Informationsreise nach Polen und in die Ukraine 2022

Der Vorsitzende der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz und Sonderbeauftragte für Flüchtlingsfragen, Erzbischof Dr. Stefan Heße (Hamburg), hat am 8. Juli 2022 seine fünftägige (3.–8. Juli 2022) Solidaritätsreise nach Polen und in die Ukraine beendet. „In Europa ist wieder Krieg – diese furchtbare Wahrheit war vielen Menschen, denen ich im ukrainisch-polnischen Grenzgebiet begegnet bin, ins Gesicht geschrieben. Den Schutzsuchenden und Notleidenden habe ich versichert, dass die Kirche an ihrer Seite steht, mit praktischer Hilfe und im Gebet“, betonte Erzbischof Heße. Schwerpunkt der Reise war die Begegnung mit ukrainischen Kriegsvertriebenen sowie mit Menschen, die haupt- und ehrenamtlich in der kirchlichen Flüchtlingshilfe aktiv sind. In mehreren Flüchtlingsunterkünften im Südosten Polens und in der Westukraine kam der Sonderbeauftragte mit Schutzsuchenden ins Gespräch.

Fotos der Reise

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Lokale Caritas-Vertreter in der polnischen Grenzstadt Przemyśl berichteten Erzbischof Heße davon, wie innerhalb kürzester Zeit umfangreiche Hilfsmaßnahmen organisiert wurden. „Zu Beginn des Krieges kamen am Bahnhof von Przemyśl tagtäglich zehntausende Schutzsuchende an, die mit Lebensmitteln versorgt wurden. Auch heute noch setzen sich viele freiwillige Helfer unermüdlich dafür ein, dass die Geflüchteten eine menschenwürdige Aufnahme finden“, so Erzbischof Heße. Sowohl der römisch-katholische Erzbischof von Przemyśl, Adam Szal, als auch der Erzbischof der griechisch-katholischen Erzeparchie Przemyśl-Warschau, Eugeniusz Popowicz, haben die hohe Verantwortung der Kirche gegenüber ukrainischen Kriegsflüchtlingen hervorgehoben.

Im ukrainischen Lviv (Lemberg), dessen Bevölkerungszahl infolge des Krieges um etwa ein Viertel gewachsen ist, besuchte Erzbischof Heße verschiedene Einrichtungen zur Begleitung und Unterbringung der vielen Binnenvertriebenen. Während im Austausch mit der römisch-katholischen Caritas-Spes die Frage der Verteilung von Hilfsgütern im Fokus stand, ging es bei einer Führung durch das Haus der Barmherzigkeit der griechisch-katholischen Kirche schwerpunktmäßig um Angebote der psychosozialen Unterstützung. Beim Besuch einer Aufnahmeeinrichtung der Malteser sowie bei einem Treffen mit der Präsidentin der griechisch-katholischen Caritas Ukraine, Tetiana Stawnychy, informierte sich Erzbischof Heße über spezielle Hilfsangebote für Kinder, erkrankte Menschen und weitere vulnerable Gruppen. „Die vielfältigen Formen der Unterstützung durch die katholische Kirche in Deutschland erfahren in der Ukraine große Anerkennung. Es freut mich, dass die Hilfe hier ankommt und die Not der Menschen lindert“, stellte Erzbischof Heße fest.

In Gesprächen mit Erzbischof Mieczysław Mokrzycki (römisch-katholische Erzdiözese Lviv) und Erzbischof Ihor Voznyak CSsR (griechisch-katholische Erzeparchie Lviv) ging es neben dem Engagement beider Kirchen für die Geflüchteten auch um die politische Lage. „Bei allen Belastungen und Herausforderungen: Der Wille der Ukrainer, die Unabhängigkeit ihres Landes zu verteidigen, ist ungebrochen. Als Teil der europäischen Familie kämpfen die Ukrainer für Freiheit und Selbstbestimmung. Die Kirchen treten gemeinsam für die Wiederherstellung einer gerechten Friedensordnung in der Ukraine ein“, so Erzbischof Heße.

In der Kirchengemeinde Hl. Johannes Paul II. in Lviv feierte der Vorsitzende der Migrationskommission mit Schutzsuchenden aus den zerstörten Städten der Ostukraine einen Gottesdienst, der sich dem Leid der Vertreibung widmete. „Es ging mir darum, ein konkretes Zeichen der Solidarität mit den Opfern dieses völkerrechtswidrigen Angriffskrieges zu setzen“, bekräftigte der Erzbischof. In der Garnisonkirche im Zentrum von Lviv, in der seit dem 24. Februar 2022 mehrere hundert Militärbegräbnisse stattgefunden haben, gedachte er der gefallenen Soldaten.

Am Abschluss der Reise standen Gespräche in der polnischen Hauptstadt Warschau. So erörterte Erzbischof Heße mit dem Vorsitzenden des Migrationsrats der Polnischen Bischofskonferenz, Weihbischof Krzysztof Zadarko, und dem Direktor der Caritas Polska, Pfarrer Dr. Marcin Iżycki, die Frage, wie die Kirche in Polen eine hörbare Stimme für die Anliegen von Flüchtlingen und Migranten sein kann. Des Weiteren kam es zu Begegnungen mit dem Gesandten an der Deutschen Botschaft in Warschau, Martin Kremer, der Leitung des Amtes für Ausländerfragen der Republik Polen, Repräsentanten des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sowie Vertretern der polnischen Zivilgesellschaft.

Einen inhaltlichen Schwerpunkt bildete die Frage, wie Polen die Unterbringung und Versorgung der aktuell 1,2 Millionen registrierten Flüchtlinge aus der Ukraine weiterhin gewährleisten kann. Ebenso wurde die Situation im Grenzgebiet zwischen Belarus und Polen thematisiert, wo sich seit Herbst 2021 Schutzsuchende aus dem Mittleren Osten in einer humanitären Notlage befinden. „Der Bau einer 187 km langen Grenzmauer ist keine angemessene Antwort auf die vom belarussischen Präsidenten inszenierte Krise. Ich bin dankbar, dass NGOs und kirchliche Akteure sich für die Rechte der Geflüchteten an der polnisch-belarussischen Grenze einsetzen“, unterstrich Erzbischof Heße. Darüber hinaus wurde in den Gesprächen in Warschau die längerfristige Frage vertieft, inwiefern Polen sich als Einwanderungsland begreifen und ein Zukunftsbild für die Teilhabe von Zuwanderern entwickeln kann. „Die Kirche und die Zivilgesellschaft in Polen zeichnen sich durch ein bewundernswertes Maß an Hilfsbereitschaft gegenüber den ukrainischen Kriegsflüchtlingen aus. Auch in den polnischen Kommunen wird viel getan, um die aktuellen Herausforderungen zu bewältigen. Immer wieder wurde mir in Polen signalisiert, dass man an den Erfahrungen interessiert ist, die wir in Deutschland im Bereich der Integration von Flüchtlingen und Migranten gemacht haben. Es ist wichtig, dass wir in Europa bereit sind, voneinander und miteinander zu lernen – sei es auf kirchlicher oder auf gesellschaftlicher Ebene.“