Empfehlungsliste 2022

Die Jury des Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreises der Deutschen Bischofskonferenz unter Vorsitz von Weihbischof Robert Brahm (Trier) hat 15 Titel für die diesjährige Empfehlungsliste des Preises ausgewählt. Die Bücher eröffnen Leserinnen und Lesern vom Kleinkindalter bis in die Jugend auf beispielhafte Weise einen Zugang zu christlichen Werten, religiösem Leben und Interkulturalität. Am Wettbewerb haben sich 59 Verlage mit 161 Büchern beteiligt. Die Entscheidung über das von der Jury bestimmte Preisbuch wurde am 16. März 2022 bekanntgegeben. Die Preisverleihung hat am 2. Juni 2022 in Würzburg stattgefunden.

Mehr lesen: Pressemitteilung 23. Februar 2022

Folgende Bücher hat die Jury auf die Empfehlungsliste 2022 gesetzt:

Tamara Bach: Das Pferd ist ein Hund

Carlsen Verlag, Hamburg 2021
Illustration: Ulrike Möltgen
240 S., ISBN 978-3-551-55802-2, 12,00 Euro
Ab 11 Jahren

Ein extremer Kälteeinbruch, der die Menschen in einen Lockdown zwingt, überforderte Familien zwischen Homeoffice und Homeschooling,

die kleine Halbschwester Luze und ihr unsichtbarer Hund, der Pferd heißt, der ungelöste Streit mit der besten Freundin und Vincent, der schönste Junge der Welt, der ihr lange keinerlei Beachtung schenkt: Clara, die ihren ganz eigenen Kopf hat, die Witze liebt und ein Gespür für die widersprüchlichen Gefühle der Menschen um sie herum hat, ist plötzlich mit einem komplett veränderten Alltag konfrontiert. Doch während die Erwachsenen im großen Mietshaus mit den veränderten Verhältnissen nur schwer zurechtkommen, nutzen die Kinder ein erfundenes Schulprojekt, knüpfen Kontakte zu allen Hausbewohnern und schaffen durch viele gegenseitige Besuche, durch neugierige Fragen und geduldiges Zuhören ein neues und wärmendes Miteinander. Im Mittelpunkt der Veränderungen steht die hinreißende kleine Luze, die mit kindlicher Unvoreingenommenheit und Fantasie zum Herz der Hausgemeinschaft wird. In mal lakonischem, mal nachdenklichem, mal pointiert witzigem Ton erzählt Tamara Bach aus Claras Perspektive von den eigenwilligen und besonderen Menschen im Haus und von dem Glück, das man am besten gemeinsam findet.

Kirsten Boie: Dunkelnacht

Verlag Friedrich Oetinger, Hamburg 2021
112 S., ISBN 978-3-7512-0053-0, 13,00 Euro
Ab 15 Jahren

Auf Vorschlag der Jury wird der von der Deutschen Bischofskonferenz gestiftete Katholische Kinder- und Jugendbuchpreis 2022 an Kirsten Boie für ihr Werk „Dunkelnacht“ verliehen.

Es gibt sie, die weißen Flecken auf der Landkarte der deutschen Geschichte. Umso eindringlicher erscheint ein Roman, der den erzählenden Blick auf eine Randlandschaft der Erinnerungskultur lenkt und damit die Frage nach individueller wie kollektiver Schuld aufgreift. Die erzählte Zeit umfasst dabei nicht mehr als 24 schicksalhafte Stunden: Am 28. April 1945 versuchen in der bayerischen Kleinstadt Penzberg jene, die vor dem Krieg für den Gemeinderat verantwortlich waren, einen Machtverzicht des nationalsozialistischen Bürgermeisters und friedliche Übergabe der Amtsgeschäfte zu erwirken. Damit soll der Nero-Befehl verhindert und das Bergwerk als wirtschaftliche Lebensader der Region gerettet werden. Ein auf dem Weg zur Alpenfestung marschierendes Regiment der Wehrmacht jedoch sorgt mithilfe der Untergrundorganisation Werwolf dafür, die Illusion der nationalsozialistischen Macht auch (und gerade) im Angesicht der drohenden Kapitulation aufrechtzuerhalten. 16 Menschen aus Penzberg werden in dieser Nacht standrechtlich erschossen oder erhängt. Am Tag darauf erreichen die Amerikaner Penzberg.

Kirsten Boie flicht die historischen Fakten dieses Endphasenverbrechens minutiös in ihre Erzählung ein und fiktionalisiert die Ereignisse mithilfe von drei jugendlichen Figuren: Marie, Schorsch und Gustl werden zu Beobachtern und ermöglichen vor den unterschiedlichen biografischen Hintergründen ihrer Familien wechselnde Perspektiven. Dieserart entsteht ein verdichtetes Miteinander von Fakt und Fiktion, von Novelle und Dokumentation. Dem Charakter eines Kammerspiels entsprechend, wird jener Moment unter ein erzählerisches Brennglas gelegt, in dem allen Beteiligten die unausweichliche Veränderung des eigenen Lebens bewusst wird: Was er tut, tut er nicht mehr für sie. Sich selbst muss er beweisen, auf welcher Seite er steht, wird mit Blick auf Schorsch festgehalten, der eines der Opfer rettet und dabei sein eigenes Leben riskiert. Ohne zu moralisieren zeigt Kirsten Boie damit ethische Haltungen auf und kontrastiert sie mit dem situationselastischen Handeln jener, die bereits während der Tat damit beginnen, ihre eigene Biografie für ein „Danach“ zu schönen.

Sechzehn Morde und kein einziger Mörder. Das soll man verstehen. Im Nachwort formuliert die Autorin jenes paralysierende Unverständnis, das die Ereignisse hervorruft. Das Erzählen jedoch ermöglicht Widerstand und Selbstermächtigung: Als Autorin wählt Kirsten Boie ein Alter Ego als Erzählinstanz und lässt ein Ich immer wieder strukturierend in den Text eingreifen. Damit werden Vorgriffe und Einordnungen mit der erlebten Rede und den Dialogen der Figuren zu knappen, mehrperspektivischen Passagen verbunden. Der schlichte, fast protokollarische Sprachstil wird dabei mit den Emotionen der jugendlichen Figuren verknüpft und ermöglicht jugendlichen Rezipienten, sich trotz der bedrückenden Ereignisse zu identifizieren und an den Leseprozess die Frage anzuschließen: Was hätte ich getan? Wo liegen meine eigenen Handlungskompetenzen? Welches Menschenbild ist das für mich verbindliche? Dieserart wird die im kollektiven Gedächtnis verleugnete Schuld zu einer hochbrisanten individuellen Fragestellung – auch und gerade für eine nachgeborene Generation, die vielfach keinen authentischen Zugang mehr zu den Ereignissen bekommen kann. Gerade jetzt soll damit ein Text ausgezeichnet werden, in dem und durch den soziale Verantwortung und Nächstenliebe auf besondere Weise eingefordert werden.

Leslie Connor: Die ganze Wahrheit (wie Mason Buttle sie erzählt)

Carl Hanser Verlag, München 2021
Übersetzt von André Mumot
320 S., ISBN 978-3-446-26802-9, 16,00 Euro
Ab 10 Jahren

Eine heruntergekommene Apfelfarm, eine Familie, die nach schlimmen Schicksalsschlägen wieder im Leben ankommen muss,

ein Polizist, der nach der Wahrheit sucht, zwei Freunde, die unterschiedlicher nicht sein könnten, ein liebenswerter Hund, der genau weiß, zu wem er gehören will, eine warmherzige Sozialarbeiterin und ein versteckter Rübenkeller, der zum Rückzugsort und fast zur tödlichen Falle wird und mittendrin: Mason Buttle. Der freundliche Junge mit dem riesengroßen Herzen ist ein wenig langsam im Lesen, Schreiben und Denken, aber voller Empathie. Er hat einen sehr eigenwilligen Blick auf die Welt und die Menschen um ihn herum. Das macht ihn für einige Jungen aus seiner Klasse zur Zielscheibe für viele Angriffe. Als sein Freund Calvin nach einer dieser fiesen Attacken spurlos verschwindet, muss Mason alles tun, um ihn zu finden. Und er muss endlich herausfinden, was damals wirklich passiert ist, als sein bester Freund Benny von der Leiter ihres Baumhauses stürzte … – Warmherzig und mit viel Gespür für authentische Charaktere erzählt Leslie Connor eine so spannende wie mitreißende Geschichte über Trauer und Schuld, über den Mut, sich selbst anzunehmen und über die Kraft, mit Wahrhaftigkeit und Nächstenliebe Gutes zu bewirken.

Silvia und David Fernández, Mercè López: Und danach – Gedanken über das große Jenseits

Bohem Press, Münster 2021
Illustration: Mercè López
Übersetzt von Alexandra González-Calatayud
52 S., ISBN 978-3-95939-096-5, 18,00 Euro
Ab 5 Jahren

Die Tiere des Zirkus Galaxie riskieren bei ihrer täglichen artistischen Arbeit in der Manege sehr viel.

Weil sie wissen, dass jeder ihrer Auftritte tödlich enden kann, hat jeder von ihnen schon häufig über das „Danach“ nachgedacht. Sie alle haben ganz unterschiedliche Vorstellungen vom großen Jenseits: als paradiesischer Garten, in dem Milch und Honig fließen, als neues Leben in einem Himmel, in dem man alle seine Liebsten wiedersieht, als Reise durch das Reich der Toten, als unendlicher Kreislauf von Wiedergeburt und Tod, als Chance, das Nirvana zu erreichen und Teil des Kosmos zu werden, oder auch als Weiterleben in den Erinnerungen anderer. So unterschiedlich ihre Erwartungen auch sind, sie alle stehen gleichwertig nebeneinander und werden von jedem Einzelnen mit großer Toleranz akzeptiert. Und während der ereignisreiche Drahtseilakt aller Artisten, der sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht, für dieses Mal gut ausgeht, bieten die doppelseitigen Bilder der detailreich inszenierten Jenseitswelten mit ihren deutungsoffenen und symbolreich gestalteten Skizzen viel Raum für ein Nachdenken über eigene Glaubensbilder und die großen Fragen nach dem Sinn menschlichen Lebens sowie zahlreiche Anhaltspunkte für interreligiöse Gespräche.

Alison McGhee: Wie man eine Raumkapsel verlässt

dtv Verlagsgesellschaft – Reihe Hanser, München 2021
Übersetzt von Birgitt Kollmann
208 S., ISBN 978-3-423-64071-8, 12,95 Euro
Ab 14 Jahren

Laufen, laufen, laufen: Auf seinen langen Streifzügen versucht der 16-jährige Will seiner Isolation zu entkommen,

die ihn seit dem Selbstmord seines Vaters und der Vergewaltigung seiner besten Freundin wie in einer Raumkapsel gefangen hält. Will, der immer wieder daran scheitert, das in seiner Erinnerung so wundervolle Maisbrot des Vaters nachzubacken, hat lange Zeit jede intensivere Auseinandersetzung mit seinen widersprüchlichen Gefühlen verdrängt. Die vielen Begegnungen mit den Menschen, die seine Wege kreuzen und die häufig so wie er selbst erfahren haben, wie einem das Leben über den Kopf wachsen kann, geben dem sensiblen und sehr empathischen jungen Mann die Chance, die quälende Einsamkeit hinter sich zu lassen und einen neuen Bezug zur Welt zu finden. Alison McGhee findet für ihre so berührende wie hoffnungsvolle Geschichte von der Überwindung des Leids durch Solidarität und Mitmenschlichkeit eine ungewöhnliche Form. So wie der Laden mit den 100 Segenssprüchen für Will zu einer Quelle der Hoffnung wird, so werden die 100 Kapitel mit den 100 Kalligrafien und den jeweils zu 100 Wörtern verdichteten Texten für Leserinnen und Leser zum wirkmächtigen Appell, Schicksalsschläge anzunehmen und trotz allem das Leben zu feiern.

Lena Raubaum, Katja Seifert: Mit Worten will ich dich umarmen

Verlagsanstalt Tyrolia, Innsbruck 2021
Illustration: Katja Seifert
96 S., ISBN 978-3-7022-3958-9, 16,95 Euro
Ab 7 Jahren

„Der See spricht in Wellen der Wald rauscht in Blättern der Wind flüstert säuselnd in luftigen Lettern …“

Gedichte erreichen mit wenigen Worten unser Herz, die kurze Form mit ihren fantasievollen Wortbildern, der spielerische Umgang mit Sprache und der in Momentaufnahmen verdichtete Blick auf die Welt schaffen Spannung und Freiraum für eine neue Sicht auf Alltägliches. Lena Raubaums Gedichte und Gedanken und ihre wunderbare Sammlung von Sätzen, die guttun können, nehmen kindliche Lebenswelten in den Blick. Sie erzählen von der Freude des Daseins, vom Wunder der Schöpfung, von Freundschaft und Vertrauen, von Hoffnung und vom achtsamen Umgang miteinander. Die mal spielerisch leichten, mal tiefgründig philosophischen Verse öffnen den Blick auf die Welt. Lachen und Weinen, Ermutigung und Trost, Freude am Spiel mit Sprache und die Lust an mal luftig-leichten, mal humorvoll überspitzten Formulierungen: Die Anthologie zeigt die ganze Vielfalt der Kinderlyrik und lädt Groß und Klein zum Mit- und Weiterdenken über den Wert des liebevollen Miteinanders ein. Katja Seiferts assoziative und wunderbar zarte Illustrationen schaffen visuelle Zugänge zur Gedankenwelt der Gedichte und ihrer spirituellen Dimensionen und bieten zusätzliche Denkanstöße.

Kristin Roskifte: Alle zählen

Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2021
Übersetzt von Maike Dörries
64 S., ISBN 978-3-8369-6036-6, 18,00 Euro
Ab 5 Jahren

Viele Milliarden Menschen leben auf der Erde – und sie alle haben eine eigene und unverwechselbare Geschichte.

Von dem einen Jungen, der vom Bett aus in den Sternenhimmel schaut und sich fragt, wer überall auf der Welt in diesem Augenblick das Gleiche sieht wie er, spannt sich der Bogen dieses eindrucksvollen Zähl- und Wimmelbilderbuchs in immer größeren Schritten bis hin zum letzten Bild, das aus dem unendlichen Sternenhimmel heraus die Erdkugel mit all ihren 7,5 Milliarden Bewohnerinnen und Bewohnern in den Blick nimmt. Kurze Bildunterschriften geben jedem Bild ein mögliches Thema vor und lassen doch Raum für andere Blickwinkel und eigene Interpretationen. Je größer die Anzahl der beobachteten Menschen wird, desto komplexer werden die Beziehungsgeflechte zwischen ihnen, deren Entwicklung sich oft auf vielen Seiten mitverfolgen lässt. Jede Seite ist bunter und vielschichtiger als die vorangegangene und trotz der größer werdenden Menge bleiben die Darstellungen der Menschen der Diversität verpflichtet und frei von Stereotypen. Das Buch lädt dazu ein, einen unendlichen Möglichkeitsraum voller individueller Lebensgeschichten zählend, schauend und fragend für sich zu entdecken und ein Gespür für die Vielfalt und das Wunder des Lebens zu bekommen.

Johanna Schaible: Es war einmal und wird noch lange sein

Carl Hanser Verlag, München 2021
56 S., ISBN 978-3-446-26981-1, 18,00 Euro
Ab 5 Jahren und für alle

Was ist Zeit? Wer sind wir? Woher kommen wir? Wie hat sich unsere Erde über Millionen von Jahren bis zum Augenblick des „Jetzt“ entwickelt?

Wie wird es in der Zukunft sein? Auf immer kleiner werdenden Seiten erzählen die Bilder dieses kreativ gestalteten und mit beeindruckend naturalistisch gemalten Aquarell-Collagen illustrierten Bilderbuches die Entwicklungsgeschichte unseres Planeten. Die Bilder nehmen von vergangenen Jahrmillionen über Jahrtausende und Jahrhunderte immer kürzere Zeiträume bis zu Monaten, Tagen, Stunden und Minuten in den Blick. Doch Zeit lässt sich nicht anhalten, und so wird aus dem mit allen Sinnen erlebten kurzen Moment der Gegenwart ein immer länger werdender Ausblick in die Zukunft. Mit den wieder größer werdenden Seiten kommen Fragen in den Blick, wie sich das eigene Leben gestalten wird: Wo wird man in den kommenden Tagen, Monaten und Jahren sein, wem wird man begegnen, welche Pläne werden gelingen und woran wird man sich im Alter erinnern? Der stetige Formatwechsel visualisiert auf eindrucksvolle Weise die unendliche Dimension und den stetigen Ablauf der Zeit, der im Vor- und Zurückblättern, im Rückblick und in der Vorausschau spielerisch erfahrbar wird und die großen und existenziellen Fragen des Lebens in den Blick nimmt.

Kathrin Schärer: da sein – Was fühlst Du?

Carl Hanser Verlag, München 2021
64 S., ISBN 978-3-446-26956-9, 12,00 Euro
Ab 2 Jahren

Kathrin Schärer ist eine Meisterin darin, Tierfiguren mit nur wenigen Strichen lebendig werden zu lassen.

Auf jeder Doppelseite des Bilderbuchs zeigt sie ein Tier in einer besonderen Situation und macht die dazugehörende Gefühlslage durch dessen ausdrucksstarke Mimik und Gestik erlebbar. Schon kleine Kinder erfahren so ganz unmittelbar, was es heißt, wütend, ängstlich, gespannt, beleidigt oder zufrieden zu sein. 30 mal positiv, mal negativ besetzte und mit dem jeweils passenden Begriff knapp beschriebene Emotionen nimmt Schärer in den Blick und findet auch für komplexere Gefühle als die allen Kindern vertraute Angst, Wut oder Freude eindrucksvoll sprechende Bilder: Das Nashorn im rosa Spitzenrock z. B. ist ganz bei sich und präsentiert selbstbewusst seine individuelle Identität, dem Elefanten vor der Eistheke sieht man seine erwartungsfrohe Unentschlossenheit an und auch mit dem beim Eier-Stibitzen ertappten Eichhörnchen kann sich wohl jeder identifizieren. Das Buch, das mit seinen Bildern für das Da-Sein in allen seinen Dimensionen den Blick über das Alltägliche hinaus weitet, lädt schon ganz kleine Kinder dazu ein, unterschiedliche Gefühlslagen zu unterscheiden und beim Mitfühlen auch die eigenen Emotionen besser einordnen zu können.

Jordan Scott, Sydney Smith: Ich bin wie der Fluss

Aladin, Stuttgart 2021
Illustration: Sydney Smith
Übersetzt von Bernadette Ott
44 S., ISBN 978-3-8489-0197-5, 18,00 Euro
Ab 7 Jahren

Am Morgen beim Aufwachen hat der Junge alle Wörter im Kopf, die für ihn wichtig sind.

Er ist ein guter und sensibler Beobachter, schaut voller Neugier auf die faszinierende Vielfalt um ihn herum und erlebt die Welt mit allen Sinnen. Umso mehr leidet er darunter, sich anderen nicht mitteilen zu können. Als Stotterer fühlt er sich gefangen in seinen Gedanken, die er nur selten mit anderen teilen kann, ohne dass sie sich über ihn lustig machen. Seine Scham und die ständige Angst vor den vielen peinlichen Situationen im Alltag sind so übermächtig, dass er möglichst jede Kommunikation vermeidet und sich am liebsten hinter seiner Sprachlosigkeit versteckt. Unterstützung und Heilung erfährt er durch den liebevollen Vater. Der nimmt ihn mit zum nahen Fluss, dessen sprudelnde, wirbelnde, mal stockende, mal vorwärtsdrängende Bewegung ihn an die Sprechweise des Sohnes erinnert. Der bildmächtige Vergleich und der Anblick des lebendig strömenden Flusses verleihen dem Jungen die Kraft, sein Handicap als Teil seiner Selbst anzunehmen. Der rhythmische bildhafte Text und die einfühlsamen sowie gleichzeitig sehr kraftvollen Illustrationen ergänzen und verstärken sich gegenseitig und erzählen so auf überzeugende Weise von Selbstermächtigung und Hoffnung.

Kanesha Sneed: Die Farbe von Zitronen

Prestel Verlag, München 2021
Übersetzt von Kathrin Köller
52 S., ISBN 978-3-7913-7472-7, 16,00 Euro
Ab 4 Jahren

Eisha, Tochter einer Keramikkünstlerin, liebt den kreativen Umgang mit dem Ton, den ihr die Mutter gerne überlässt.

Wenn sie daraus eine Zitrone formt und leuchtend gelb anmalt, wird das Töpfern zur glücklich machenden Erinnerung an den schönen Tag im vergangenen Sommer, als sie gemeinsam mit dem nun verstorbenen Vater Zitronen pflückte. Solange sie die tönerne Zitrone in der Hand hält, scheint es fast, als sei der geliebte Vater immer noch da. Doch die Tonform zerbricht, die Bruchstücke erinnern das Mädchen mit aller Härte an den großen Verlust, der noch lange nicht überwunden ist. Trost findet Eisha bei der Mutter, die ihr dabei hilft, aus den Scherben etwas Neues zu gestalten. Denn wenn auch nicht alles, was zerbrochen ist, wieder heil werden kann, so liegt doch viel Hoffnung in dem Wissen, dass nichts wirklich verloren geht. Aus Traurigkeit und Sehnsucht kann eine schöpferische Kraft wachsen, die Heilung bringt und auch die Zukunft in den Blick nimmt.

Elisabeth Steinkellner: Esther und Salomon

Verlagsanstalt Tyrolia, Innsbruck 2021
336 S., ISBN 978-3-7022-3917-6, 19,95 Euro
ab 14 Jahren

Empathie, Anziehungskraft, Begehren und Hingabe: Die gegenseitige Faszination ist für Esther und Salomon mit Händen greifbar, als sie sich zufällig am Strand kennenlernen.

Dabei kommen die jungen Leute aus ganz unterschiedlichen Lebenswelten. Im ersten Teil des lyrischen Romans mit seinen rhythmisch formulierten freien Versen lässt die Autorin Esther von den ständigen Streitereien ihrer Eltern erzählen, die ihre kleine Schwester noch weitaus mehr belasten als sie selbst. Dass die um eine klare Haltung ringende junge Frau alles tut, um die Schwester zu beschützen, zeigt sich auch in den Polaroids der Hobbyfotografin, die ihr Verantwortungsgefühl genauso widerspiegeln wie das überwältigende Empfinden der ersten großen Liebe. Im zweiten Teil, der mit dem Ende des Urlaubs und der Trennung der Liebenden beginnt, wechselt die Perspektive zu Salomon, der, traumatisiert von der Ermordung seines Vaters und der dramatischen Flucht mit seiner Mutter, sehr unter dem erneuten Verlust leidet. In seinen sehnsuchtsvollen Briefen und vielen Skizzen gibt er zögerlich Einblick in seine innere Zerrissenheit und die Angst vor neuen Verletzungen. Die reduzierte Sprache mit ihren vielen Leerstellen lässt Raum für eigene Gedanken über Belastungen und Überforderung, aber auch über Hoffnung auf Zukunft und Heilung.

Patricia Thoma: Unsere Zukunft träumen

Beltz & Gelberg, Weinheim 2021
70 S., ISBN 978-3-407-75609-1, 17,00 Euro
Ab 10 Jahren

Wie wird die Welt in Zukunft aussehen? Was können wir heute tun, damit das Morgen gelingen kann?

Wer eine lebenswerte Zukunft für alle Menschen und Tiere auf der Erde schaffen möchte, braucht Fantasie, Tatkraft und den Willen zur Veränderung und darf der lähmenden Furcht vor einer fast unausweichlich scheinenden Katastrophe keinen Raum geben. In sechs Kapiteln vermittelt das inspirierende und mit eindrucksvoll optimistischen Bildern illustrierte Sachbuch Denkanstöße für ressourcenschonende und werteorientierte Lösungen gesellschaftlicher sowie klimatologischer Herausforderungen. Die Autorin nimmt Leserinnen und Leser mit auf eine Reise durch die Welt und beschreibt eine große Vielzahl spannender Zukunftsentwürfe in den Bereichen Ernährung, Bekleidung, Wohnen, Mobilität, Energieversorgung und Bildung. Innovative Ideen haben eine Chance, wenn Neugier, Entdeckungsfreude und unvoreingenommene Aufgeschlossenheit gegenüber ungewohnten Denkmustern Grundlage des Handelns sind. Mit den vielen Beispielen bereits angedachter oder schon realisierter Projekte, die durch zusätzliche Informationen im Anhang näher erklärt werden, macht Patricia Thoma jungen Leserinnen und Lesern Mut, sich spielerisch und hoffnungsvoll auf das Abenteuer Zukunft einzulassen.

Kathleen Vereecken: Alles wird gut, immer

Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2021
Illustration: Julie Völk
Übersetzt von Meike Blatnik
144 S., ISBN 978-3-8369-6061-8, 14,00 Euro
Ab 11 Jahren

Im Sommer 1914 wird das Leben im belgischen Ypern immer schwieriger.

Auch wenn der Alltag für die 12-jährige Alice auf den ersten Blick unbeschwert scheint, wird sie zusammen mit ihrer Familie immer häufiger mit den Vorboten des Krieges konfrontiert. Trotz der Flüchtlingstrecks und der gescheiterten eigenen Flucht, trotz der näher rückenden Front und der wachsenden Todesangst bemühen sich alle, den Glauben an ein sicheres Zuhause nicht zu verlieren. Als die Mutter bei einem Bombenangriff stirbt, die Familie nach weiteren Schicksalsschlägen getrennt wird und Alice die Verantwortung für ihre jüngeren Geschwister übernehmen muss, wird Mutters Mantra „Alles wird gut, immer“ endgültig zur leeren Floskel. Im Zufluchtsort, einem französischen Kloster, erfährt sie so viel Hilfe und Zuwendung, dass am Ende des Krieges der Glaube an eine glücklichere Zukunft wieder denkbar scheint. Trotz klarer historischer Bezüge erzählt die Autorin eine erschreckend zeitlose Geschichte vom Elend des Krieges, von Hunger, Heimatlosigkeit, Angst und Tod, aber auch von Zusammenhalt, Mitmenschlichkeit und Hoffnung. Die ergreifende Geschichte ist ein Appell, angesichts aktueller Kriege und Dauerkrisen, Empathie und Hilfsbereitschaft gegenüber den Opfern nicht zu vergessen.

Lauren Wolk: Echo Mountain

Carl Hanser Verlag, München 2021
Übersetzt von Birgitt Kollmann
384 S., ISBN 978-3-446-26959-0, 17,00 Euro
Ab 13 Jahren

Ellies Familie versucht – getrieben von der wirtschaftlichen Not der 1930er Jahre – fern der Stadt im ländlichen Maine eine neue Existenz aufzubauen.

Das Leben am Rand der Wildnis ist hart. Der schwierige Alltag führt immer wieder zu Streitigkeiten und stellt den überlebenswichtigen Zusammenhalt der Familie häufig auf die Probe. Als der Vater nach einem schlimmen Unfall ins Koma fällt, scheinen die Hoffnungen auf einen Neubeginn endgültig zerstört. Doch Ellie, die im Gegensatz zur Mutter und zur Schwester von der sie umgebenden unberührten Natur fasziniert ist, will nicht aufgeben. Sie leidet unter dem unausgesprochenen Vorwurf, für den Unfall verantwortlich zu sein und würde alles tun, damit ihr Vater wieder gesund wird. Auf ihrer Suche nach einer Heilmethode wird sie viele ungewöhnliche Wege gehen und viele Widerstände überwinden müssen. Dabei trifft sie auf Menschen, die sie in ihrem wachsenden Selbstvertrauen bestärken und ihre Hoffnung auf ein gutes Ende lebendig halten. Ein vielschichtiger, atmosphärisch dichter Roman über den Mut und die Beharrlichkeit, die für jeden Neuanfang wichtig ist. Ellies Liebe zur Natur und ihr unbedingter Wille, Verantwortung zu übernehmen, werden zum Schlüssel für die Heilung ihrer Familie.

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