| Pressemeldung | Nr. 024

Gedenkgottesdienst für die Opfer des Krieges in der Ukraine

Initiative des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen

Das Generalsekretariat der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) hat dazu aufgerufen, an jedem Tag der Fastenzeit 2024 in einem der Länder Europas, die Heilige Messe im Gedenken an die Opfer des Krieges in der Ukraine zu feiern und für den Frieden zu beten. Für Deutschland ist Montag, 26. Februar 2024, als Gedenktag ausgewählt worden. Der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Michael Gerber, hat heute (26. Februar 2024) um 18.30 Uhr die Heilige Messe in der Michaelskirche in Fulda gefeiert. Wir dokumentieren seine Predigt:

Liebe Schwestern und Brüder!

Am Samstag (24. Februar 2024) haben im gut gefüllten Dom zu Fulda wie an vielen anderen Orten viele Gläubige unterschiedlicher Konfessionen, haben Christen unterschiedlicher Nationen des zweiten Jahrestages des brutalen Angriffs Russlands auf die Ukraine gedacht. Ich danke unserem Weihbischof Karlheinz Diez und Pfarrer Ivan Hnativ, dem ukrainisch-katholischen Seelsorger hier im Bistum Fulda, für Ihren Einsatz. Es ist ein klares Zeugnis: Wir gewöhnen uns nicht an die Nachrichten, die uns tagtäglich aus der Ukraine erreichen. Wir schauen hin, was dort geschieht, aber wir schauen nicht zu. Unser Einsatz geht weiter, etwa im Engagement unserer Caritas und unserer Malteser, sowohl vor Ort an den Kriegsschauplätzen als auch hier im Einsatz für die Geflüchteten. Es darf keine Gewöhnung an den Terror geben, den wir mitten in Europa und leider auch an vielen anderen Kriegsschauplätzen erleben. Sich mit der Unterdrückung und Aggression zu arrangieren, ist das Gegenteil von Frieden. Friede ist nur da möglich, wo ein Raum geschaffen wird, in dem die Würde und damit die Freiheit eines jeden Menschen geachtet wird.

Das mag für die Predigt in einer Eucharistiefeier sehr politisch klingen. Aber – die Heilige Schrift selbst ist an nicht wenigen Stellen ebenfalls sehr politisch. So haben wir eben in der Lesung gehört:

„Von deinen Geboten und Rechtsentscheiden sind wir abgewichen. Wir haben nicht auf deine Diener, die Propheten gehört, die in deinem Namen zu unseren Königen und Vorstehern, zu unseren Vätern und zu allen Bürgern des Landes geredet haben.“ In der heutigen Lesung hören wir ein Schuldbekenntnis aus dem Buch Daniel. Die Leseordnung der Fastenzeit lädt uns damit ein, auf uns selbst zu schauen und uns die Frage zu stellen, wie sieht es um unser Hören auf das Wort Gottes aus. Das ist die persönliche Ebene.

Zugleich hat dieser Text noch eine weitere, politische Ebene, die in unseren Tagen sehr aktuell ist. Es ist eine Ebene, die uns auf dem Hintergrund unseres heutigen Gedenkens der Opfer des Krieges und der Sorge um den Frieden einen wichtigen Impuls gibt. Warum?
In der Lesung, die wir eben gehört haben, kommen mehrere Größen vor:

  • Da ist die Rede von den „Geboten und Rechtsentscheiden“, von denen wir – gemeint ist das ganze Volk Gottes – abgewichen sind.
  • Weiterhin ist von den Propheten die Rede, die im Namen Gottes zu den Königen und Vorstehern und zu allen Bürgern des Landes geredet haben.

Zunächst einmal klingt das für uns, die wir mit verschiedenen Texten der Bibel vertraut sind, nicht besonders außergewöhnlich. Doch in Verbindung mit dem 17. und 18. Kapitel des Buches Deuteronomiums klingt hier ein sehr moderner Aspekt an. Im Buch Deuteronomium wird eine Vision entwickelt, wie das Volk Gottes regiert werden soll. Es gibt einen König, der vom Volk eingesetzt werden kann. Dieser König steht unter dem Gesetz. Er soll – so steht es da – „die Weisung mit sich führen und in der Rolle lesen, damit er lernt, den Herrn, seinen Gott zu fürchten, alle Worte dieser Weisung und diese Gesetze so zu bewahren, sie zu halten, sein Herz nicht über seine Brüder zu erheben und von dem Gebot weder rechts noch links abzuweichen“ (Dtn. 17,19 f.).

Im Kontrast zu dem, was das Verständnis der Nachbarvölker Israels betrifft, ist das eine Revolution. Bei den meisten anderen Völkern dieser Zeit ist der jeweilige Herrscher gottgleich. Er selbst ist das Gesetz. In Israel hingegen entwickelt sich die Vision eines Königs, der nach der Wahl eingesetzt wird und der unter dem Gesetz steht. In der Tat, alle Könige, die Israel hat, werden kritisch beleuchtet, angefangen von Saul, David und Salomo. Die Klage des Buches Daniels in der heutigen Lesung bezieht sich genau auf dieses Abweichen. Israel bekennt damit die Folgen eines schlechten Regierens von Königen, die das Gesetz übertreten haben.

Zurück in die Gegenwart. Was sich im Buch Deuteronomium findet, ist ein früher Ansatz von dem, was wir heute als „Gewaltenteilung“ bezeichnen. Der Herrscher wird gewählt, er steht unter dem Gesetz, darf keinesfalls der Versuchung unterliegen, selbst Gesetz zu sein und das Übertreten des Gesetzes hat Folgen.

Die Gefahr, dass Mandatsträger Gesetze überschreiten, gibt es auch in einer Demokratie. Doch hier finden wir Mechanismen der Kontrolle, der Korrektur und der Sanktionen. Nicht so in einer Autokratie: Der Herrscher wird selbst zum Gesetz, was er sagt, gilt in seinem Herrschaftsbereich als Wirklichkeit.

Betrachten wir also aus der Perspektive der heutigen Lesung und des Buches Deuteronomium den aktuellen Krieg zwischen Russland und der Ukraine, dann geht es dabei auch um das Erbe unseres Gottesvolkes. Auf der einen Seite ein Herrscher – Putin –, der seine Gegner im In- und Ausland umbringen lässt, sich selbst zum Gesetz macht. Auf der anderen Seite ein Land, in dem, wie auch in den Demokratien des Westens, sicherlich längst nicht alles rund läuft, jedoch der Anspruch da ist, Gewaltenteilung und politische Verantwortung zu leben, wo es dafür Kontrolle und auch Sanktionen gibt.

Welcher Ansatz wird künftig unseren Globus prägen? Als Christen können wir hier nicht schweigen oder relativierend beschwichtigen. Wenn wir dem Auftrag Jesu gerecht werden wollen, „Salz der Erde“ zu sein, dann kann das gerade in diesen Tagen bedeuten, wachsam und zugleich solidarisch das zu begleiten, was im Osten Europas vor sich geht. Wir müssen damit rechnen, dass der Einsatz für Demokratie und Freiheit auch von uns manchen Verzicht fordert.

Die Michaelskirche in Fulda ist ein guter Ort, sich darauf zu besinnen. Hier betete in der Zeit, als er sich längst dem Widerstand angeschlossen hatte, in großer Regelmäßigkeit der Jesuitenpater Alfred Delp. Hier und im angrenzenden Bischofshaus traf er zusammen mit Helmuth James Graf Moltke meinen Vorgänger, Bischof Johannes Dietz, um miteinander die Möglichkeiten des Widerstandes auszuloten. Die Michaelskirche verweist mit ihrer Geschichte – gerade mit ihrer jüngeren Geschichte – durchaus auf die politische Dimension unseres christlichen Glaubens. Stärken darf uns bei unserem Auftrag, Salz der Erde zu sein, ein Wort von Pater Delp: „Lasst uns dem Leben trauen, weil Gott es mit uns lebt.“
Amen.
 

Hinweis:

Weitere Informationen sind auf der Themenseite Krieg in der Ukraine verfügbar.

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