottes Horizont zur Sprache kommen muss. Hier ist mehr zu hören als die Weisheiten dieser Welt.

Deswegen ist es gut, immer wieder zu spüren, dass eine Kathedra für gewöhnlich größer ist, als es für den, der darauf Platz nimmt, eigentlich nötig wäre. Die Kathedra lässt mich als Bischof förmlich spüren, dass ich ein Geheimnis zu verkünden habe, das über mich und meinen Horizont deutlich hinausgeht. Auf meinem eigenen Bischofsstuhl im Hamburger Sankt Mariendom, geschaffen bei der Renovierung des Domes im Jahre 2008, merke ich das zudem an einem roten Farbband in meinem Rücken, das bei genauem Hinsehen in zwölf Felder eingeteilt ist und damit wie selbstverständlich an die zwölf Apostel anknüpft. Auf ihrem Glauben ruht meine Verkündigung heute. Der rötliche Farbton symbolisiert, dass sie mit ihrem Leben für diesen Glauben eingestanden sind. Er verpflichtet jeden, der auf einer Kathedra zu sitzen kommt.

Und dennoch bin ich dankbar, dass im Gegensatz zu der barocken Darstellung im Petersdom in Rom jede bischöfliche Kathedra mit vier Beinen auf der Erde steht. Sie ist eingebettet in einen Kontext, an einen Ort, eine Ortskirche, eine bestimmte Zeit. Sie schwebt eben nicht im luftleeren Raum.

Bevor die Kathedra zum Ort der Verkündigung wird, ist sie Ort des Platz-Nehmens und des Hörens. Manchmal mache ich die Erfahrung, dass meine Kathedra mobil ist. Auf der großen im Dom sitze ich nur bei besonderen Gelegenheiten, aber wie oft werden die ganz normalen Stühle und Sitzgelegenheiten im Alltag zu meiner Kathedra: wenn ich an einem Krankenbett sitze, vor einer Schulklasse, manchmal auf einem winzigen Stühlchen in der Kita oder an den Tischen von Behörden und Politikern, in Diskussionsrunden, bei den Versammlungen von Gremien und Räten, da, wo ich eingeladen bin in Politik oder Wirtschaft.

Mich hat schon oft eine Erfahrung aus dem Leben des brasilianischen Kardinals Aloisio Lorscheider berührt. Seine Versetzung aus dem reichen Süden Brasiliens im Jahre 1973 zum Erzbischof von Fortaleza im armen Nordosten von Brasilien hat ihn entscheidend verändert. War er zunächst ein stark dozierender Bischof, einer, der lange als Professor gelehrt und nun auf die Kathedra gewechselt ist, der es verstand, den Menschen eine Richtung vorzugeben, der Pastoralpläne noch selber –  und die (z. B. während eines Fluges) kurzerhand – verfasst hat, so wird er an der neuen Wirkungsstätte jemand, der hört, der wenig sagt und offenbar nur spricht, wenn er ausdrücklich gebeten wird. Lorscheider hat diese Veränderung bewusst wahrgenommen und interpretiert: „Es ist notwendig, den sozialen Ort zu ändern, um auch die Kirche und die Theologie ändern zu können. Wenn sich ein Priester inmitten seines Volkes stellt, dann ändern sich seine Themen, seine Worte, seine Beispiele, die er benutzt, das Denken darüber, was wichtig ist und was nicht.“(1) Gerade Papst Franziskus verfolgt m. E. genau diesen Weg, um den Menschen in dieser Zeit großer Unsicherheit Orientierung zu geben. Dabei werden gerade die Armen und die sog. Ränder, die Peripherien, zu Orten und Anlässen zur Umkehr und Reform der Kirche.

In wenigen Wochen werden zwei neue Bischöfe ihre Kathedra besteigen, in Bamberg und in Paderborn. Das Bewusstsein, dass man mit dem ersten Niedersetzen auf der Kathedra die neue Aufgabe annimmt, ist im Volk Gottes immer noch vorhanden. Gewöhnlich wird genau in diesem Augenblick von Herzen applaudiert. Der Applaus der ersten Stunde bleibt einem in aller Regel nicht immer treu. Wichtig ist, dass jeder, der auf einer Kathedra sitzt, in dieser Spannung bleibt: nach oben, auf Gottes Wort und Perspektive zu hören, dies immer wieder neu aufzunehmen und sich selber in die Weite des katholischen Glaubens zu stellen und ihn formen und konkretisieren zu lassen in den alltäglichen Gegebenheiten der Menschen, für die wir Bischöfe bestellt sind. So ergänzt sich die großartige Kathedra Petri im Petersdom mit den Bischofsstühlen in unseren Diözesen. So kann jeder Bischof den Auftrag Christi umsetzen: Du aber stärke Deine Brüder und Schwestern (vgl. Lk 22,32).

Fußnote:
(1) Aloisio Lorscheider, Parteinahme für die Armen. Rundfunkansprachen aus Brasilien (München 1984), 31 f.
 

Hinweis:

Auch das Gebet um den Frieden in der Ukraine und im Heiligen Land aus der Eucharistiefeier ist untenstehend als PDF-Datei verfügbar.

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