| Pressemeldung | Nr. 178

Predigt von Kardinal Rainer Maria Woelki anlässlich des Ad-limina-Besuchs der deutschen Bischöfe in der Patriarchalbasilika Santa Maria Maggiore in Rom

© Deutsche Bischofskonferenz/Daniela Elpers
Ad-limina-Besuch der Deutschen Bischofskonferenz in Rom: Hl. Messe am 15.11.2022 in Santa Maria Maggiore, Predigt: Kardinal Rainer Maria Woelki (Erzbischof von Köln).

Am zweiten Tag ihres Ad-limina-Besuchs haben die deutschen Bischöfe die Eucharistie in der Patriarchalbasilika Santa Maria Maggiore gefeiert. Die Predigt hielt Kardinal Rainer Maria Woelki (Köln).

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

der hl. Albertus Magnus, dessen Fest wir heute begehen dürfen, verkörpert ein Ideal, das heute noch aktuell ist. So raubte ihm etwa sein spezielles Wissen nicht die Offenheit des Geistes für das Ganze der Wirklichkeit. Auf verschiedensten Gebieten besitzt er Fachkompetenz – in Medizin, Astronomie, Biologie, Geologie, Mathematik, Philosophie, Theologie, ja, vielleicht sogar in Jura. Dennoch ist er kein „Vielwisser“. Vielmehr vermochte er schier die gesamte menschliche Gelehrsamkeit der damaligen Zeit zu einer Synthese zu bringen. Voll Bewunderung nennen ihn spätere Zeiten Doctor universalis und ehren ihn als einzigen unter den vielen bedeutenden Persönlichkeiten des Mittelalters mit dem Titel „der Große“.

Mit der Theologie als Wissenschaft und dem System der Einzelwissenschaften, die sich zur „Universitas“ formieren, ist er wie kein Zweiter vertraut. Steht er doch mit seinen Werken am Anfang jenes Prozesses, der in der Auseinandersetzung mit dem Wissenschaftsverständnis des Aristoteles zur Universalität wissenschaftlichen Fragens und zur institutionellen Festigung der Universitäten beiträgt. Nicht weniger vertraut ist er mit der Gestaltung von Studiengängen und deren Reform, mit der Vorstellung der Interdisziplinarität, in der die verschiedenen Fächer zusammenwirken, sowie mit der Formulierung von Studieninhalten. Diesen Fragen hatte er sich im Auftrag seines Ordens zu stellen, als er 1248 das Studium Generale seines Ordens in Köln aufbaute, und als er zehn Jahre später an einer Studienreformkommission seines Ordens beteiligt war. Die Beschlüsse dieser Kommission regeln nicht nur die intellektuellen und persönlichen Voraussetzungen für das Studium. Sie betonen auch den absoluten Vorrang, den das Studium für die Studenten haben soll: so sollen diese nicht durch andere Aufgaben innerhalb der Klöster belastet werden. Sie sollen nicht durch Messfeiern während der Vorlesungszeiten abgelenkt werden. Sie sollen nur, wenn es unbedingt nötig ist, in die Stadt gehen und im Übrigen hart bestraft werden, wenn sie den Vorlesungen fernbleiben oder nicht die erwarteten Fortschritte bringen. Der Orden soll ihnen durch die Gründung entsprechender Studienzentren in den Ordensprovinzen die Gelegenheit geben, auch die nicht-theologischen Fächer zu studieren und – nicht zuletzt – sollen die Oberen des Ordens ebenso wie die Lektoren, die gerade frei haben, am Vorlesungsbetrieb – wann immer sie dazu zeitlich in der Lage sind – teilnehmen.

Über diese äußere Studienreform hinaus kennt Albert freilich auch eine innere Studienreform, die natürlich zunächst den einzelnen Studierenden betrifft, aber auch für eine Fakultät, ja eine Universität im Ganzen gelten kann. Er entfaltet seine Überlegungen im Anschluss an das heutige Evangelium. In den Mittelpunkt seiner Erklärung stellt Albert das Haus des Zachäus. Als Jesus es betritt, ist es ein Haus, das aus Schweiß und Blut der Armen errichtet wurde (per sudorem pauperum et sanguinem), weil der Oberzöllner Zachäus eben an der Spitze derer steht, die die Menschen ausbeuten (princeps virorum strenue spoliantium homines). Um des Zachäus willen, der von der menschenverachtenden Haltung des Ausbeuters bekehrt werden muss, um der Armen willen, die aus der verhängnisvollen Spirale der Ausbeutung befreit werden müssen, betritt Jesus das Haus des Zachäus. Und er muss darin bleiben um seiner selbst willen, der er selbst nichts als Caritas ist und darum seine Hilfe keinem versagen kann: den Ausbeutern nicht, die der Bekehrung bedürfen, und den Ausgebeuteten nicht, die der Befreiung bedürfen. Als Jesus das Haus des Zachäus wieder verlässt, hat er es geweiht (consecravit), wie Albert sagt. „Heute ist diesem Haus das Heil geschenkt worden“ (Lk 19,9). Es ist zu einem Haus geworden, in dem Gott sich zum Mitbewohner gemacht hat. In dem so verwandelten Haus gibt es – so Albert – nun ein Ruhe-Gemach für die Kontemplation, ein Speisezimmer für die Meditation, das heißt die geistige Nahrung, einen Tisch, an dem die Bewohner erfrischt werden, eine Halle, in der man mit Freunden wandeln und sprechen kann, ein Zimmer mit Sitzgelegenheiten, in dem man diskutieren kann, eine Küche, in der Vorbereitungen getroffen werden können, ein Bad, in dem man sich waschen kann, eine Kapelle, in der Gelegenheit zum Beten ist, und einen Platz, von dem aus man rechtzeitig sehen kann, von wem das Haus von außen angegriffen wird. Für Albert ist das natürlich zunächst ein Bild für das Haus des inneren Menschen. Der wird eben durch die Betrachtung der göttlichen Wahrheit und durch das wiederholte Erwägen der Heiligen Schrift erbaut. Der wird am Tisch der Schrift, am Tisch der Eucharistie und am Tisch der Barmherzigkeit, die er wirklich praktiziert, genährt. Der gewinnt durch den inneren Umgang mit dem Beispiel der Heiligen und das geistliche Gespräch mit Freunden Klarheit über sein Leben. Der wird durch die Stimme seines Gewissens und die Reue über eigenes Versagen vorbereitet auf die Begegnung mit Christus. Der wird durch die Beichte gereinigt. Und durch das Gebet werden ihm Herz und Sinn geweitet. Die Räume, die Albert hier beschreibt, hat das Haus des Zachäus mit jedem anderen größeren Haus gemeinsam. Dadurch aber, dass Christus zum Mitbewohner des Zachäus wird, gewinnt dieser – so Albert – noch vier weitere Räume hinzu.

Sie machen die Wandlung des Zachäus und seines Hauses deutlich und zeichnen sein Haus vor anderen aus: eine Apotheke, eine Waffenkammer, eine Schatzkammer und einen Studiersaal. In den duftenden Kräutern und Salben der Apotheke erkennt Albert die Tugenden, die – indem sie über das Maß des Gesollten hinausgehen – eine heilende Atmosphäre schaffen. In der Waffenkammer findet er die Ausrüstung für die nicht bloß intellektuelle, sondern geistliche Auseinandersetzung, die darauf angewiesen ist, in der Unterscheidung der Geister geübt zu sein. In der Schatzkammer weiß er das Glaubensgeheimnis jedes einzelnen Menschen bewahrt, nämlich das, was ihn im tiefsten berührt und mit Gott verbindet. Und im Studiersaal ist die geistliche Lektüre und Verkündigung möglich, die nicht nur Wissen vermitteln, sondern das Herz des Menschen berühren will. So steht mit dem hl. Albert heute ein Mann der Wissenschaft und des Glaubens vor uns, der uns durch sein Leben, sein Lehren und seinen Glauben zeigt, wie auch wir heute die Welt im Lichte der Wahrheit Gottes sehen können. Amen.

Fest des hl. Abert des Großen
Lesung:              Sir 15, 1–6
Evangelium:     Lk 19, 1–10

 

Hinweis:

Fotomaterial von der Hl. Messe in Santa Maria Maggiore sowie von weiteren Terminen des Ad-limina-Besuchs am 15. und 16. November 2022 stehen unter Nennung des jeweiligen Copyrights kostenfrei in der Bildergalerie dieser Pressemitteilung zur Verfügung.

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