| Pressemeldung | Nr. 142

Predigt von Bischof Dr. Ulrich Neymeyr in der Schlussvesper zur Herbst-Vollversammlung 2022 der Deutschen Bischofskonferenz

Meine lieben Schwestern und Brüder im Herrn,

diese Predigt ist ein denkwürdiges Ereignis in der Geschichte der Schlussstunden der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz am Grab des hl. Bonifatius: Zum ersten Mal predigt ein Bischof aus Erfurt. In diesem festlichen Gottesdienst dürfen die Diözesanbischöfe in der Reihenfolge ihres Amtsantrittes predigen. Mein Vorgänger, Bischof Dr. Joachim Wanke wurde 1980 zum Bischof geweiht, war also schon zehn Jahre lang Bischof von Erfurt, als er im Jahr der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 Mitglied der Deutschen Bischofskonferenz wurde. Dadurch hat Bischof Dr. Joachim Wanke die Möglichkeit, hier zu predigen, leider verpasst.

Für mich ergibt sich nun die Gelegenheit, allen Bistümern von Herzen zu danken, die bereit waren, ihre Gebietsanteile auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, die vom Bischöflichen Amt Erfurt-Meiningen verwaltet wurden, in die Selbstständigkeit zu entlassen. Ich danke dafür den Bistümern Fulda, Würzburg und Hildesheim und grüße an dieser Stelle besonders die Katholikinnen und Katholiken aus der thüringischen Rhön. Durch ihre weise Entscheidung haben diese Diözesen ermöglicht, dass die pastoralen Verhältnisse auf dem Gebiet des Bischöflichen Amtes Erfurt-Meiningen in dem 1994 gegründeten Bistum Erfurt kontinuierlich weiterentwickelt werden konnten und die gewachsenen Spezifika bewahrt worden sind. Ich möchte drei dieser Spezifika nennen, die unter den besonderen Bedingungen der Diaspora und der Repression durch die SED-Diktatur entstanden sind:

Zunächst möchte ich die sogenannten Diakonatshelfer erwähnen. Mancher Diakon, der zum ersten Mal dieses Wort hört, wünscht sich auch einen solchen Helfer. Aber die Diakonatshelfer sind nicht Helfer der Diakone, sondern Helfer der Diakonie Jesu Christi an den Menschen, zu der auch die Feier des Gottesdienstes gehört. Schon 1965 konnte der damalige Bischof in Erfurt, Hugo Aufderbeck, erreichen, dass zunächst nur für das Gebiet der DDR solche Diakonatshelfer erlaubt wurden, die in den Außenstationen der Diaspora auch sonntags mit den Gläubigen Gottesdienste feierten, in denen auch die hl. Kommunion gespendet wurde. 1984 wurde die erste Frau als Diakonatshelferin beauftragt. Diese Beauftragung, die jeweils für drei Jahre erteilt wird, ist ein großer Segen für die flächenmäßig große Diaspora. Das jährliche Treffen mit den Diakonatshelferinnen und -helfern am Samstag vor Palmsonntag ist eine großartige geistliche und kirchliche Ermutigung. Als im Jahr 2006 in der Deutschen Bischofskonferenz diskutiert wurde, ob solche Wortgottesfeiern an Sonntagen erlaubt werden sollen und ob in diesen Feiern die hl. Kommunion gespendet werden soll, waren die meisten Bischöfe der Meinung, die Wortgottesfeiern am Sonntag sollten sich auf die Gegenwart des Herrn in seinem Wort beschränken und es sollte nicht die hl. Kommunion ausgeteilt werden. Ich weiß noch genau, wie Bischof Dr. Joachim Wanke aufstand und von der Praxis dieser Feiern im Bistum Erfurt berichtete. In keiner Weise werde dort der Unterschied zwischen der Hl. Messe und einer Wortgottesfeier verwischt. Daraufhin wurde in den allgemeinen Kriterien für die Wortgottesfeiern am Sonntag festgelegt: „In der Regel findet in der Wortgottesfeier keine Spendung der hl. Kommunion statt. Über Ausnahmen von dieser Regel entscheidet der Ortsbischof.“

Das zweite Spezifikum der katholischen Kirche in der ehemaligen DDR, das ich erwähnen möchte, ist die sogenannte RKW. Ich gebe zu, dass für mich, als ich vor acht Jahren nach Erfurt kam, diese Buchstaben für „Rettungskrankenwagen“ standen. Aber sie stehen für „Religiöse Kinderwoche“. In fast allen Pfarreien in den Ostbistümern wurden und werden Kindern diese Religiösen Kinderwochen in den Sommerferien angeboten. Viele Pfarreien laden sowohl in der ersten als auch in der letzten Woche die Kinder ein, eine Woche gemeinsam zu verbringen und ein religiöses Thema näher kennenzulernen. Meist finden die RKW’s auf dem Gelände der Pfarrei statt, es gibt aber auch viele sogenannte Wegfahr-RKW’s. Das Handbuch für die Gestaltung dieser Woche wird jeweils vom Jugendseelsorgeteam eines Ostbistums vorbereitet. An der Durchführung sind viele erwachsene und jugendliche Helferinnen und Helfer beteiligt. In der ersten Ferienwoche nehmen die meisten Gruppen die Einladung zur Kinderwallfahrt in den Erfurter Mariendom an, zu der ca. 1.000 Kinder kommen. Das Vorbereitungsmaterial wird mittlerweile auch in Westbistümern eingesetzt.

Die dritte spezifische Besonderheit der katholischen Kirche in der ehemaligen DDR, die ich erwähnen möchte, ist, dass sich dort das katholische Verbandswesen nicht entwickeln konnte. Das gesamte gesellschaftliche Leben war in der Hand der SED, lediglich die Kirchengemeinden hatten begrenzte Möglichkeiten, neben den Gottesdiensten, der Katechese und dem Religionsunterricht zusammenzukommen. In diesem Rahmen konnten sich Kolpingfamilien entwickeln, vor allem aber Familienkreise, die sehr segensreich der Vertiefung und Weitergabe des Glaubens dienten.

Es war und ist wichtig, dass sich diese Spezifika kontinuierlich weiterentwickeln konnten und können. Nicht nur die Ostbistümer haben ihre eigene Geschichte und Identität, sondern jedes Bistum ist ein Unikum mit eigenen Traditionen und eigenem Selbstverständnis. Ich staune immer wieder, dass der hl. Bonifatius mit den technischen und verkehrstechnischen Möglichkeiten seiner Zeit diese verschiedenen Mentalitäten so gut kennenlernen konnte, dass viele Bistumsgrenzen, die er vor fast 1.300 Jahren gezogen hat, heute noch bestehen. Und auch heute hat jedes der 27 Bistümer in Deutschland ein eigenes Gesicht und eigene Verantwortung für die Gestaltung des kirchlichen Lebens. Die katholische Kirche in Deutschland ist bunt. Sie besteht ja auch nicht nur aus den Bistümern. Die Orden, die Verbände und die Bewegungen tragen zur Vielgestaltigkeit bei. Wir dürfen und sollten nicht nach außen so tun, als seien wir ein monolithischer Block, weil es nicht der Wirklichkeit entspricht und weil es eine Verarmung wäre.

Die Einsicht, dass es verschiedene Mentalitäten und Kulturen in Deutschland gibt, macht aber auch verständlich, warum es dem hl. Bonifatius so wichtig war, sein Werk des Aufbaus der katholischen Kirche fest an den Papst in Rom als Garanten der Einheit zu binden. Von ihm hatte er die Vollmacht für sein Werk erbeten und erhalten. Ihm hat er regelmäßig berichtet und immer wieder die beschwerliche Reise nach Rom auf sich genommen. Die Einbindung in die Weltkirche erleben manche Katholikinnen und Katholiken hierzulande als ein Hindernis oder gar eine Fessel, die daran hindert, die Kirche nach eigenen Vorstellungen zu gestalten und zu entwickeln. Diejenigen, die die SED-Diktatur miterlebt und miterlitten haben, schätzen aus der Erfahrung der Diskriminierung der Christen in der DDR die Einbindung in die Weltkirche als einen wichtigen Anker außerhalb des politischen Systems, der in bestimmtem Umfang Glaubensfreiheit ermöglicht.

Der hl. Bonifatius achtete mit den kirchlichen Strukturen, die er in Deutschland geschaffen hat, die Verschiedenheit der Mentalitäten und Regionen und wahrte durch die Bindung seines Werkes an den Papst und an die römische Kirche die Einheit der Kirche.

Heiliger Bonifatius, bitte für uns!

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