| Aktuelle Meldung | Nr. 009

Predigt von Bischof Dr. Franz-Josef Bode, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, im Gedenkgottesdienst für die Opfer des Krieges in der Ukraine am 6. März 2023 in Osnabrück

Initiative des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen

© Bistum Osnabrück
Gedenkgottesdienst für die Opfer des Krieges in der Ukraine: Bischof Bode und Myron Molczko, Pfarrer der ukrainisch griechisch-katholischen Gemeinde in Osnabrück (v. li.)

Das Generalsekretariat der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) hat an jedem Tag der Fastenzeit 2023 in einem der Länder Europas dazu aufgerufen, die Heilige Messe im Gedenken an die Opfer des Krieges in der Ukraine zu feiern und für den Frieden zu beten. Für Deutschland ist Montag, 6. März 2023, als Gedenktag ausgewählt worden. Der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Franz-Josef Bode, hat gestern (6. März 2023) um 19.00 Uhr die Heilige Messe im Dom zu Osnabrück gefeiert. Wir dokumentieren seine Predigt:

„Seid barmherzig! Richtet nicht! Verurteilt nicht! Vergebt! Nach dem Maß, mit dem ihr messt, wird auch euch zugemessen.“

„Liebe Schwestern und Brüder, das sind sehr herausfordernde und fast unerträgliche Worte in einer Situation, in der ein Aggressor ein Land völlig zugrunde richten will, wie es von Russland aus in der Ukraine geschieht. Alle Aufrufe zu Dialog und Frieden, zu Verhandlung und Neubeginn werden verhöhnt von der Sprache der Waffen, an die wir uns fast zu gewöhnen scheinen.

In solchen Zeiten ist es schwer, von Frieden zu reden, wo die ungerechte Aggression so sehr herrscht, dass die Verteidigung viele Waffen braucht. Dennoch darf uns die Sprache der Waffen nicht geläufiger werden als die Sprache des Friedens. Dennoch dürfen wir das Ziel nicht aus den Augen verlieren, nach gerechtem Frieden mehr zu suchen als nach gerechtem Krieg. Dennoch dürfen wir die Bilder der großen prophetischen Visionen nicht aus dem Herzen verlieren, dass das drückende Joch des Krieges zerbrochen wird und jeder Stiefel, der dröhnend daherstampft, jeder Mantel, im Blut gewälzt, ein Fraß des Feuers wird, eben weil wir als Christen fest daran glauben, dass das in Bethlehem geborene Kind die Völker mit seiner kindlichen Liebe entwaffnet und für alle zum Friedensfürst wird.

Die Worte Jesu aus der Feldrede bei Lukas oder aus der Bergpredigt bei Matthäus sind nicht einfach politisch im Miteinander der Völker umsetzbar. Aber dennoch sollen und können sie, ja müssen sie in den Herzen der Menschen eine Wandlung herbeiführen, die letztlich dem großen Frieden dient.

Wo immer Menschen sich in den Lebensstil Jesu Christi einüben, indem sie in ihrer Umgebung barmherzig sind, nicht richten und verurteilen, wo sie vergeben und den Großmut Gottes leben, tragen sie auch zum großen Frieden bei, der uns zurzeit so weit weg erscheint.

Und unterschätzen wir nicht das unablässige Gebet der Vielen in diesen Zeiten, weil Gott für unser Gebet nicht taub ist und weil wir selbst gewandelt werden, wenn wir alles – auch das Schreckliche des Krieges, ob in der Ukraine oder anderswo – vor Gott bringen. Gerade weil das Dilemma zwischen notwendiger Selbstverteidigung und der Suche nach Gerechtigkeit, Vergebung und Frieden zurzeit so unauflösbar erscheint und selbst Menschen, die sich Christen nennen, diesen Krieg noch heiligen, gerade deshalb ist es so notwendig, alles und alle vor Gott zu bringen, der die Möglichkeit zum Unmöglichen hat.

Er wird diese Situation nicht durch wunderliche Dinge lösen. Aber er wird die Wunder der Solidarität, der Menschlichkeit, der Sehnsucht nach Frieden, der Wachheit für den Frieden, des nie aufgegebenen Glaubens, der nie aufgegebenen Hoffnung, der nie aufgegebenen Liebe stärken und wachsen lassen, damit wir die Kraft nicht verlieren, im Dienst der Menschen zu bleiben, die unsere besondere Zuwendung brauchen.

Die deutschen Bischöfe haben erneut ihre Bereitschaft bekundet, sich der Flüchtenden und Geflüchteten anzunehmen, die in großen Zahlen zu uns kommen, und ihnen auf vielfältige Weise so unkompliziert wie möglich beizustehen und, wo immer es geht, sich auf verschiedenen Ebenen für Freiheit und Sicherheit in ganz Europa einzusetzen. Am Ende ihrer aktuellen Frühjahrsvollversammlung in Dresden formulieren die deutschen Bischöfe in ihrer Erklärung zum Jahrestag des Angriffs auf die Ukraine den Aufruf: ‚Wir ermutigen alle Menschen in Deutschland und besonders die vielen, die sich in kirchlichen Initiativen engagieren, sich von der Last der geschichtlichen Stunde nicht ermüden zu lassen. Wir bitten Sie: Bleiben Sie ausdauernd im Dienst an den Menschen! Und bleiben Sie nicht weniger ausdauernd im Gebet für die Opfer! Die vielen Gottesdienste und Gebetsstunden, die aus Anlass des Jahrestages am 24. Februar abgehalten wurden, sind ein hoffnungsvolles Zeichen und eine Stärkung für uns alle. Lassen wir uns die Empathie mit den Leidtragenden des Krieges nicht austreiben! Mit den gefallenen und schwerstverwundeten Soldaten auf allen Seiten. Mit den trauernden Hinterbliebenen. Mit den Traumatisierten. Mit den geschundenen Zivilisten, die im Bombenhagel und in zerstörten Städten ausharren müssen und von denen Tausende getötet wurden. Mit den Opfern einer Terrorherrschaft in den von Russland besetzten Gebieten, die mit Freiheitsberaubung, Entführungen, Folter und Exekutionen einhergeht. Mit den vergewaltigten Frauen. Mit den Kindern, die nach Russland verbracht werden, um ihnen eine andere Kultur aufzudrängen. Mit den Geflüchteten, die ihre Heimat verlassen haben, weil sie dort um Leib und Leben fürchten müssen. Bleiben wir ausdauernd im Gebet und im Einsatz für einen authentischen und gerechten Frieden!‘
Genau deshalb, liebe Schwestern und Brüder, sind auch wir heute Abend hier versammelt und über Livestream verbunden. Die deutsche Bischofskonferenz fügt uns ein in die europaweite Gebetskette – eine Friedenskette der besonderen Art –, indem sie in jedem Land durch Gebet und Eucharistie für die vielen Opfer der ungerechten Gewalt in der Ukraine eintritt.

Das Friedenslicht aus Butscha, wo der Feind so schrecklich gewütet hat, steht hier bei uns am Altar. Es ist über die weite Entfernung zu uns gekommen, nachdem das Friedenslicht von Bethlehem über das ganze Jahr des Krieges in unserem Dom gebrannt hat und unzählige Menschen den Gebetszettel für die Ukraine mitgenommen haben. Dieses Friedenslicht wird bewahrt in einem Gefäß aus einer elsässischen Eiche, die im Ersten Weltkrieg von einem Geschoss getroffen wurde. Dieses uralte Eichenholz als Bild uralter Geschichte vieler Generationen ist getroffen von der Gewalt des Krieges. Und es zeigt gleichzeitig die Kraft des Glaubens und des Gebetes als Licht inmitten dieser so harten Realität. Dieses Licht leuchte für die unzähligen Toten, die Verletzten mit zerbrochenen Gliedern und zerbrochenen Herzen, für die wir hier eintreten wollen vor Gott, verbunden mit allen Bischöfen unserer Konferenz und mit allen Bistümern.

Vor Weihnachten hat mich ein kleiner Chor von ukrainischen Kindern, die mit ihren Müttern zu uns geflüchtet sind, zu Tränen gerührt, weil ich an das Schicksal ihrer Väter denken musste inmitten des ungeheuren Friedenswillens, der in dem Gesang der eindrucksvollen Lieder deutlich wurde. Es war mir wie der Gesang der drei Jünglinge im Feuerofen, von dem das Buch Daniel erzählt. Genau das ist es: inmitten der großen Desaster vom Krieg und Unheil, von Not und Tod die Kraft der Lieder, die Kraft des Gebetes, die Kraft der Solidarität, die Kraft von Glaube, Hoffnung und Liebe nicht zu unterschätzen und dabei zu bleiben, so wie eine Frau, die inmitten der Zerstörung eine Blume gießt, wie ein Orchester, das mitten in den Trümmern spielt, wie ein ukrainischer Chor aus Kiew, der im Advent hier im Dom gesungen hat.

Bleiben wir, liebe Schwestern und Brüder, ausdauernd im Gebet für einen authentischen und gerechten Frieden, im Gebet für alle Opfer der Gewalt, im Gebet für das ukrainische Volk, dass es stark bleibt und Beistand erfährt, und für das russische Volk, dass sich Gedanken des Friedens entwickeln. Bleiben wir ausdauernd im Gebet für alle Völker, dass sie den Frieden suchen und ihm nachjagen, wo immer er sich zeigt – und sei es noch so ohnmächtig und klein.

Der Eifer des Herrn wird Neues vollbringen! Amen.“

Lesung:     Jes 9,1–6
Evangelium:    Lk 6,36–38

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